Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Gedenken an NS-Verbrechen: Bitte nur ein Ausnahmedenkmal
> In Berlin soll bald ein Mahnmal an den NS-Terror in Polen erinnern – und
> an mehr. Polnische Opferverbände kritisieren das staatsfixierte
> Verfahren.
Bild: Zu Beginn des Zweiten Weltkriegs sitzt ein polnischer Junge trauernd in d…
Berlin taz | Denkmäler brauchen sehr viel Zeit. Die Debatte um das
Holocaust-Mahnmal in Berlin dauerte mehr als ein Jahrzehnt. Das geplante
Polen-Denkmal soll da eine Ausnahme werden. Ende 2020 stimmte der Bundestag
für seine Errichtung, im Februar traf sich erstmals eine Expertenkomission.
„Binnen eines halben Jahres“ hat die Kommission nun „ein ambitioniertes
Konzept vorgelegt“, lobt Außenminister Heiko Maas anlässlich von dessen
Vorstellung am Mittwoch in Berlin.
Das Konzept wird nicht zufällig kurz vor der Bundestagswahl präsentiert.
Das neue Parlament soll, so die 16-köpfige Kommission, die Pläne „so bald
wie möglich entscheiden und zügig implementieren“. Die Kernpunkte des
detaillierten 28-Seiten-Papiers: Das Denkmal, das „erinnern, mahnen und
aufrütteln“ soll, wird durch ein Dokumentationszentrum mit Dauer- und
Wechselausstellungen ergänzt.
Beides zusammen soll emotionale Kraft entfalten. Im Fokus stehen der Zweite
Weltkrieg und die NS-Besatzung, allerdings ist geplant, dass 40 Prozent der
Ausstellung die „deutsch-polnische Beziehungsgeschichte erzählen, zwischen
dem 18. Jahrhundert und der Gegenwart“. Das Auswärtige Amt finanziert das
Projekt 2022 zunächst mit 200.000 Euro.
Auch zwei mögliche Orte in Berlin werden schon anvisiert. Das Ensemble soll
entweder südlich vom Bundeskanzleramt entstehen oder in Berlin-Kreuzberg
neben der Ruine des Anhalter Bahnhofs. Die Kommission will „die zügige
bauliche und institutionelle Umsetzung im nächsten Koalitionsvertrag
verankert sehen“.
## Opferkonkurrenz befürchtet
Doch es gibt [1][Kritik an dem Projekt.] Das Polen-Denkmal wurde lange
alternativ zu einem Dokumentationszentrum diskutiert, das den gesamten
NS-Vernichtungskrieg in Europa zeigen soll. Es gab Bedenken, dass exklusive
Erinnerung an Polen [2][Opferkonkurrenz] befördert. Die Ukraine
protestierte heftig. 2020 hat der Bundestag beide Stätten beschlossen.
Organisatorisch ist das Polen-Denkmal ungewöhnlich. Denn beim
Dokumentationszentrum Vernichtungskrieg hat, wie für Erinnerungsstätten
üblich, die Kulturstaatsministerin den Hut auf. Die Planung des
Polen-Denkmals ist indes beim Auswärtigen Amt (AA) angesiedelt. Kritiker
sehen darin eine Funktionalisierung von Gedächtnispolitik als Mittel der
Außenpolitik – und fürchten, dass die nationalkonservative PiS-Regierung
Einfluss auf die Gestaltung bekommt.
Weil – bis Mittwoch – die namentliche Besetzung der Expertenkommission
unbekannt war, wuchs zudem der Eindruck, dass hier Erinnerungspolitik
abgeschottet und an den Opferverbänden vorbei inszeniert wird. Das AA hat
jetzt zwar die Namen veröffentlicht. Und die Expertenkommission will
künftig „zivilgesellschaftliche Akteure in Deutschland und Polen“
beteiligen.
Doch die sehen sich ausgegrenzt. Roman Kwiatkowski, Präsident der
Vereinigung der Roma in Polen, glaubt, dass schon wieder „über das
Schicksal der polnischen Roma ohne deren legitime Repräsentanz verhandelt
wird“. Das Polen-Denkmal könne „zu einer Art symbolischem Schlussstrich
werden“.
Kamil Majchrzak, Vizepräsident des Internationalen Komitees
Buchenwald-Dora, kritisiert, dass das Denkmal ein Schritt im „Übergang von
einer kritisch-diskursiven, gegenwartsbezogenen Erinnerungskultur hin zu
einer rein staatlich-repräsentativen und ritualisierten Kultur“ wird.
Polnische Opferverbände fürchten, das Denkmal verdränge die Debatte um
Entschädigungen und Renten für NS-Opfer in Polen.
16 Sep 2021
## LINKS
[1] /Debatte-um-Polen-Denkmal-in-Berlin/!5719910
[2] /Neue-Erinnerungsorte-fuer-NS-Opfer/!5721165
## AUTOREN
Stefan Reinecke
## TAGS
NS-Dokumentationszentrum
Polen
PiS
Schwerpunkt Nationalsozialismus
Polen
Schwerpunkt Zweiter Weltkrieg
Erinnerungskultur
Zwangsarbeit
Schwerpunkt Nationalsozialismus
Schwerpunkt Nationalsozialismus
Schwerpunkt Zweiter Weltkrieg
## ARTIKEL ZUM THEMA
Pläne für Deutsch-Polnisches Haus: Kein Kranzabwurfplatz
Das geplante „Polen-Denkmal“ soll nicht nur Gedenkstätte, sondern auch
Museum und Ort des Lernens sein. Probleme zeichnen sich allerdings bei der
Umsetzung ab.
Hamburger Kriegsgedenkstätte restauriert: Damit die Erinnerung bleibt
Der Ohlsdorfer Friedhof hat 304 Steine der polnischen Kriegsgrabstätte
restauriert. Sie erinnert an die Toten des Zweiten Weltkrieges vor 80
Jahren.
Streit um KZ-Gelände in Hersbruck: Der Grund der Erinnerung
Ist Boden, auf dem einst Tausende Opfer der Nazis starben, heilig? Eine
Grundsatzfrage, an der sich in Hersbruck derzeit die Geister scheiden.
Dokumentationszentrum NS-Zwangsarbeit: Die Lager waren nicht zu übersehen
In Schöneweide wurde 2006 das bundesweit erste Dokumentationszentrum zur
NS-Zwangsarbeit eröffnet. Ein Rundgang durch die Open-Air-Ausstellung.
Erinnerung an NS-Opfer: Protest gegen Plan für Polendenkmal
Ein Denkmal soll in Berlin an polnische Opfer von NS-Verbrechen erinnern.
Opferverbände kritisieren, dass sie bei der Konzeption außen vor bleiben.
Gedenken an NS-Besatzung: Späte Einsicht, großes Projekt
Der Bundestag will ein Dokumentationszentrum über den Terror deutscher
Besatzung bis 1945 einrichten. Das ist lange überfällig.
80 Jahre Kriegsbeginn: Polen lernen
Am 1. September vor achtzig Jahren begann der Zweite Weltkrieg mit dem
Überfall auf Polen. Was aber wissen wir über die Zeit der deutschen
Besatzung?
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.