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# taz.de -- Fridays protestieren fürs Klima: Weniger, aber sehr lebendig
> Thunberg streikt in Stockholm, Neubauer in Berlin und Grönemeier singt in
> Hamburg: Der globale Klimastreik war bunt, aber in diesem Jahr etwas
> kleiner.
Bild: Teilnehmerinnen beim Klimastreik am 15.09.2023 in Berlin
Berlin/München/Wolfsburg/Bremen taz | Es gibt unendlich viele Wege, sich
fürs Klima einzusetzen: Manche verzichten einfach aufs Autofahren, andere
verzetteln sich im Streit um Heizungsgesetze. In der philippinischen Stadt
Quezon legen sich die Demonstrant*innen zum globalen Klimastreik an
diesem Freitag vor die lokale Umweltbehörde. In Stockholm protestiert
Fridays-Gründerin Greta Thunberg mit etwa 100 Aktivist*innen hinter
einem Banner mit der Aufschrift „People Not Profit“. In Hamburg singt der
67-jährige Herbert Grönemeier vor etwa 20.000 Klimaprotestierenden auf dem
Jungfernstieg.
In Berlin sagt Fridays-Frontfrau [1][Luisa Neubauer]: „Ich kann mit der
Angst, der Sorge, der Verzweiflung leben. Aber womit ich nicht leben kann,
wäre das Gefühl, dass wir rückblickend nicht alles gegeben haben.“ Der
Platz vor dem Brandenburger Tor ist mit von der Polizei geschätzten 12.500
Menschen nicht überfüllt, aber voll.
„Wir sind laut, wir sind viele, haltet euch an Klimaziele!“, skandieren die
Berliner Fridays, viele von ihnen tragen Schilder und Transparente mit
Sprüchen wie „System change not climate change“ oder „Ey, jetzt reicht's…
[2][Im sechsten Jahr seit Gründung der Bewegung] hat der [3][Zustrom
deutlich nachgelassen]. 2019 waren in Berlin noch etwa 270.000 Menschen bei
Fridays-Protesten auf die Straße gegangen, 2022 Jahr noch rund 30.000.
Unter den Demonstrierenden sind aber weiter Menschen jeden Alters: Kinder,
Jugendliche, Familien und Renter*innen.
„Auch wenn sich die einzelnen Protestgruppen gerade ein bisschen ausstechen
– wenn man die gleichen Ziele verfolgt, sollte man alle Protestformen
mitnehmen“, sagt ein Streikender, der Leon genannt werden will und auf die
Letzte Generation anspielt. Die 19-jährige Irma ergänzt: „Ich glaube, dass
der Streik politisch nicht mehr so viel bringt, aber dass er die
Klimaaktivist*innen in sich stärkt“.
## Auch die Grünen kommen nicht gut weg
In München demonstrieren viele sehr junge Menschen am Siegestor mit selbst
gebastelten Plakaten. Das Gymnasium Fürstenried ist vertreten, andere
Schulen auch. Als vor genau vier Jahren 40.000 DemonstrantInnen einige
Meter entfernt am Königsplatz klimastreikten, waren viele noch Kinder.
Auf der Ludwigstraße – ein neoklassizistischer Boulevard an der Uni,
normalerweise vom Autolärm dominiert – zeigt sich, dass „Fridays for
Future“ sicherlich geschrumpft sind, aber durchaus noch lebendig.
Offizielle Angaben gibt es nicht, schätzungsweise 5.000
Demonstrant*innen fanden in der bayerischen Landeshauptstadt zusammen.
Bei den Reden geht es vor allem um die bevorstehende Landtagswahl. Die
Vertreterin des Bündnisses gegen die [4][Internationale
Automobilausstellung] (IAA), die gerade in München endete, geißelt dabei
auch die Grünen. Diese würden „bei Profitinteressen einknicken“. Auch was
man hier von den regierenden Christsozialen hält, wird deutlich: Von der
Bühne ruft eine Rednerin „CSU“, die Masse antwortet mit „Scheiße“.
Die Stimmung ist dennoch gut an diesem Sonnentag, die Klimastreikenden
freut es zu sehen, dass sie nicht allein sind. Als letzte Band spielen die
„Sportfreunde Stiller“ – und verströmen Optimismus und gute Laune pur.
## Keine Stars, kleinere Städte, weniger Zustrom
In kleineren Städten ohne Staraufgebot kommen nicht so viele
Protestierende. Die Fridays, die einst Massen angezogen haben, sind älter
geworden und haben sich gewandelt – wie die Umstände durch Corona, Krieg
und Energiekrise. In der VW-Stadt Wolfsburg steht es sogar ungewiss um die
Zukunft der Fridays-Ortsgruppe.
Viele Protestierende der ersten Generation sind inzwischen für Job oder Uni
in andere Städte umgezogen. Richtig nachgekommen sind jedoch zu wenige.
