# taz.de -- Framing in politischen Talkshows: Das „Wir“ und das „Die“ | |
> Bilden Talkshows wie „Maischberger“ und „hart aber fair“ einfach nur | |
> Debatten ab? Oder helfen sie, den Diskurs nach rechts zu schieben? | |
Bild: Fünf Gäste diskutierten mit Frank Plasberg in „hart aber fair“ übe… | |
Mittwoch, 21.45 Uhr im Ersten. Sandra Maischberger lässt mal wieder über | |
Toleranz und Islam diskutieren. Der Aufhänger: eine Romanverfilmung. Das | |
fiktionale Bild eines islamisierten Frankreichs im Jahr 2022 deutet [1][die | |
ARD-Talkshow] als mögliches Zukunftsszenario. Im Studiohintergrund: eine | |
gerissene Deutschlandfahne, davor eine verschleierte Muslimin. | |
Wenige Tage zuvor, am Montag, sendet die Talkshow [2][„hart aber fair“], | |
ebenfalls ARD, zum Thema „Flüchtlinge und Kriminalität“. Beide Sendungen | |
waren im Vorfeld heftiger Kritik ausgesetzt. Für viele war diese | |
Talkshow-Woche ein eindeutiges Beispiel für den Erfolg von | |
rechtspopulistischem Framing. | |
Framing, in etwa „Einrahmen“, ist ein Begriff aus der | |
Kommunikationswissenschaft. Er bezeichnet die Darstellung eines Themas in | |
einem bestimmten Bezugsrahmen, der die Informationsverarbeitung und | |
Meinungsbildung steuert. Kurz: Was wird zum Problem erklärt, und wie groß | |
erscheint dieses Problem dem Publikum? Dazu beitragen können die Auswahl | |
der Gäste, die Fragen der Moderation sowie die Themensetzung. | |
Fernseh-Talkshows haben dazu beigetragen, rechtspopulistische Narrative zu | |
normalisieren. Das sieht inzwischen auch der Deutsche Kulturrat so. Der | |
Geschäftsführer des Dachverbands. Olaf Zimmermann, [3][regte vergangene | |
Woche sogar an], die „Talkshows im Ersten und im ZDF sollten sich eine | |
einjährige Auszeit nehmen und ihre Konzeptionen überarbeiten“. | |
## AfD-Standpunkte zur besten Sendezeit | |
2015 begannen die Talkshows, die Themen Flucht, Terror und Islam vermehrt | |
aufzugreifen. Von insgesamt 139 Sendungen „Anne Will“, „Maybrit Illner“, | |
„Maischberger“ und „hart aber fair“ im Jahr 2015 drehten sich 50 um die… | |
Schlagwörter, mit Titeln wie „Der Hass und die Folgen – spaltet der Terror | |
das Abendland?“ oder „Religiös verblendet, politisch verirrt: Gefährden | |
Radikale unsere Gesellschaft?“. Talkshows präsentierten so die | |
AfD-Standpunkte zur besten Sendezeit, lange bevor die Partei in den | |
Bundestag einzog. Mittlerweile braucht es gar keine Vertreter*innen der AfD | |
mehr, um deren Themen zu diskutieren. | |
Der ursprüngliche Titel der Maischberger-Sendung vom Mittwoch lautete: | |
„Sind wir zu tolerant gegenüber dem Islam?“. Das Framing liegt hier zum | |
einen in der Konstruktion, dass „wir“ und „der Islam“ zwei | |
grundverschiedene Dinge, vielleicht sogar zwei Fronten sind. Zum anderen in | |
der Unterstellung, dass es ein „Zuviel“ an Toleranz nicht nur gibt, sondern | |
dass es möglicherweise bereits erreicht ist. | |
Nach Protesten änderte die Redaktion den Titel in „Die Islamdebatte: Wo | |
endet die Toleranz?“. Das Muster bleibt gleich. Mithilfe von Schlagwörtern | |
entstehen Bedrohungsszenarien. In den betreffenden Sendungen soll dann | |
diskutiert werden, wie Muslime oder Flüchtlinge, welche oftmals | |
gleichgesetzt werden, (nicht) zu Deutschland passen, die innere Sicherheit | |
gefährden oder das Land anderweitig in eine Krise stürzen. | |
Das ging auch aus der Ankündigung der letzten Folge „hart aber fair“ | |
hervor: „Junge Männer, geflohen aus Krieg und archaischen Gesellschaften – | |
