# taz.de -- Freisprüche in Silvester-Prozess: Polizei holt sich Standpauke ab | |
> Das Landgericht hat drei Angeklagte vom Vorwurf der sexuellen Nötigung | |
> freigesprochen. Die Polizei habe tendenziös ermittelt. | |
Bild: Die Große Freiheit: In der Silvesternacht wurden hier Frauen sexuell bel… | |
HAMBURG taz | Die Polizei hat eine energische Standpauke bekommen: In ihrer | |
Urteilsbegründung um die Übergriffe in der Silvesternacht warf die | |
Vorsitzende der Jugendkammer des Landgerichts, Anne Meier-Göring, den | |
ErmittlerInnen vor, mit fragwürdigen Methoden versucht zu haben, Täter zu | |
präsentieren. „Es wurden vermeintliche Beweise erbracht, die keine sind“, | |
sagte sie und sprach die drei Angeklagten im Alter zwischen 18 und 26 | |
Jahren vom Vorwurf der sexuellen Nötigung frei. Und sie sprach ihnen eine | |
Haftentschädigung von 25 Euro pro Tag zu. | |
Es ist die zweite Richterschelte im Zusammenhang mit der prozessualen | |
Aufarbeitung der Ereignisse in der Silvesternacht. In diesem Fall ging es | |
um eine 18-Jährige, die in der Großen Freiheit von Männern bedrängt und im | |
Intimbereich begrapscht worden sein soll und sich erst Tage später bei der | |
Polizei gemeldet hatte. „Die Polizeibeamten haben der Zeugin Fotos gezeigt, | |
bevor sie eine Täterbeschreibung abgegeben hat. Das halte ich nicht nur für | |
unprofessionell, sondern für dramatisch“, sagte die Richterin. Das | |
verfälsche die Wiedererkennungsleistung. | |
„Die Polizei wollte durch den öffentlichen Druck und auch den der Medien | |
und der Politik unbedingt Ermittlungserfolge zeigen“, sagte Meier-Göring. | |
Der Polizei sei es nicht gelungen, Täter zu überführen, „sondern sie hat | |
schlicht und ergreifend geraten“. Und so war es aus ihrer Sicht | |
folgerichtig, dass dass Opfer die Angeklagten nicht als Täter erkannte. | |
Generalstaatsanwalt Jörg Fröhlich und Polizeipräsident Ralf Meyer | |
reagierten empört auf die richterliche Standpauke: „Der verbale | |
Rundumschlag der Vorsitzenden Richterin ist beschämend“, erklärten sie. | |
Schon im ersten Verfahren um die Ereignisse in der Silvesternacht im Mai | |
hatte ein Schöffengericht die Methoden der Polizei infrage gestellt, durch | |
die permanente Vorlage von Lichtbildern Opfer zur Identifizierung von | |
Tätern zu drängen. | |
„Nicht das Gesicht der Person am Tatort, sondern das vom Lichtbild hat sich | |
bei der Zeugin eingeprägt“, sagte Richterin Kathrin Sachse und sprach einen | |
30-Jährigen frei. Zuvor hatte die 19-jährige Studentin aus Kiel noch | |
geglaubt, den Angeklagten als Täter im Gerichtssaal wiedererkannt zu haben. | |
Erst eine Gegenüberstellung erbrachte den Unschuldsbeweis. | |
Denn die 1,74 Meter große Frau, die Silvester zudem auch noch hohe | |
Hackenschuhe trug, hatte vor der Kieler Polizei den Angreifer stets als | |
deutlich größer als sie, etwa 1,90 Meter, beschrieben. Die Körpergröße des | |
Angeklagten von nur 1,69 Metern war jedoch seit seiner Festnahme bekannt. | |
3 Nov 2016 | |
## AUTOREN | |
Kai von Appen | |
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