| # taz.de -- Fridays for Future: Wo seid ihr jetzt alle? | |
| > Nach 5 Jahren Klimastreik: 6 Aktivist:innen erzählen, warum sie noch | |
| > an FFF glauben, neu dazukommen – oder nicht mehr dabei sind. | |
| Bild: Insgesamt 72 Leute: Klimaprotest von FFF und anderen Gruppen Anfang Septe… | |
| ## „Ich wollte schon lange zu Fridays for Future“ | |
| Ich sage immer, ich gehe nebenbei zur Schule. Hauptsächlich mache ich | |
| Aktivismus. Mit elf Jahren bin ich zur Grünen Jugend gegangen. Der damalige | |
| Kandidat für die Bremer Bürgerschaftswahl hat schon viel über Klima | |
| gesprochen, als das noch ein Nischenthema war. Auch wenn ich heute von den | |
| Grünen als Regierungspartei enttäuscht bin, hat mich das damals sehr | |
| inspiriert. | |
| Deshalb wollte ich von Anfang an zu Fridays for Future und war das | |
| teilweise auch online in den überregionalen Strukturen. Als sich die | |
| Ortsgruppe Bremen gründete, war ich allerdings gerade über einen längeren | |
| Zeitraum im Krankenhaus. Später war die politische Lage in der Gruppe dann | |
| leider etwas schwierig. Es gab zu viele Unstimmigkeiten, teilweise auch | |
| Vorwürfe von Antisemitismus. | |
| Das war wohl am Ende auch der Grund, [1][weshalb sie sich diesen Sommer | |
| aufgelöst hat]. Als es dann hieß, dass die Fridays in Bremen [2][neu | |
| gegründet werden sollen], bin ich direkt mit eingestiegen. Aktuell sind wir | |
| eine sehr kleine Gruppe. Für den Klimastreik haben wir deshalb ein großes | |
| Bündnis auf die Beine gestellt, mit anderen Aktivismus- und | |
| Umweltverbänden. Die Arbeit im Bündnis ist uns sehr wichtig. | |
| Mit der Übergabe hat alles reibungslos funktioniert. Mich hat aber sehr | |
| erschreckt, dass wir über Instagram eine große Welle von Hasskommentaren | |
| und teilweise sogar private Nachrichten bekommen haben. Im Hinblick auf den | |
| nächsten Streik wurden sehr viele Plakate abgerissen. Ich vermute, dass das | |
| von Leuten ausgeht, die mit der Auflösung und Neugründung unzufrieden sind. | |
| Das kann ich teilweise nachvollziehen. Diese destruktiven Handlungen haben | |
| mich jedoch erschrocken. | |
| Paul-Nikos Günther, 20, Bremen | |
| ## „Ich bin Mittlerin zwischen den Frauen in meiner Nachbarschaft und der | |
| Internationalen Gemeinschaft“ | |
| Ich bin in einem Slum aufgewachsen bei meiner alleinerziehenden Mutter. | |
| Meine Großmutter hat meine Schulgebühren von den Einnahmen bezahlt, die sie | |
| mit dem Verkauf ihrer Ernte gemacht hat. Nach meinem Abschluss begann ich, | |
| für die NGO Klimagerechtigkeit in Afrika zu arbeiten. Seitdem bringe ich in | |
| den Armenvierteln den Frauen bei, wie sie auf ihren Hausdächern in | |
| Plastikbehältern Gemüsegärten anlegen, um ihre Familien damit zu versorgen. | |
| 2019 ging aber die Ernte ein, ich war am Boden zerstört und habe online | |
| recherchiert, was schief gelaufen war. Da stieß ich auf den Klimawandel. | |
| Ich erstellte einen Twitter-Account und startete eine Kampagne. Am Anfang | |
| war ich alleine, das war deprimierend. Ich habe die | |
| [3][Fridays-for-Future-Aktivistin Vanessa Nakate] kennen gelernt. Also habe | |
| ich mich entschieden, mich ihr und FFF anzuschließen. | |
| Aber ich arbeite weiter nebenher an meinen eigenen Projekten. Bereits ganz | |
| am Anfang bei FFF habe ich darüber nachgedacht, wie wir besser | |
| Informationen untereinander austauschen. So habe ich begonnen, Aktivisten | |