für viele hierzulande Grund zu Sorge und Angst. Können solche Flüchtlinge | |
überhaupt integriert werden? Wie unsicher wird Deutschland dadurch?“ | |
## Teilweise falsche Behauptungen | |
Suggestivfragen sind auch ein Teil der Moderation. Etwa dann, wenn | |
Maischberger ihren Einspieler mit den Worten ankündigt: „Wo hört die | |
Selbstaufgabe einer Gesellschaft auf, die ihre eigenen Werte verrät?“ Was | |
folgt, ist eine Sequenz über Änderungsmaßnahmen, vermeintlich zugunsten von | |
Muslimen: das Streichen von Schweinefleisch auf Kantinenplänen in | |
Frankfurter Schulen, Muezzinrufe in Düren und die Umbenennung des | |
St.-Martin-Umzugs in einer Düsseldorfer Kita in „Lichterfest“. | |
Allerdings gibt es Muezzinrufe in Düren – dreimal am Tag – schon seit den | |
1990er Jahren. [4][Sowohl ein ansässiger SPD-Politiker wie auch der | |
CDU-Oberbürgermeister bestätigen], dass dies seit Jahrzehnten Alltag der | |
Stadt sei und sich niemand daran stört. Die Behauptung, Martins-Umzüge in | |
Düsseldorf seien zugunsten muslimischer Familien in Lichterfest umbenannt, | |
stellt sich sogar als Falschmeldung heraus. Entkräftet wurde die Behauptung | |
von der bei Maischberger angegeben Quelle selbst. | |
Zwar war im Screenshot der Rheinischen Post zu lesen, dass Lichterfeste den | |
St.-Martins-Umzug verdrängten, doch brachte die Zeitung wenige Tage später | |
einen [5][Faktencheck], nachdem von 200 Grundschulen im Raum Düsseldorf | |
genau zwei das Fest umbenannt hatten. | |
Falsche Fakten haben aber auch die Gäste selbst in die Sendung eingebracht. | |
Islamkritikerin [6][Necla Kelek] behauptet, dass Muslime mittlerweile zu | |
viel Platz einnähmen. Keine andere Minderheit würde so viel verlangen, man | |
solle sie nur mal mit den Vietnamesen vergleichen. Vietnamesen gegen andere | |
Minderheiten ausspielen konnte Thilo Sarrazin übrigens auch schon 2010 gut. | |
Kelek zeichnet das Bild von Schulen mit einem 90-prozentigen Anteil von | |
Muslimen, an denen man nach Schweinefleisch und Schwimmunterricht lange | |
suchen müsse und Kinder vollverschleiert rumlaufen. Der Grund dafür sei, | |
dass Deutschland nicht genug auf seine unverhandelbaren Werte poche. Eine | |
Nachfrage der Moderation bleibt aus, die Behauptung wird zum Fakt. | |
Entscheidend ist in der laufenden Debatte, ob Journalisten anerkennen, dass | |
sie Framing betreiben, oder nicht. „Framing?“, [7][fragte die Redaktion von | |
„hart aber fair“] auf Twitter. „Als Journalisten können wir mit diesem | |
Begriff wenig anfangen. Wir versuchen das, was Menschen beschäftigt, so | |
darzustellen, wie es ist.“ | |
Derweil rühmt sich die Redaktion damit, dass sie Alexander Gauland als Gast | |
für kommende Sendungen ausgeschlossen hat. Der AfD-Vorsitzende hatte mit | |
seiner den Holocaust relativierenden Aussage für Empörung gesorgt. Die | |
vergangene Sendung zeigte jedoch, dass die Schlagwörter der AfD auch ohne | |
deren Anwesenheit überstrapaziert werden können. | |
8 Jun 2018 | |
## LINKS | |
[1] /!5511128 | |
[2] /!5510366 | |
[3] https://www.zeit.de/kultur/film/2018-06/ard-zdf-talkshows-kulturrat-qualita… | |
[4] http://www.deutschlandfunk.de/dueren-und-taeglich-gruesst-der-muezzin.1773.… | |
[5] https://rp-online.de/nrw/panorama/st-martin-bleibt-tradition-lichterfeste-a… | |
[6] /!5252405 | |
[7] https://twitter.com/hartaberfair/status/1003350066814443520 | |
## AUTOREN | |
Nhi Le | |
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