| # taz.de -- „Friedensstadt“ Osnabrück: Lukrative Doppelrolle | |
| > Eine Agentur gibt Osnabrück beim Stadtmarketing ein schlechtes Zeugnis. | |
| > Nun ist Agentur von der Stadt beauftragt, ein neues Image zu kreieren. | |
| Bild: In die Jahre gekommen: Ortsschild der „Friedensstaft“ Osnabrück | |
| Osnabrück taz | Wer an Osnabrücks Ortseingangsschildern vorbeikommt, liest: | |
| „Friedensstadt“. Ein selbst verliehenes Label, dass es schon Jahrzehnte | |
| gibt. Es erinnert an das Ende des Dreißigjährigen Krieges durch den | |
| [1][Westfälischen Frieden von 1648.] | |
| Das Etikett, Teil des Corporate Designs der Stadt, markiert eine | |
| Selbstverpflichtung. Gut, nicht alles ist Gold, was [2][in Osnabrück im | |
| Namen des Friedens] geschieht, vom Friedensschinken bis zum | |
| Friedens-Hoodie. Aber vieles hat Tiefe, Anspruch und Ernst. | |
| 2023 veranstaltet die Stadt einen siebenmonatigen Veranstaltungsmarathon | |
| zum 375. Jubiläum des Diplomatie-Siegs von 1648, mit Friedenstauben-Logo – | |
| und eines seiner Highlights ist die Eröffnung des Geschichts-Lernorts | |
| „Friedenslabor“ des Museumsquartiers Osnabrück. | |
| Aber der Frieden scheint gefährdet. Im September 2022 hat der Stadtrat | |
| einen „Markenprozess“ angeschoben. Er soll „Attraktivität und Wahrnehmun… | |
| der Stadt steigern. Was das für das Friedensprofil bedeutet, ist offen. | |
| ## Hiobsbotschafter und Heilsbringer zugleich | |
| Den Ausschlag gab der „Stadtmarken-Monitor 2020“ der Hamburger „Brandm… | |
| Markenberatung“. In diesem Ranking macht Osnabrück keine gute Figur: Platz | |
| 34 unter 50 Städten. „Die meisten Deutschen verbinden mit Osnabrück keine | |
| bestimmten Vorstellungen“, bescheidet der Monitor. Das Markenbild sei | |
| „unterdurchschnittlich“. 10.000 Menschen seien online befragt worden, wie | |
| sie ihre Städte subjektiv wahrnehmen, so die Brandmeyer-Studie, | |
| repräsentativ für die deutschsprachige Bevölkerung ab 18 Jahre, fünf Städte | |
| pro Person, pro Stadt rund 1.000 Votings. | |
| Die Neuausrichtung des Stadtmarketings ist schon seit Anfang 2019 [3][Thema | |
| der Osnabrücker Stadtpolitik.] Die Stadt müsse „stärker und selbstbewusster | |
| positioniert werden“, so damals ein Ratsbeschluss. Mehrere Millionen Euro | |
| wurden veranschlagt. | |
| Ende 2022 fanden Themenworkshops statt, im Februar 2023 startet eine | |
| Onlinebefragung für alle BürgerInnen der Region. 60.000 Euro kostet allein | |
| das. Für Hiobsbotschafter Brandmeyer ist das eine lukrative Doppelrolle: | |
| Beauftragt mit „Analyse und Positionierung der Stadtmarke Osnabrück“, soll | |
| er jetzt zugleich zum Heilsbringer werden. Ein findiges Geschäftsmodell. | |
| Auch der Hamburger Stadtvermarkter „Stadtmanufaktur“, ein Partner von | |
| Brandmeyer, ist mit im Boot. | |
| Skeptikern tritt Osnabrück auf seiner Stadt-Website entgegen: Es gehe nicht | |
| um ein Logo oder einen Slogan, sondern um das „Image, das die Menschen im | |
| Kopf haben“. | |
| ## Immerhin fehlen negative Vorstellungen von Osnabrück | |
| Federführend dabei ist die Stadttochter „Marketing Osnabrück“ (MO). Dass | |
| die meisten mit Osnabrück nichts Konkretes verbinden, sieht MO-Sprecherin | |
| Julia Krämer als Vorteil: „Es fehlen negative Vorstellungen.“ Die | |
