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# taz.de -- Kolumne Jung und dumm: Was müssen das für Leute sein?
> Unser Kolumnist schaut zum ersten Mal seit Jahren wieder eine politische
> Talkshow – und versteht plötzlich gar nichts mehr.
Bild: Da sitzt also ein Traumjunge wie Kühnert und streitet bei Anne Will um C…
Schaut man also eine Talkshow, das erste Mal seit G20: weil da jetzt alle
anderen drüber geredet haben, und weil man – so wie alle anderen – wohl
niemals aus dem Fehler lernen wird, den gerade immer jetzt sich
abspielenden Momentkorridor zu überschätzen, und sei seine eingebildete
Wichtigkeit noch so verschwindend gegenüber dem Glück der sich befreienden
Massen, das da in der Zukunft und vor dem Winterpalast unseres Herzens auf
uns wartet.
Kevin Kühnert ist immerhin ein würdiger Nachfolger Jutta Ditfurths; viel
mehr gute Politiker*innen gibt es in Deutschland auch gar nicht, Volker
Beck vielleicht, Andrea Ypsilanti, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Kurt
Eisner. Nun gut.
Sitzen da also Traumjunge Kühnert und noch ein paar andere Leute und lassen
das Spektakel beginnen. Irgendwie wird geredet, jeder darf erstmal seine
Position vorstellen, dann schnurrt das Ganze von der Schnur und sie
erklären sich gegenseitig immer wieder dasselbe und verhören sich
absichtlich, um auf verschiedenen Niveaus von Indirekt- und Unbewusstheit
in sie strömenden Machtinteressen libidinös zu entsprechen.
Das kennt man soweit, und dass einem dabei kräftig die Hirnader schwillt
und man besorgt auf einen Zettel schreibt: „Zettel – Kur bei Dr. Adams in
Neuchâtel, nicht vergessen“ und dann keinen Platz an der Zettelwand findet.
Und nun?
## Was genau treibt diese Menschen an?
Fürchtet man sich also vor so einigem und schaut noch gebannter, extremer,
das Treiben da an. Und fragt sich, warum man sich das nicht schon längst
gefragt hat: Warum schaffen selbst die, die nicht strukturell zum Vorteil
anderer als derjenigen argumentieren, für die sie es vorgeben zu tun; –
warum schaffen selbst sie es nicht, nur für wenige Momente aus dem Strudel
der Zeit auszubrechen und einmal kurz und knapp zu sagen, was Sache ist.
Und was nicht.
Warum fügen sie sich so sehr dem qua shittiger Wortmeldung (oder gar auf
der bloßen Lautebene verharrendem Brei) unbedingt in sie hineinobstruierten
Verstreichen der Zeit? Und um die geht es hier ja angeblich, Zeit mal Zeit
ist Temperatur und ergibt Klima. Warum muss man in dessen Angesicht denn
überhaupt noch reden sollen?
Wundert man sich also weiter, diesmal über das „Publikum“ und was für
Menschen es sein müssen, die sich einem solchen zur Verfügung stellen. Was
genau treibt sie? Halten sie sich für:
a) symbolische Repräsentant*innen einer fairen, demokratischen
Öffentlichkeit?b) gelangweilt und wollen mal was erleben, was Dolles, was
Echtes?c) Serienmörder*innen und wollen extra-auffällig unauffällig
untertauchen? Was gäbe es dafür Normaleres als das Fernsehen?d) ganz normal
und glauben, dass man das eben so macht?e) ersetzbar-unersetzbare
Figurant*innen von Partizipation und machen sie nur darum so stupide und
vorhersehbar mit, um die Zuschauer*innen an den Fernsehgeräten sich in
ihnen wiedererkennen und vor sich selbst im Innersten erschrecken zu
lassen? Kurz: um sie endlich aufzuwecken?
9 May 2019
## AUTOREN
Adrian Schulz
## TAGS
öffentlich-rechtliches Fernsehen
Fernsehen
Jung und dumm
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