# taz.de -- Wenn weder Ball noch Rubel rollen: Cancel culture kills the cash cow | |
> Es ist auch der Sport, der durch die Absagen seiner Veranstaltungen | |
> Bewusstsein geschaffen hat. Die Funktionäre hinken hinterher. | |
Bild: So viel ist los, wenn nichts los ist: leeres Stadion, hier in Wolfsburg | |
Mit der „Cancel Culture“ war ursprünglich ja etwas ganz anderes gemeint – | |
eine Absagekultur, die sich auf moralische Empörung wegen offensichtlichen | |
Fehlverhaltens oder Schlimmerem berief: Jemand, meist beruflich | |
kunstschaffend, sagte oder veröffentlichte etwas, was als sexistisch, | |
rassistisch, antifeministisch etc. aufgefasst wurde oder werden konnte – | |
und wurde kurzerhand von eigenen Veranstaltungen befreit. Ausgeladen. | |
Doch mittlerweile ist alles anders: Kunst findet eh nur noch im Netz statt, | |
und vor der Moral kommen viele andere Dinge, allen voran die Gesundheit. | |
Das ist auch im Sport so, der hier unfreiwillig große soziale Dienste | |
geleistet hat: Ohne die erste ganz große Welle der Cancel Culture, nämlich | |
den grassierenden Absagen von Sportveranstaltungen, wäre die Dringlichkeit | |
des Themas Corona lange nicht so breit in der Gesellschaft angekommen. | |
Der allgemeine Gedanke war der: Wenn sogar die enorme Monetenmaschine | |
Fußball zum Stillstand gebracht wird, muss es sehr ernst um die Sache, um | |
uns alle stehen. Und so ist es ja auch. | |
Ganz kapiert haben das aber nicht alle. Schalke-Spieler wollen weiter | |
Shisha rauchen, IOC-Präsidenten gehen auf Tauchstation, weil sie die | |
olympische Idee – alle vier Jahre wird auf dem Rücken des Breitensports | |
groß Kasse gemacht – nicht einfach so aufgeben wollen. Dass alle, die | |
primär „auf die Finanzen“ schauen, schon jetzt mit den Hufen scharren, und | |
dass gleichzeitig die Aktiven neben dem Großteil der Fans die | |
Vernünftigsten zu sein scheinen, ist vielsagend. Die Absagen gehen auf | |
Kosten der Geldmaschine, oder auf gut Deutsch: Cancel culture kills the | |
cash cow. Gut so. | |
22 Mar 2020 | |
## AUTOREN | |
René Hamann | |
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