# taz.de -- Gewalteskalation in Ecuador: 21 Schüsse am helllichten Tag | |
> Ein Staatsanwalt, der zum Überfall auf einen TV-Sender ermittelte, wird | |
> auf offener Straße erschossen. Der Krieg zwischen Banden und Staat | |
> eskaliert. | |
Bild: Polizei untersucht das Auto des erschossenen Staatsanwalts in der Hafenst… | |
BOGOTÁ taz | Am hellichten Tag ist am Mittwoch in Ecuador der Staatwanwalt | |
César Suárez ermordet worden. Mehr als 20 Einschusslöcher wies sein weißer | |
SUV auf, mit dem er zu einer Anhörung im Norden der Hafenstadt Guayaquil | |
unterwegs war, als die Schüsse fielen. | |
Der Staatsanwalt hatte die Ermittlungen nach der [1][Geiselnahme in einem | |
Fernsehstudio] geleitet. Die Bilder waren um die Welt gegangen und hatten | |
ein internationales Schlaglicht auf die Gewalt geworfen, die Ecuador seit | |
Monaten umtreibt. Suárez sollte herausfinden, welche der vielen bewaffneten | |
Gruppen für die Live-Geiselnahme verantwortlich war. Drogenhandel, | |
Terrorismus und organisierte Kriminalität waren sein Spezialgebiet. | |
Generalstaatsanwältin Diana Salazar betonte in einer [2][Videoansprache], | |
„die Banden organisierter Kriminalität, die Verbrecher, die Terroristen“ | |
würden die Justizbehörden nicht von ihrer Arbeit abhalten. Es ist ein | |
weiter Weg. Ecuador steckt in einer tiefen Sicherheitskrise. Kriminelle | |
Banden kämpfen gegeneinander und gegen den Staat – und höhlen diesen teils | |
von innen aus. Es geht um Macht und Geld, vor allem aus dem Drogenhandel. | |
## Noboa bittet die USA um Hilfe | |
Vergangene Woche hatte Präsident Daniel Noboa den Ausnahmezustand | |
ausgerufen, nachdem der wohl brutalste Drogenboss des Landes, José Adolfo | |
Macías Villamar alias „Fito“, aus dem Gefängnis geflohen war – ein neuer | |
Höhepunkt der Gefängniskrise. Die kriminellen Banden erklärten darauf der | |
Staatsgewalt den „Krieg“. Es folgte eine Reihe von Explosionen, Angriffen, | |
Überfälle, Tote – und besagte Live-Geiselnahme. | |
Die Polizei konnte die Mitarbeiter:innen des Senders befreien. | |
Präsident Noboa [3][sagte am selben Tag noch per Dekret 22 bewaffneten | |
Banden den Kampf] an. Ecuador befindet sich seitdem in einem „internen | |
bewaffneten Konflikt“. | |
Noboa hat mittlerweile die USA und andere Länder um Unterstützung in der | |
Krise gebeten. Er würde sich sehr über eine Zusammenarbeit mit den USA bei | |
den Geheimdiensten und über Waffenlieferungen freuen, sagte Noboa in einem | |
Interview mit Starmoderatorin Christiane Amanpour im US-amerikanischen | |
Sender CNN. Demnächst sollen Vertreterinnen der US-Regierung nach Quito | |
reisen. | |
Menschenrechtsorganisationen beobachten die Entwicklung in Ecuador mit | |
Sorge – vor allem den erweiterten Einsatz von Militär in den Straßen. Es | |
geht zunächst darum, die Kontrolle über die Gefängnisse zurückzubekommen. | |
Die sind zur Schaltzentrale der kriminellen Organisationen geworden. In der | |
Nacht auf Sonntag haben Polizei und Armee zumindest die letzten 136 | |
Gefängnismitarbeiter befreit, die von meuternden Insassen als Geiseln | |
genommen worden waren. | |
## Wirtschaft leidet unter dem Ausnahmezustand | |
Der Präsident hat in dem Zusammenhang angekündigt, 1.500 kolumbianische | |
Häftlinge aus den Gefängnissen „herauszuholen“ und „an der Grenze zu | |
lassen“. Eine schwammige Wortwahl, die im Nachbarland Kolumbien für | |
Irritation sorgte. | |
Der kolumbianische Justizminister Néstor Osuna erklärte, dass eine | |
„Abschiebung“ bedeuten würde, dass die Freigelassenen sich als | |
kolumbianische Bürger wieder frei bewegen dürften – auch wieder über die | |
Grenze, sofern kein kolumbianischer Haftbefehl vorliegt. Laut der Zeitung | |
[4][El Espectador] wäre eine Rückführung wegen eines bilateralen Abkommens | |
aus den 90er Jahren nicht so einfach, wie sich das aus Noboas Mund anhört. | |
Das ist nur in Einzelfallentscheidungen und nach objektiven Kriterien | |
erlaubt – und mit Einverständnis des Gefangenen. | |
Es wäre sowieso mehr symbolische Geste als wahre Verbesserung. Das Beispiel | |
zeigt, wie Noboa sich als der Macher mit harter Hand präsentieren will. | |
Sicherheit war das große Wahlversprechen des jüngsten Präsidenten Ecuadors. | |
Derweil läuft der 60-tägige Ausnahmezustand weiter. Inklusive nächtlicher | |
Ausgangssperren im ganzen Land. Das bringt die einheimische Wirtschaft in | |
zusätzliche Nöte. Die Präsidentin der Föderation der Handelskammern von | |
Ecuador, Mónica Heller, hat die Regierung gebeten, die Ausgangssperre zu | |
überdenken. Sie schade der Produktion im Schichtbetrieb und schwäche die | |
Betriebe. Heller sprach sich für eine differenzierte Regelung aus. Denn | |
nicht in allen Provinzen sei die Unsicherheit hoch. | |
Ecuador ist ein wichtiges Transitland für Kokain geworden, das von dortigen | |
Häfen in die Welt geschickt wird. Laut des aktuellsten [5][Berichts des | |
Büros der Vereinten Nationen für Drogen- und Verbrechensbekämpfung (UNODC)] | |
kam 2021 knapp ein Viertel des in Europa beschlagnahmten Kokains aus | |
Ecuador. In Guayaquil, wo der Staatsanwalt ermordet wurde, liegt ein | |
wichtiger Hafen dafür. | |
18 Jan 2024 | |
## LINKS | |
[1] /Eskalation-in-Ecuador/!5984869 | |
[2] https://x.com/DianaSalazarM2/status/1747729488962531770?s=20 | |
[3] /Bandenkrieg-in-Ecuador/!5982555 | |
[4] https://www.elespectador.com/mundo/america/expulsion-de-presos-colombianos-… | |
[5] https://www.unodc.org/documents/data-and-analysis/cocaine/Global_cocaine_re… | |
## AUTOREN | |
Katharina Wojczenko | |
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