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# taz.de -- Gazprom drosselt erneut: Wieder an der Turbine geschraubt
> Katz-und-Maus-Spiel um Nord Stream 1 geht weiter: Plötzlich reduziert
> Russland die Gaslieferung nach Deutschland noch einmal um die Hälfte.
Bild: Hier kommt es an, das Gas: Ende der Pipeline Nord Stream 1 in Lubmin
Freiburg taz | So schnell kann sich die Situation ändern: Am Montagmittag
hatte die [1][Bundesnetzagentur] die Lage der Gasversorgung in Deutschland
noch mit verhalten positivem Trend bewertet. Im täglichen Lagebericht zur
Gasversorgung hieß es zu diesem Zeitpunkt erstmals seit Wochen, die Lage
sei jetzt noch „leicht angespannt“. Das „leicht“ war neu, eine positive
Einschränkung, zuvor war fortwährend nur von „angespannt“ die Rede gewese…
Doch nur wenige Stunden später kam eine neue Nachricht aus dem Osten: Der
russische Versorger Gazprom wird seine Lieferungen mittels Nord Stream 1 ab
diesem Mittwoch auf nur noch die Hälfte der bisherigen Menge drosseln –
also auf 20 Prozent der Pipeline-Kapazität. Während man in Russland davon
sprach, dass eine weitere Turbine in Reparatur geschickt werden müsse, hält
die deutsche Regierung diese Aussage einmal mehr nur für einen Vorwand.
Das Bundeswirtschaftsministerium teilte nämlich umgehend mit: „Es gibt nach
unseren Informationen keinen technischen Grund für eine Reduktion der
Lieferungen.“ Der zuständige Minister Robert Habeck (Grüne) legte später
nach, sprach von „Farce-Geschichten“. Zugleich schwor er Deutschland darauf
ein, der Willkür Gazproms den gesellschaftlichen Zusammenhalt
entgegenzusetzen, wofür ein sparsamer Umgang mit Gas ein wichtiger Faktor
ist: „Putin hat das Gas, aber wir haben die Kraft“, sagte Habeck.
Schon vor Wochen hatte Gazprom die Wartung einer Gasverdichter-Turbine als
Grund dafür genannt, dass die Transportkapazität der Gasleitung nicht mehr
voll ausgeschöpft wurde. Von Anfang an gab es jedoch Zweifel daran, dass
allein eine fehlende Turbine eine so drastische Reduktion des Gasflusses
notwendig machen könnte.
## Verzögerung bei der Turbine
Nun verzögert sich die Rücklieferung der Turbine aus Kanada, wo sie
gewartet wurde, immer weiter. Sie ist längst zu einer Waffe im
Wirtschaftskrieg geworden. Zuletzt konnte die Maschine des Herstellers
Siemens Energy wegen angeblich fehlender Dokumente nicht verschifft werden.
„Die sanktionsrechtlichen Genehmigungsvoraussetzungen für die Auslieferung
der in Rede stehenden Turbine liegen vor“, teilte hingegen das
Bundeswirtschaftsministerium mit, das in dieser Frage seit Wochen mit
Kanada in Kontakt steht. Kanada habe die nach dortigem Recht notwendige
Ausnahmegenehmigung erteilt, so das Ministerium. Gazprom wiederum sprach
davon, dass die Begleitdokumente Fragen aufwürfen, die einen Einbau der
Turbine zu einem Risiko machten.
So treibt Russland sein Katz-und-Maus-Spiel um die europäische
Gasversorgung immer weiter. Die Gasmärkte reagierten naturgemäß umgehend
auf die neuen Nachrichten. Der Gaspreis erreichte nach einer gewissen
Entspannung der letzten Tage neue Spitzenwerte; Gas zur Lieferung im
vierten Quartal riss am Dienstagmittag erstmals die Marke von 200 Euro je
Megawattstunde.
Im Schlepptau zogen auch die Strommärkte an, da diese vor allem in Zeiten
mit geringem Anteil erneuerbarer Energien stark vom Gaspreis abhängig sind.
Die Kilowattstunde Strom zur Lieferung im kommenden Quartal wurde am
Dienstagmittag für 47 Cent gehandelt. Vor einem Monat hatte der Preis noch
mehr als 10 Cent niedriger gelegen. Die Bundesnetzagentur warnt daher schon
seit einiger Zeit, dass sich Unternehmen und private Verbraucher „auf
deutlich steigende Gaspreise einstellen“ müssen.
## Absenken der Raumtemperatur
Unterdessen [2][berichtete das Handelsblatt], der deutsche Öl- und
Gaskonzern Wintershall Dea wolle künftig mehr Öl und Gas in Deutschland
fördern. Zudem berichtete die Zeitung von Vorschlägen des
Wissenschaftlichen Beirats des Wirtschaftsministeriums zum Einsparen von
Gas. Das Gremium schlage im Fall eines winterlichen Gasmangels ein
„gemeinsames Absenken der Raumtemperatur in allen Betrieben und
öffentlichen Gebäuden für eine Woche“ vor. Zwar sei der direkte Effekt
gering, doch auch der autofreie Sonntag in der Ölkrise habe sich „in das
Bewusstsein einer ganzen Generation als Symbol für die gemeinsame
Anstrengung zur Überwindung der Krise eingebrannt“, zitiert die Zeitung aus
einem Papier des Beirats. Dieses soll offiziell am Donnerstag vorgestellt
werden.
Der Füllstand der deutschen Gasspeicher beläuft sich aktuell auf 66,4
Prozent. Um die erste Zielmarke von 75 Prozent zu erreichen, die Habeck in
seinem „Energiesicherungspaket“ vergangene Woche für den 1. September
definiert hatte, müsste der Füllstand in der verbleibenden Zeit täglich um
rund 0,25 Prozentpunkte zulegen. Das gilt angesichts der erneuten
Reduzierung der Lieferung als kaum mehr realistisch. Die Bundesnetzagentur
hat entsprechend am Dienstag ihren Lagebericht wieder angepasst – nun ist
die Situation auch offiziell wieder „angespannt“.
26 Jul 2022
## LINKS
[1] https://www.bundesnetzagentur.de/DE/Fachthemen/ElektrizitaetundGas/Versorgu…
[2] https://www.handelsblatt.com/dpa/wirtschaft-wintershall-dea-legt-gewinnspru…
## AUTOREN
Bernward Janzing
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