| überall in Afrika auszubilden. Ich wollte der Bewegung einen Mehrwert | |
| geben, weil sie mir ja auch einen Mehrwert gibt. Für mich ist die | |
| Klimabewegung ein Zuhause geworden. Ich glaube an die Macht der Masse, wenn | |
| es darum geht, eine Krise zu bewältigen. | |
| Ich sehe meine Aufgabe auch darin, Mittlerin zwischen den Frauen in meiner | |
| Nachbarschaft und der Internationalen Gemeinschaft zu sein. In den letzten | |
| Jahren war ich auf zahlreichen Klimakonferenzen. Dort konnte ich der Welt | |
| von den Frauen im Slum erzählen. Das hat mich sehr stolz gemacht. Als ich | |
| dann nach Hause kam und die realen Probleme wieder vor Augen hatte, fühlte | |
| ich mich wie ein Salzkorn im Ozean, weil ich nur wenig verändern kann. Doch | |
| dann versicherten mir die Frauen, dass ich die beste Kandidatin sei, die | |
| sie dort auf der Weltbühne hätten. Das hat mir den Mut gegeben, weiter für | |
| die Sache zu kämpfen. | |
| Hamira Kobusingye, 28, Kampala (Uganda) | |
| ## „Fridays for Future ist nicht mehr so richtig mein Ort“ | |
| Ich war beim ersten Fridays-for-Future-Streik in München dabei. Das war im | |
| Dezember 2018. Ich hatte das Video von Greta Thunberg gesehen, mit dem sie | |
| zum Streiken an jenem Freitag aufrief. Wir waren nicht besonders viele, | |
| knapp hundert. Wir waren trotzdem entschlossen und motiviert, denn wir | |
| wussten, dass wir nicht die Einzigen waren. Dass in diesem Moment überall | |
| auf der Welt Gleichaltrige auf die Straße gingen. | |
| Der Schulstreik als Druckmittel war neu, hat uns viel Aufmerksamkeit | |
| gebracht. Es waren auch andere aus meiner Schule dabei. Wir wurden immer | |
| mehr. Das hat sich sehr, sehr richtig angefühlt. Ich bin in die Orga-Gruppe | |
| gegangen, war lange unsere Sprecherin, habe viel Pressearbeit gemacht. | |
| Anderthalb Jahre lang habe ich meine Gedanken zur Klimakrise und unserer | |
| Bewegung in einer [4][Kolumne] aufgeschrieben, die im Online-Magazin | |
| klimareporter° und in der Tageszeitung neues deutschland erschien. | |
| Vor zwei Jahren habe ich dann aber die Schule fertig gemacht und hatte das | |
| Gefühl: Fridays for Future ist nicht mehr so richtig mein Ort. Schul-streik | |
| ging dann ja logischerweise nicht mehr. Aber der hatte sich als Aktionsform | |
| sowieso total normalisiert und funktionierte insgesamt nicht mehr so gut. | |
| Wir haben intern auch immer wieder dieselben Diskussionen geführt. Es kamen | |
| neue, jüngere Leute nach, die wie wir vorher zum ersten Mal politisch aktiv | |
| waren. Das finde ich auch total cool, aber es hat sich eben viel | |
| wiederholt. Noch ein Großstreik und noch ein Großstreik. Ich wollte, dass | |
| wir uns weiterentwickeln, mutiger sind, radikalere Aktionsformen | |
| ausprobieren. Man ist dann aber in einer komischen Rolle, wenn man ein ganz | |
| kleines bisschen älter ist und den Neuen erzählt, wie und warum wir dieses | |
| und jenes früher gemacht haben. | |
| Es hat mich auch ein bisschen gestört, dass die Deutschen bei Fridays for | |
| Future international so viel Raum einnehmen. Das ist mir auf der | |
| Weltklimakonferenz in Madrid aufgefallen, wo das andere Aktivist*innen | |
| aus stark von der Klimakrise betroffenen Ländern auch kritisiert haben. | |
| Darauf ist die deutsche Gruppe auf Bundesebene kaum eingegangen, genau wie | |
| auf manche Rassismusvorwürfe. Das finde ich schade, die internationale | |
| Vernetzung von Schüler*innen gehört für mich nämlich eigentlich zu den | |
