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# taz.de -- Großveranstaltungen trotz Corona: Im Stadium des Absurden
> Immer mehr Großveranstaltungen werden wegen Corona abgesagt. Der Sport
> wartet derweil auf konkrete Ansagen der Behörden.
Bild: Kann man so ins Stadion gehen?
BERLIN taz | Als Cristiano Ronaldo am Sonntag in den Katakomben des
Juventus-Stadions mit dem Vereinsbus angekommen war, schnappte er sich sein
Kulturtäschchen, stieg aus und klatschte leer in die Luft, als seien ein
paar Fans da, die aber gar nicht da waren. Es handelte sich um Geister, die
in den kommenden Wochen wohl noch öfter auftauchen werden, denn auf den
europäischen Sportbetrieb kommen sogenannte Geisterspiele zu.
Die Deutsche Fußball-Liga stellt sich wegen der Ausbreitung des Coronavirus
auf solche Kicks ohne Zuschauer schon am nächsten Bundesliga-Wochenende
ein. „Wir würden am liebsten am nächsten Spieltag mit Zuschauern spielen.
Das ist aber leider nicht realistisch“, sagte DFL-Geschäftsführer Christian
Seifert am Montag in einem Interview. Er schloss eine Komplettabsage des
kommenden Spieltags aber aus.
Mehr und mehr [1][Großveranstaltungen] werden wegen des grassierenden
Virus, Sars-CoV-2, abgesagt oder eben vor leeren Rängen ausgetragen.
Begonnen hat es im besonders hart von der Epidemie betroffenen Norditalien;
die Partie von Ronaldos Verein Juventus gegen Inter Mailand (2:0) wurde von
der Gazzetta dello Sport wegen der widrigen Umstände als „Theater des
Absurden“ bezeichnet.
Ob der kicker Ähnliches dichtet, wenn Borussia Dortmund sein
Champions-League-Spiel gegen Paris St.-Germain am Mittwoch im gähnend
leeren Prinzenpark austrägt, ist ungewiss. Sicher ist nur, dass sich der
französische Fußballmeister an die Weisung der französischen Regierung
gehalten hat – alle Veranstaltungen, an denen über 1.000 Menschen
teilnehmen, wurden untersagt.
## Nur Empfehlungen
In Deutschland hat Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) eine andere
Sprachregelung gefunden. Er „ermuntere ausdrücklich“, so textete er am
Sonntag auf Twitter, „Veranstaltungen mit mehr als 1.000 Teilnehmern bis
auf Weiteres abzusagen“.
Weil der [2][Schutz vor Infektionskrankheiten auf Grundlage des
Infektionsschutzgesetzes] Angelegenheit der lokalen Gesundheitsbehörden
ist, kann die Bundesregierung nur Empfehlungen abgeben. Die finale
Entscheidung liegt bei den lokalen Gesundheitsbehörden. In den letzten
Tagen sei es „zu zaghaft zu Absagen gekommen“, stellte Spahn am Montag in
der Bundespressekonferenz fest. Mit der Empfehlung wolle er daher
denjenigen den Rücken stärken, die vor Ort die Entscheidungen treffen
müssen, so der CDU-Politiker.
Mit der festgelegten Marke „1.000 Teilnehmer“ orientiert sich das
Gesundheitsministerium an ähnlichen Regelungen in Frankreich und der
Schweiz. Diese Empfehlung bedeute jedoch nicht, stellte Spahn klar, dass
Veranstaltungen mit unter 1.000 Teilnehmern per se stattfinden sollten.
Vielmehr müsse hierbei die konkrete Situation nach dem Grundsatz der
Verhältnismäßigkeit geprüft werden.
Das Robert-Koch-Institut hatte bereits Ende Februar allgemeine Kriterien
zur Risikoeinschätzung sowie Handlungsempfehlungen für Großveranstaltungen
definiert. Ausschlaggebend für die Risikobemessung sind gemäß Institut die
Zusammensetzung der Teilnehmer sowie Art und Ort der Zusammentreffen.
## Bei Kindern meist mild
Verschiedene Maßnahmen können zudem das Risiko einer Übertragung und großer
Folgeausbrüche verringern. Das Robert-Koch-Institut nennt hier: eine
angemessene Belüftung des Veranstaltungsortes und Information der
Teilnehmer über allgemeine Maßnahmen des Infektionsschutzes sowie eine
Begrenzung der Teilnehmerzahl oder der Ausschluss von Personen mit akuten
Symptomen.