Die, die geblieben sind, organisieren sich deshalb in anderen lokalen
Gruppen der Umwelt- und Klimaschutzbewegung. Gestreikt haben sie am Freitag
trotzdem.
Ein Bündnis aus Umweltorganisationen wie dem BUND, der Grünen Jugend und
der Gruppe „Verkehrswendestadt“, darunter viele ehemalige
FFF-Aktivist*innen, hat den örtlichen Demozug im Rahmen des globalen
Klimastreiks angemeldet. „Wir sind sehr gespannt, wie viele kommen“, sagt
Haike Zacharias vom BUND.
2019, schätzt sie, hätten die Klimaproteste in Wolfsburg um die 500 bis 600
Leute besucht. Mit der Pandemie sei die Teilnahme sowohl innerhalb der
Gruppe als auch an den Streiks stark zurückgegangen. „Vergangenes Jahr
waren es nur noch um die 50 bis 80 Personen“, erinnert sie sich. Darunter
viele junge Mitglieder von Parteien und Gewerkschaften, Schüler*innen
jedoch kaum noch.
## Weniger Autos ja, aber bitte nicht weniger Arbeitsplätze
„Wolfsburg ist nicht die politisch aktivste Stadt“, sagt Vito Brullo. Der
18-Jährige ist bei der Grünen Jugend, engagierte sich bei den Fridays und
hat den diesjährigen Streik mit angemeldet. „Die meisten jungen Leute haben
Eltern, die bei VW arbeiten“, fügt er hinzu. Dabei ginge es beim Streik
auch um die Zukunft des Automobilstandorts.
Weniger Autos ja, aber bitte nicht weniger Arbeitsplätze – das betont Ruben
Gradl von der Gruppe „Verkehrswendestadt“, die sich ebenfalls am Streik
beteiligt. „Vielmehr geht es darum, die Industrie umzufunktionieren und
beispielsweise Lastenräder oder Straßenbahnen zu produzieren“, so Gradl.
Doch immer mehr Mitarbeiter*innen von Volkswagen stünden hinter der
Bewegung, sagt Zacharias. Deshalb meldeten sie den Streik zu 16 Uhr
nachmittags an. „Damit die Leute, die arbeiten, auch teilnehmen können.“
Auch auf dem Bremer Bahnhofsvorplatz haben sich die Menschen zum
Klimastreik zusammengefunden. „There is no Planet b“ steht auf einem der
Schilder, eine Passantin stimmt im Vorbeigehen laut zu. Andere der
Umstehenden haben weniger Verständnis, schimpfen über die verspäteten
Bahnen.
## Bündnis mit Verdi
Dabei geht es den Demonstrierenden auch um die Verkehrswende. Mit Verdi
sammeln sie zusammen Unterschriften für faire Bezahlung beim städtischen
Verkehrsunternehmen, der BSAG. „Klimakampf und Arbeitskampf sind untrennbar
verbunden, alleine werden wir die Verkehrswende nicht schaffen“, sagt
Paul-Nikos Günther von FFF-Bremen. Trotz des breiten Bündnisses hinter dem
Klimastreik sind laut Polizei nur etwa 3.500 Menschen dabei, die
Veranstalter*innen gehen von über 5.000 aus. Zum Vergleich: 2019 waren
noch 30.000 Menschen beim Bremer Klimastreik.
Am Streit um die alte Bremer Ortsgruppe von FFF liegt es laut Günther
nicht. Diese hatte sich aufgelöst, nachdem sie die Vereinigung „Palästina
spricht“ zu einer Kundgebung eingeladen hatte und daraufhin mit den
Antisemitismusvorwürfen gegen diese Gruppe konfrontiert wurde. „Wir haben
eine Zusammenarbeit mit ‚Palästina spricht‘ in Zukunft ausgeschlossen“,
betont Günther.
Auch dass die Klimabewegung unter ihren unterschiedlichen Ansätzen leidet,
sieht Günther nicht: „Wir sind uns nicht immer einig, aber es ist auch
unsere Stärke, dass wir so vielfältig aufgestellt sind“, so der Aktivist.
Diese vielfältige Aufstellung kann man auch auf der Demo beobachten: Kurz
vor dem Rathausplatz sondert sich ein Teil ab und blockiert für etwa eine
Stunde die zentrale Bremer Wilhelm-Kaisen-Brücke.
„Wir brauchen eine Klimagerechtigkeitsbewegung die ungehorsamer wird, ob
durch Blockaden und Sabotage von fossiler Infrastruktur oder politische
Streiks“, sagte dazu eine Sprecherin von Ende Gelände Bremen.
15 Sep 2023
## LINKS
[1] https://youtu.be/p_Xa6LobFrw
[2] /Aktivistinnen-im-Aufmerksamkeitstief/!5957023
[3] /Fridays-for-Future/!5956988
[4] /Protest-gegen-Automobilausstellung-IAA/!5956556
## AUTOREN
Lukas Scharfenberger
Tabea Kirchner
Patrick Guyton
Kai Schöneberg
Marlena Wessollek
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