| größten Vorteilen bei Fridays for Future. | |
| Mittlerweile bin ich zum Studieren nach Wien gezogen und bin jetzt vor | |
| allem bei [5][Ende Gelände] aktiv. Gerade erst war ich für die [6][Proteste | |
| gegen die Automesse IAA] mal wieder in München. Da hab ich auch viele von | |
| denen wiedergetroffen, mit denen ich damals bei Fridays for Future war. Die | |
| machen jetzt ganz verschiedene Sachen, sind wie ich in anderen | |
| Klima-Gruppen oder arbeiten bei den Grünen. Von der aktuellen | |
| FFF-Ortsgruppe kenne ich eigentlich niemanden mehr. | |
| Elena Balthesen, 21, Wien (Österreich) | |
| ## „Leider ist Mexiko eines der gefährlichsten Länder für Aktivist:innen“ | |
| Ich mache seit meiner Kindheit Aktivismus. Mit fünf Jahren sah ich einen | |
| Bericht im Fernsehen über die Umweltschäden durch Zigarettenstummel. Ich | |
| war schockiert und es hat mich nicht mehr losgelassen. Einige Jahre später | |
| startete ich mein erstes Projekt. Ich stellte in meiner Gemeinde leere | |
| Dosen auf, damit die Nachbarn ihre Zigaretten dort hinein und nicht mehr | |
| auf den Boden warfen. Das wurde gut angenommen. | |
| 2019 machte mich meine damals 7-jährige Tochter schließlich auf den ersten | |
| Fridays-for-Future-Streik in Mexiko aufmerksam. Gemeinsam nahmen wir an der | |
| Demonstration teil. Es waren rund 350 Menschen aller Altersgruppen dabei. | |
| Der Streik ging durch alle Medien und wir erreichten, dass die Regierung | |
| meines Bundesstaates Jalisco einen Arbeitskreis zum Schutz der Umwelt | |
| einrichtete. | |
| Anfang 2020 wurde mir angeboten, die Koordination und Leitung der | |
| Ortsgruppe Guadalajara zu übernehmen. Bis vor Kurzem waren wir zu zweit, | |
| jetzt mache ich das alleine. Deshalb habe ich für dieses Jahr ein Bündnis | |
| mit verschiedenen Kollektiven aus Jalisco zusammengestellt. Gemeinsam | |
| streiken wir am Freitag vor dem Parlament in Guadalajara. Wir übergeben | |
| eine Petition an den Kongress, in der wir alle Punkte aufzeigen, an denen | |
| in unserem Bundesstaat gearbeitet werden muss. Mit Vorträgen wollen wir in | |
| der Öffentlichkeit das Bewusstsein dafür schärfen, dass es jede:n | |
| Einzelne:n angeht. | |
| Leider ist Mexiko [7][eines der gefährlichsten Länder für | |
| Aktivist:innen]. Auch wenn wir das Recht auf freie Meinungsäußerung | |
| haben, ist bekannt, dass es geahndet wird, wenn man politische Interessen | |
| berührt. Als Frau und Aktivistin habe ich jedoch eine ethische und | |
| moralische Verantwortung, denn ich möchte mich für meinen Staat, mein Land, | |
| meinen Planeten und mein Volk einsetzen. Meine größte Motivation ist meine | |
| Tochter. Der Klimawandel betrifft uns alle, aber wir sind jetzt | |
| verantwortlich für die Zukunft der nächsten Generationen. | |
| Jeraldine García Martínez, 31, Guadalajara (Mexiko) | |
| ## „Dann begann die Pandemie und ich habe mich ein bisschen zurückgenommen“ | |
| Im Januar 2019 wurde ich über einen Mailverteiler von der Technischen | |
| Universität Braunschweig auf den damals noch wöchentlichen Klimastreik der | |
| Fridays for Future aufmerksam. Mit ein paar Kommilitonen beschlossen wir | |
| hinzugehen. Vor Ort mussten wir dann feststellen, dass nur sehr wenige | |
| Leute von der Uni dabei waren. Deshalb setzten wir uns danach zusammen und | |
| überlegten, wie wir auch für Studis eine Gruppe gründen können. | |
| Zu Beginn sind wir erstmal weiter zu den Streiks gegangen, dann haben wir | |
