# taz.de -- Streit um MLPD-Plakat in Bremen: Mit Stalin gegen den Klimawandel | |
> Beim Klimastreik in Bremen im September weigert sich ein MLPD-Mann, sein | |
> Plakat zu entfernen. Daraufhin nimmt ihn die Polizei in Gewahrsam. | |
Bild: Ja, die gibt's noch – und will sich auch fürs Klima einsetzen: MLPD | |
Bremen taz | Die Klimastreik-Demonstrationen werden von jungen Menschen – | |
Schüler:innen und Studierenden – organisiert. Ältere Erwachsene bilden | |
auf den teils weltweiten Protestmärschen die Minderheit und halten sich im | |
Hintergrund. Deshalb untersagen die Organisator:innen vor Ort in der | |
Regel Parteiflaggen und Abzeichen, ausgenommen der Jugendorganisationen der | |
Parteien. Das verstehen nicht alle Älteren – und so kommt es immer wieder | |
zu Konfliktsituationen, wie [1][zuletzt am 15. September in Bremen.] | |
Er sei von Ordner:innen „mehr oder weniger aggressiv“ aufgefordert | |
worden, sich von der Demonstration zu entfernen oder sein Plakat, auf dem | |
in kleinen Buchstaben MLPD gestanden haben, [2][beschwert sich Wolfgang | |
Lange in einem offenen Brief]. Lange ist 1952 geboren und Mitglied der | |
Marxistisch-Leninistischen Partei Deutschlands (MLPD) seit 1982. Die MLPD | |
hält eisern am sowjetischen Diktator Josef Stalin als Vorbild fest. Lange | |
nimmt für seine Partei in Anspruch, „seit jeher gegen die Zerstörung der | |
Einheit von Mensch und Natur“ zu kämpfen. | |
Deshalb sei er der Bitte der jugendlichen Ordner:innen | |
selbstverständlich nicht nachgekommen, sagt er der taz. „Warum sollte ich?“ | |
Schließlich seien auch die Flaggen der Grünen Jugend sowie der Jusos, der | |
Jugendorganisation der SPD, gezeigt worden. Wütend macht ihn auch, dass die | |
Ordner:innen die Polizei verständigten, die ihn dann des Platzes | |
verwies. | |
Er habe sich geweigert zu gehen und auf seinem „grundgesetzlich geschützten | |
Recht der Meinungs- und Versammlungsfreiheit beharrt“ – woraufhin ihn nach | |
seiner Aussage zehn Polizist:innen „packten“ und vom Marktplatz „unter | |
Gewaltanwendung wegschoben und -zogen“. Dort sollen sie ihn fest gehalten | |
haben. | |
## Lange will Entschuldigung | |
Gegen die Polizei habe er Dienstaufsichtsbeschwerde eingelegt. Die Bremer | |
Polizei bestätigte deren Eingang, wollte sich aber nicht weiter zum Vorfall | |
äußern. Lange fordert in seinem offenen Brief sowohl von der Polizei als | |
auch von den in die Situation involvierten Ordner:innen eine | |
Entschuldigung. Außerdem verlangt er eine Klarstellung, „dass bei den | |
kommenden FFF- und anderen Demos die Meinungs- und Versammlungsfreiheit | |
respektiert wird“. | |
Nun ist Lange, juristisch betrachtet, im Recht, wie der Berliner | |
Staatsrechts-Professor Clemens Arzt erläutert. Arzt, dessen Schwerpunkt das | |
Polizei- und Versammlungsrecht ist, weist darauf hin, dass in Bremen, | |
anders als etwa in [3][Berlin] und [4][Schleswig-Holstein], immer noch das | |
Versammlungsgesetz des Bundes aus dem Jahr 1953 gelte. Ein eigenes Gesetz | |
will die rot-grün-rote Koalition erst in dieser Legislaturperiode schaffen. | |
[5][Nach Paragraf 10 des Bundesversammlungsgesetzes] sind die | |
Versammlungsteilnehmer:innen „verpflichtet, die zur | |
Aufrechterhaltung der Ordnung getroffenen Anweisungen des Leiters oder der | |
von ihm bestellten Ordner zu befolgen“. Wer dem nicht nachkommt und „die | |
Ordnung gröblich stört“, kann nach Paragraf 11 von der Versammlung | |
ausgeschlossen werden. Der Schriftzug „MLPD“ ließe sich aber kaum als | |
Störung der Ordnung interpretieren, sagt Arzt. „Das ist nicht plausibel.“ | |
Zudem dürfe bei einer Versammlung unter freiem Himmel jeder kommen und | |
aufgrund der grundgesetzlich geschützten Meinungsfreiheit auch | |
Parteiabzeichen zeigen. | |
Gegen geltendes Recht habe auch die Polizei verstoßen, sagt Arzt, wenn | |
alles so stimme, wie es Lange geschildert hat. Denn die hätte ihm erst | |
mitteilen müssen, dass sie ihn von der Demonstration ausschließt. Erst | |
danach hätte sie einen Platzverweis aussprechen dürfen. | |
## Situation eskalierte schnell | |
Auch die Bremer Ortsgruppe von Fridays for Future (FFF), die die | |
Demonstration mit Bündnispartnern organisiert hat, hält das Handeln der | |
Polizei für falsch, wie Paul-Nikos Günther vom FFF-Team sagt. Uneinig sei | |
man in der Gruppe über die Frage, ob die Ordner:innen Lange aufgrund des | |
MLPD-Plakats hätten ausschließen dürfen. Dabei wolle man aber am Grundsatz | |
festhalten, nach dem Parteilogos unerwünscht sind, es sei denn, es handle | |
sich um Jugendorganisationen. Dies gelte auch für die MLPD. | |
Günther sagt auch, die Ordner:innen – von denen nur ein Teil zu FFF | |
gehörte – hätten sich von Lange bedroht gefühlt. Sie kannten ihn von | |
anderen Demonstrationen und hatten keine guten Erfahrungen mit ihm | |
gemacht. „Als er jetzt sein Schild runter nehmen sollte, soll er | |
Handgreiflichkeiten angedroht haben, die Situation ist wohl schnell | |
eskaliert.“ | |
Wolfgang Lange bestreitet das und beschuldigt die Ordner:innen, aggressiv | |
gegen ihn gehandelt zu haben. Für ihn ist der ganze Vorfall ein Ausdruck | |
des „Antikommunismus – bekanntlich Staatsreligion in Deutschland“. Er | |
bedauert, dass sich die alte Ortsgruppe von FFF Bremen nach einem Streit um | |
Antisemitismusvorwürfe aufgelöst hat. | |
Die neue sei „stromlinienförmig auf Kurs der systemkonformen, | |
selbsternannten FFF-Spitze um Luisa Neubauer“, keilt er dann noch gegen die | |
neue Bremer Gruppe sowie gegen eine der engagiertesten deutschen | |
Klimaschützer:innen, die unter anderem Grünen-Mitglied ist. | |
14 Oct 2023 | |
## LINKS | |
[1] /Fridays-protestieren-fuers-Klima/!5960313 | |
[2] https://www.rf-news.de/2023/kw39/gewalt-am-fff-aktionstag-was-ist-hier-eige… | |
[3] /Rot-rot-gruenes-Versammlungsgesetz/!5746790 | |
[4] /Neues-Versammlungsgesetz-im-Norden/!5028827 | |
[5] https://www.gesetze-im-internet.de/versammlg/__10.html | |
## AUTOREN | |
Eiken Bruhn | |
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