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# taz.de -- Fußball in Belarus: Seltsam populär
> In Alexander Lukaschenkos Land läuft die Liga weiter, als gäbe es kein
> Corona. Man fühlt sich wohl in der Rolle als fußballerischer Nabel der
> Welt.
Bild: Pokalstimmung in Belarus: Der FK Sluzk empfängt das Team aus Masyr
Am Samstag steigt das „heißeste Derby der Fußballwelt“. [1][So bewirbt
Dinamo Minsk die Partie] am zweiten Spieltag der höchsten Liga von Belarus
gegen den Lokalrivalen FK auf Twitter. Nachdem man festgestellt hat, dass
sich die ganze Welt fragt, warum in Belarus noch Fußball vor Publikum
gespielt wird, fangen die Klubs und Sportmedien an, sich einen Spaß aus der
Coronaignoranz zu machen.
Wenn das Sportportal [2][Tribuna] darüber berichtet, dass sich sogar die
New York Times schon mit dem Fußball in Belarus befasst hat, dann klingt
das fast schon ein wenig stolz. Auch dass die Zitate von Staatspräsident
Alexander Lukaschenko, nach denen die Pandemie eine Psychose sei und man
sich am besten auf dem Traktor oder durch das Konsumieren von Wodka vor dem
Virus schützen könne, ihren Weg in die Welt gefunden haben, wird mit einer
gewissen Genugtuung berichtet.
Sportlich gibt es wenig Gründe, ein Spiel der höchsten Liga in Belarus
anzuschauen. Ein Augenzeuge, der anonym bleiben möchte, schilderte der taz
seine Eindrücke vom Auftaktspiel des Traditionsklubs Dinamo Minsk in der
höchsten Spielklasse am vergangenen Freitag. Das 0:1 gegen Ruch Brest muss
den Schilderungen zufolge ein ziemlich grauenhafter Kick gewesen sein.
Offiziell wurden 1.800 Zuschauer gezählt. Die haben sich nicht etwa gut
verteilt im 22.000 Zuschauer fassenden [3][Olympiastadion]. Auf der
Hauptribüne hätten sich die meisten Zuschauer aufgehalten. In der Fankurve
haben gut 100 Ultras einen Block gebildet und eng beieinanderstehend ihren
üblichen Zirkus veranstaltet.
Hinweise, wegen der Pandemie Abstand zu halten, seien nirgendwo am Stadion
zu finden gewesen. Karten für das Spiel gab es an zwei Schaltern in einem
Verkaufscontainer. Wer sich da angestellt hat, achtete in der Regel nicht
auf die Einhaltung eines gesundheitssichernden Abstands. Corona ist
abwesend, wenn gekickt wird.
## Verschlossene Türen
Wer ein paar Tage vorher die Partie in der osteueropäischen Eliteliga im
Basketball zwischen Tsmoki Minsk und Parma Perm sehen wollte, der stand vor
verschlossenen Türen. Die russische Mannschaft war nicht angereist. Dass
das etwas mit der Coronapandemie zu tun haben könnte, stand nirgends. Der
Gegner sei nicht angetreten, hieß es nur.
Dass das Virus Belarus trotz Traktorfahren und Wodka [4][nicht verschont]
hat, ist den Menschen im Land durchaus bewusst. Noch glaubt man da, die
Ausbreitung des Virus verhindern zu können, indem man die Infizierten und
ihr Umfeld identifiziert und in die Isolation in Kliniken schickt. Dass
eine Art Ausnahmezustand im Land herrscht, merken die Bewohner von Minsk
vor allen an der stark erhöhten Polizeipräsenz in der Stadt.
Die Profis der Eliteliga trainieren derweil weiter. Vor allem Legionäre
werden aus dem Ausland angerufen und sollen sagen, wie sie es finden, dass
sie noch immer spielen müssen. Einer von ihnen ist der Bosnier Bojan
Nastić, der für Bate Borissow spielt. „Ich bin Profi“, sagt er. „Ich mu…
spielen, sonst werde ich nicht bezahlt. Wir sind hier keine großen Namen,
wir haben keine Wahl.“ Das Sportportal Tribuna sammelt derartige
Statements, die so zurückgespielt werden nach Belarus.
Auch Dmytro Ryschuk, der ukrainische Verteidiger von FK Minsk, kommt so in
diesen Tagen zu nie gekanntem Ruhm. Er wurde gefragt, wie er denn die neue
Popularität der Liga finde. „Seltsam“ sei das, sagt er. Aber: „Auch wenn
die Lage schwierig ist, hat Belarus in gewisser Weise seine Vorteile.“
27 Mar 2020
## LINKS
[1] https://twitter.com/FC_Dinamo_Minsk/status/1242815810869100547
[2] https://by.tribuna.com/tribuna/blogs/whatyougot/2760780.html
[3] /European-Games-in-Minsk/!5603661
[4] /Corona-in-der-Ex-Sowjetunion/!5672999
## AUTOREN
Andreas Rüttenauer
## TAGS
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Alexander Lukaschenko
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