# taz.de -- Die Linke und die Journalist*innen: Privat oder nicht privat? | |
> In Berlin stritten Linke und „Spiegel“ vor Gericht darüber, ob die Partei | |
> den Journalisten Matthias Meisner zur Persona non grata erklärt hat. | |
Bild: Lieber ohne kritische Journalisten? | |
„Pressefreiheit: Linker Umgang mit Journalisten“ – diese doppeldeutige | |
Überschrift hat der Spiegel über seine 41 Zeilen gesetzt, die seit ein paar | |
Monaten nun schon in den Pressearchiven gesperrt sind und wohl auch weiter | |
bleiben werden. Das Magazin hatte darüber berichtet, dass die Parteichefs | |
der Linkspartei die eigene Bundestagsfraktion aufgefordert hatten, fairer | |
mit kritischen JouranlistInnen umzugehen: „Aus historischen Gründen und | |
auch bezüglich aktueller Anlässe.“ | |
Diese Meldung beschäftigt inzwischen die Justiz, denn der Spiegel erzählte | |
darin auch, was Matthias Meisner [1][erlebt hat], der wiederum seit Ende | |
der Neunziger Jahre für den Tagesspiegel über die Partei berichtet: „Er | |
wurde aus allen Presseverteilern gelöscht und zu Hintergrundgesprächen der | |
Fraktion nicht mehr eingeladen.“ Das Magazin platzierte so den Vorwurf, die | |
Fraktion wollte einen unliebsamen Journalisten gewissermaßen verdursten | |
lassen, nach dem Motto: wo kein Informationsfluss und exklusiver Zugang, da | |
auf Dauer keine fundierte Berichterstattung. | |
Die Fraktion erwirkte daraufhin eine Gegendarstellung. Meisner sei „nur aus | |
einem Presseverteiler gelöscht worden und zu einem der Hintergrundgespräche | |
der Fraktion weiter eingeladen worden“, war daraufhin im Spiegel zu lesen. | |
Vor dem Berliner Landgericht forderte die Fraktion wiederum, dass das | |
Magazin es auch unterlassen sollte, seine ursprüngliche Darstellung weiter | |
zu verbreiten. Der Spiegel hatte die Gegendarstellung etwa auch um die | |
Bemerkung der Redaktion ergänzt, dass ein Reporter von Spiegel Online „im | |
genannten Zeitraum allein innerhalb von fünf Tagen 27 E-Mails aus dem | |
Presseverteiler erhalten“ habe, während der Kollege des Tagesspiegels leer | |
ausgegangen sei. | |
[2][Die Linksfraktion] beauftragte für diesen presserechtlichen Streit | |
Johannes „Jony“ Eisenberg, der sonst auch die taz vertritt. Fast schon | |
beiläufig ließ er vor der Pressekammer das Verständnis der Linksfraktion | |
für Frühstücksrunden durchblicken, bei denen PolitikerInnen vertraulich | |
JournalistInnen die Lage erklären: Diese Treffen hätten eher privaten | |
Charakter. „Da muss man ja niemanden einladen, der sich schlecht benimmt“, | |
sagte Eisenberg. „Das hat ja nichts mit Pressefreiheit zu tun.“ | |
Tatsächlich ist Meisner niemand, der die Fraktionsspitze hochjubelt. Im | |
Gegenteil: Er hatte vor der Eskalation seines Verhältnisses mit der | |
Fraktion unter anderem kritisch begleitet, dass die Vorsitzende Sahra | |
Wagenknecht „dem russischen Propagandamedium“ Sputnik ein langes Interview | |
gegeben und darin „Signale nach Moskau“ [3][gesendet hätte]. Später habe … | |
dann zwei Wochen lang Infos der Pressestelle und die üblichen Einladungen | |
zu informellen Runden vermisst. | |
## Sie haben eine E-Mail erhalten. Vielleicht | |
Vor dem Berliner Landgericht präsentierte Eisenberg nun aber einen | |
Screenshot: Ein Mitarbeiter der Linksfraktion habe zwei E-Mails entdeckt. | |
„Das Outlook-System glaubt, dass diese E-Mails verschickt wurden.“ Ob sie | |
angekommen seien, könne der Absender aber ja nicht bestätigen. Meisner aber | |
beteuert, sein Postfach sei leer geblieben. Es habe ja sogar die IT des | |
Tagesspiegels nach Mails der Linksfraktion gefahndet, aber nichts gefunden, | |
wie der vom Spiegel bestellte Anwalt beteuerte. | |
Die Linksfraktion greift den Spiegel via Eisenberg auch in anderer Sache | |
an: Nachdem sich Meisner über die ausbleibenden Depeschen beschwert habe, | |
habe man den Verteiler gecheckt und ihn fortan wieder versorgt. Was da | |
schiefgelaufen sei, könne man ad-hoc nicht genau erklären, so Eisenberg. | |
Allein: „Es bedurfte nur einer Beschwerde, um die regelmäßige Beschallung | |
wieder zu erreichen.“ Auch an Hintergründen zumindest des parlamentarischen | |
Geschäftsführers, der ja nicht unwichtig sei, habe der Journalist wieder | |
teilnehmen können. | |
Der Spiegel habe in seiner Meldung „vorsätzlich unvollständig“ berichtet, | |
meinte Eisenberg, woraufhin der Spiegel-Verteidiger erklärte, die Frage, ob | |
Meisner zum Zeitpunkt der Meldung noch aus Verteilern gestrichen gewesen | |
oder doch wieder angeschlossen sei, habe für die Meldung doch „keine Rolle“ | |
gespielt. Es sei schlicht darum gegangen, darüber zu berichten, dass es | |
Diskussionen in der Partei über den Umgang mit Kritikern gegeben habe – | |
„und das dauert ja ein paar Wochen, bis das bei der Parteiführung ankommt“. | |
## „Der Spiegel“ scheitert vor Gericht | |
Vor dem Berliner Landgericht hat sich letztlich die Sicht der Linksfraktion | |
durchgesetzt: Der Spiegel ist mit dem Versuch, über einen Widerspruch das | |
Unterlassungsbegehren abzuwehren, vorerst gescheitert. Ob der Spiegel in | |
Berufung geht, ist laut Anwalt offen. | |
Warum wiederum die Linksfraktion an dieser Auseinandersetzung festhält und | |
das Thema so weiter hochhält, hat sie der taz auf Anfrage nicht | |
beantwortet. Auch nicht, wie sie den Tagesspiegel-Reporter inzwischen | |
versorgt. Matthias Meisner sagt: Er bekomme noch immer keine Einladungen zu | |
den Hintergrund-Runden mit der Fraktionsvorsitzenden Sahra Wagenknecht. | |
Auch schriftlich beantworte sie ihm derzeit keine Fragen. Immerhin: Ein | |
Interview mit dem Vorsitzenden Dietmar Bartsch konnte er zuletzt wieder | |
führen. | |
13 Jun 2018 | |
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## AUTOREN | |
Daniel Bouhs | |
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