| Konkurrenzfähigkeit einer Stadt werde „immer bedeutsamer“. Man stehe | |
| „zunehmend in einem Wettbewerb um Bewohnerinnen und Bewohner, Unternehmen, | |
| Touristinnen und Touristen als auch um Fachkräfte, welche einer Stadt | |
| Wertschöpfung bringen“. | |
| Warum die Stadt davon ausgeht, dass die Brandmeyer-Ergebnisse valide sind? | |
| Krämer beantwortet das nicht wirklich. Was sie sagt, ist teils wortgleich | |
| mit Passagen der Brandmeyer-Homepage und des Brandmeyer-Monitors. | |
| Dass dieser Prozess auch Osnabrücks Profil als „Friedensstadt“ berührt, | |
| gerade im Jubiläumsjahr 2023 fatal, scheint nicht ausgeschlossen: Ohne die | |
| Ergebnisse der Befragung der BürgerInnen zu kennen, sei „dazu keine Aussage | |
| möglich“, sagt Krämer. Man sei überzeugt, dass diese „am besten einschä… | |
| können, was ihnen an unserer Stadt gefällt“. | |
| Der Kreisverband Osnabrück-Stadt der Linken ist alarmiert: „Wir fordern | |
| angesichts neuer und alter Kriege in der Welt, dass das Thema Friedensstadt | |
| Osnabrück die eigentliche Marke der Stadt bleibt“, sagt | |
| Kreisverbands-Sprecherin Charis Müller. „Mit den in Münster und eben auch | |
| Osnabrück parallel geschlossenen komplementären Verträgen des Westfälischen | |
| Friedens ist Osnabrück einer der beiden Orte, in denen der Ursprung des | |
| heutigen Völkerrechts geschaffen wurde. Diese Bedeutung ist durch keine | |
| andere Besonderheit der Stadt ersetzbar!“ | |
| Volker Bajus, Fraktionschef der Osnabrücker Grünen, hält den Markenprozess | |
| für sinnvoll: „Osnabrück fehlt es nicht nur an Bekanntheit, sondern ist | |
| quasi eine Image-Leerstelle“, sagt er der taz. „Bundesweit kennen die | |
| meisten die Stadt allenfalls aus den Staumeldungen der Autobahn im | |
| Verkehrsfunk.“ | |
| ## Image nicht auf einen Begriff reduzieren | |
| Allerdings warnt auch er: Die Politik dürfe sich nicht hinter dem | |
| Markenprozess verstecken. „Marke, Image, Marketing, das dürfen nur die | |
| Instrumente strategischer Kommunikation sein. Der Gestaltungsauftrag für | |
| die Stadtentwicklung bleibt beim Rat.“ Das gelte auch für „unseren Anspruch | |
| als Friedensstadt“. | |
| Bei Image-Kampagnen tut sich Osnabrück mitunter schwer. 2007 sorgte ihre | |
| „Weltstädtchen“-Verniedlichungs-Kampagne bundesweit für Spott. Diesmal | |
| ist die Sache offenbar ernster. Es gehe um einen „substanziellen Beitrag | |
| zum Gemeinwohl“, sagt Krämer. Eine Stadt könne „nicht nicht kommunizieren… | |
| Warten wir ab, was Osnabrück demnächst zu sagen hat. | |
| Man werde „viele verschiedene Facetten“ einbeziehen, sagt Peter Pirck, | |
| Geschäftsführender Gesellschafter bei Brandmeyer, der taz, „natürlich auch | |
| Historie und Aktivitäten rund um das Thema Frieden“. Welche Relevanz das | |
| Thema aus Bevölkerungssicht habe, sei noch nicht einzuschätzen. Auch nicht, | |
| „was dies künftig für die Außendarstellung der Stadt bedeuten wird“. | |
| Grundsätzlich rate Brandmeyer Städten davon ab, die Außendarstellung auf | |
| einen einzelnen Begriff „zu reduzieren“. | |
| 5 Jan 2023 | |
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| ## AUTOREN | |
| Harff-Peter Schönherr | |
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