| mal an einem Plenum der Ortsgruppe teilgenommen, und im Mai 2019 gründeten | |
| wir schließlich die Students for Future Braunschweig. Da gab es dann einmal | |
| eine Gruppe an der Uni und eine an der Hochschule für Bildende Künste. | |
| Meine Rolle war es, als Delegierter zu den Plena der beiden Gruppen zu | |
| gehen und zu berichten, was bei dem jeweils anderen Plenum besprochen | |
| wurde. Darüber hinaus habe ich mich noch in verschiedenen Arbeitskreisen | |
| engagiert, wo es darum ging, Plena vor- und nachzubereiten und alles ein | |
| bisschen zu koordinieren. | |
| Als ich dann 2020 anfing, meine Masterarbeit zu schreiben, habe ich jedoch | |
| gemerkt, dass ich mehr Zeit dafür benötige. Gleichzeitig hat ja dann auch | |
| die [8][Pandemie] begonnen und ich habe mich ein bisschen zurückgenommen. | |
| Nach meinem Abschluss bin ich relativ bald für einen Job nach Berlin | |
| gezogen. Hier war ich zwar anfangs noch ab und zu beim Plenum meiner | |
| Bezirksgruppe, aber es war schwierig, dort Anschluss zu finden. Total | |
| aufgehört habe ich aber auch nicht. Mit den Leuten aus Braunschweig habe | |
| ich nach wie vor Kontakt. Wenn ich dort bin, übernehme ich meistens ein | |
| paar kleine Aufgaben. Und beim globalen Klimastreik bin ich auf jeden Fall | |
| dabei. Das ist das Mindeste, was ich tun kann. | |
| Niklas Wrege, 27, Braunschweig | |
| ## „In Nordindien ist es jedes Jahr ein Moment des Erwachens, wenn die | |
| Luftverschmutzung im Winter dramatisch ansteigt“ | |
| Seit meiner Kindheit bin ich naturverbunden. Da ich weiß, was die globale | |
| Erwärmung mit unserer Natur macht, habe ich beschlossen, meine Stimme zu | |
| erheben und etwas zu tun, um etwas zu verändern. Freunde haben mir von | |
| Fridays For Future erzählt. Im März 2020 habe ich an einem Online-Treffen | |
| teilgenommen, bei dem es darum ging, wie wir uns gemeinsam dafür einsetzen | |
| können, dass die Stadtverwaltung und die Zentralregierung etwas gegen den | |
| Klimanotstand unternehmen. 2021 nahm ich an meiner ersten Demonstration in | |
| Delhi teil. | |
| Nach der Pandemie hat es eine Weile gedauert, bis wieder Straßenaktionen | |
| von FFF stattfanden. Wir waren damals eine kleine Gruppe, aber wir | |
| versammelten uns vor dem Regierungsgebäude, um unsere Rechte einzufordern. | |
| Heute konzentrieren wir uns mehr auf die Klimabildung. Wir sehen, dass die | |
| Klimabewegung in Indien noch sehr elitär ist. Also versuchen wir, Menschen | |
| durch Kampagnen und Veranstaltungen wie Open Mics zu erreichen. Wir nutzen | |
| soziale Medien, sprechen mit Menschen vor Ort und veranstalten Workshops in | |
| Schulen und Universitäten. | |
| Die Regierung kann klimafreundliche Gesetze erlassen, aber Menschen müssen | |
| auch verstehen, was der Klimawandel für uns alle bedeutet. Meine Familie | |
| versucht jetzt zum Beispiel, mehr öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen, | |
| und wir trennen Abfall. Doch das Interesse am Umweltschutz muss wachsen, | |
| und zwar nicht nur dann, [9][wenn die Luftverschmutzung im Winter in | |
| Nordindien dramatisch ansteigt]. Das ist jedes Jahr ein Moment des | |
| Erwachens, aber sobald die Luft besser wird, vergessen die Menschen das | |
| Thema. Das ist bizarr, denn gerade im Sommer spüren wir die Auswirkungen | |
| des Klimawandels [10][extrem durch Hitzewellen]. | |
| Pratyaksh Ahuja, 21, Delhi (Indien) | |
| 15 Sep 2023 | |
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