Ein Clubbesuch, die Geburtstagsfeier im familiären Kreis oder die
Vereinssitzung – auch jeder Einzelne solle abwägen, auf welche Dinge man im
Alltag verzichten könne, erklärte Spahn. Mit dieser Vorsicht schütze man
vor allem ältere und chronisch kranke Menschen. „Wägen Sie ab, was Ihnen im
eigenen Alltag so wichtig ist, dass Sie darauf in den nächsten zwei bis
drei Monaten nicht verzichten wollen“, appellierte Spahn an das
Verantwortungsbewusstsein jedes Einzelnen.
Kitas und Schulen sollen vorerst nicht grundsätzlich geschlossen werden.
Die Krankheitsverläufe bei Kindern seien meist mild, erklärte der Präsident
des Robert-Koch-Instituts Lothar Wieler. Dies müsse zudem von Region zu
Region unterschieden werden. Eine grundsätzliche Schließung sei
unverhältnismäßig, da andere Bereiche des Lebens davon stark betroffen
wären. So würden beispielsweise Eltern vermehrt nicht zur Arbeit gehen
können.
Spahns Empfehlung wurde von den deutschen Gesundheitsämtern aufgenommen,
allerdings ist unklar, welche Events nun davon betroffen sind und nach
welchen Maßgaben konkret entschieden wird. So fand das Fußballspiel der
Zweitligisten VfB Stuttgart gegen Arminia Bielfeld am Montagabend statt,
auch die Champions-League-Partie von RB Leipzig gegen Tottenham Hotspur am
Dienstag wird ausgetragen, ebenso große Konzerte wie das von James Blunt in
der Berliner Mercedes-Benz-Arena.
## Wettbewerbsverzerrung
Es herrscht offensichtlich nicht nur in der Sportszene eine große
Unsicherheit über das Handling der Krise. „Das ist ja alles hochsensibel“,
sagt Marc-Hendrik Schmedt, Vizepräsident der Deutschen Handball-Liga und
Geschäftsführer des Sport-Clubs Magdeburg, „ich bin froh, dass wir am
Wochenende nicht spielen müssen.“ Die Handball-Liga pausiert bis Donnerstag
kommender Woche, und was dann passiert, das will der Funktionär nicht
prognostizieren: „Wer weiß schon, wann ein Komet einschlägt. Die
Konsequenzen können wir eh nicht bewerten.“ Weil er „weder Arzt noch
Apotheker“ sei, sei er auch nicht „in der Verantwortung, Verbote
auszusprechen“. Das müssten schon die Gesundheitsämter tun, sagt er. Mit
denen stehe er regelmäßig in Kontakt.
Fast wortgleich äußern sich Vertreter aus den Sparten Basketball, Eishockey
und Fußball. Man beobachte die Lage aufmerksam, heißt es wiederholt. „Die
Experten sitzen in den Gesundheitsämtern, wir sind keine Virulogen oder
Mediziner“, sagt ein Handball-Vertreter, der lieber ungenannt bleiben
möchte, gleichwohl ängstige ihn „eine sehr dynamische Lage“. Der Sport
wartet also auf konkrete Ansagen der Behörden und rechnet nebenbei schon
mal aus, welchen Folgen solche Geisterspiele hätten. Die Rede ist von
Wettbewerbsverzerrung – und von finanziellen Einbußen.
Handballfunktionär Schmedt sagt, dass sein Verein 30 bis 40 Prozent der
Gesamteinnahmen aus dem Verkauf von Tickets generiert. „Alle nicht
fernsehstarken Sportarten würde es doppelt hart treffen, das wäre brutal
für uns.“ Die erste und zweite Fußball-Bundesliga könnte die Einbußen
besser abfedern, weil diese Ligen nur etwa 16 Prozent ihrer Einnahmen aus
dem Portemonnaie der Fans beziehen; in der dritten Fußball-Liga sind es
etwa 20 Prozent.
Eine Entscheidung über die Austragung des rheinischen Fußballderbys
zwischen Borussia Mönchengladbach und dem 1. FC Köln am Mittwoch wird
derweil erst am Dienstag fallen. „Die Situation ist völlig offen“, sagte
ein Sprecher der Stadt. Das trifft auch auf den Fortgang des
Coronaausbruchs in Europa zu.
10 Mar 2020
## LINKS
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## AUTOREN
Markus Völker
Georg Sturm
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