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# taz.de -- Debatte Frauenquote in Polit-Talkshows: Männer erklären (wieder) …
> Auch 2017 sitzen deutlich mehr Männer in ZDF- und ARD-Talkshows statt
> Frauen. Zur Macht gehört auch, den öffentlichen Diskurs mitzuprägen.
Bild: Auch bei „Anne Will“: vier Männer, eine Frau
Das hier ist keine Abrechnung mit Männern. Es ist eine Abrechnung mit all
jenen, die meinen, Frauen verlangten zu viel, wenn sie das Gleiche
verlangen. Es ist auch kein Schrei nach Macht, wie Männer sie derzeit
innehaben. Es ist eine Rede für das Recht darauf, Macht zu beanspruchen und
so auszufüllen, wie man es als Frau für richtig hält.
Zur Macht gehört die Möglichkeit, den öffentlichen Diskurs mitzuprägen. Zum
Beispiel durch Fernsehauftritte in die Köpfe der Menschen zu gelangen und
dort ein Wörtchen mitzureden. Zur Macht gehört auch, für solche
Fernsehauftritte als Expertin angefragt zu werden, Preise zu erhalten für
das, was man tut, um eben wieder mehr Gehör zu erlangen.
In dieser Woche, in der Frauen in den USA Donald Trump [1][vom Cover des
Time Magazine] herab eine Ohrfeige erteilen durften, weil er nicht dort
saß, wo sie nun thronten, saßen die deutschen Frauen vor den Fernsehgeräten
und ließen sich von Männern die Welt erklären. Sorry, Männer, wenn ihr
jetzt pauschal sagt, das ginge gegen euch, dann müssen wir für die
Alphatiere, die dauernd in den Medien präsent sind, einen Extranamen
finden.
Markus Söder etwa als Prototyp für alle, die selbstgefällig und
selbstverliebt im Fernsehen nicht auf den Punkt kommen, sondern auf sich.
Gockel und Gefangene ihrer Selbstverliebtheit. Der Prototyp Markus Söder
macht selbst aus der sonst toughen Maybrit Illner eine devote
Stichwortgeberin. Ich halte das auch für ein Problem der deutschen Frauen:
Je mehr er Macho ist, desto weniger will sie Feministin sein – er könnte
sie ja als solche beschimpfen. Merkel hat uns vorgemacht, dass wir das Wort
lieber Alice Schwarzer überlassen sollten.
## Zig Runden Bosbach im Jahr
Letzte Woche also verhalf das Time Magazine [2][#MeToo] zum nächsten Sieg.
Bei den [3][Wahlen in Alabama am Dienstag] verweigerten die
republikanischen Frauen Trump und seiner Gefolgschaft die Stimme. Alles
Bewegungen, die dem Mut dieser Frauen zu verdanken sind. Währenddessen bei
Anne Will: vier Männer, eine Frau. Bei Plasberg: fünf Männer, eine Frau.
Bei Lanz: vier Männer, keine Frau. Lanz schaffte es übrigens, bei drei
Sendungen in der ganzen Woche überhaupt nur eine Frau einzuladen: Frauke
Petry. Die allerdings dafür, dass sie von der AfD ausgegrenzt wird. AfD und
CDU haben maßgeblich dazu beigetragen, dass kaum Frauen in den Parlamenten
sitzen. Was macht Lanz? Zig Runden Bosbach im Jahr. Ist ja auch ein
Prototyp-Söder.
Die Bilanz dieser Woche lautet 13:2. Nur zwei Frauen boten abends ihre
Perspektive auf die Wochenthemen an. Zwei Frauen durften in der
öffentlich-rechtlichen Sendezeit, die für Debatten und Diskussionen gedacht
ist, zu Wort kommen. Die Redaktionen wollen sich ihre Gäste nicht von
irgendwelchen Feministinnen vorschreiben lassen – nur was, wenn diese
Feministinnen auch die Bürgerinnen sind, die diese Formate finanzieren? Die
Rechten haben mit ihren Lügenpresse-Vorwürfen einen Erdrutsch in den
TV-Redaktionen verursacht. Doch wie ist das, wenn es um Ausgrenzung der
weiblichen (oder migrantischen) Perspektive geht? So immun, wie man dort
gegen Kritik aus diesen Ecken ist, muss das System haben. Wer steckt hinter
diesem Kartell? Wer sind die Antifeministen?
Sollen wir Frauen uns mit einem offenen Brief an den Fernsehrat wenden? Der
hat diese Zustände doch längst bemängelt. Und trotzdem, lieber Fernsehrat:
Sehen Sie diese Kolumne bitte als offenen Brief. Mein Brief an Sie ist kurz
und die Frage ist schlicht: Für wie blöd halten uns Ihre Redaktionen?
[4][Die Bilanz 13:2 habe ich getwittert.] Der Tweet wird drei Tage später
immer noch retweetet.
Zig Frauen, darunter Renate Künast und Brigitte Zypries haben ihn geteilt.
Seltsam, dass ich Frau Zypries – seit sie Gabriel abgelöst hat – nicht halb
so oft in Talks zu Wirtschaftsfragen gesehen habe wie vor ihr Sigmar
Gabriel. Ist Wirtschaftsminister nur dann sexy für die Redaktionen, wenn
sie den Kalauer vom Genossen der Bosse bringen können? Wir sehen ja, wohin
wir „unseren“ Gerhard Schröder damit gebracht haben.
## Frauen wollen angeblich oft nicht
Ich musste lernen, dass die Bilanz 13:2 für manche nicht so erschlagend
ist, dass ihnen die Kinnlade herunterfällt. Die wollen immer noch über
Zufall und Statistik reden. Gut, dann weiter: Richard David Precht,
beliebter Volksphilosoph, hat seit 2012 ein eigenes Talkformat. Bilanz: 36
Gäste, davon 4 Frauen. Mehrere Jahre gänzlich ohne weibliche Gäste. Die
nächsten Philosophen, Sloterdijk und Safranski, wurden 2012 zum Glück
eingestellt. Bilanz: 66 Gäste, davon 8 Frauen.
Ich weiß schon, wir Frauen können nicht philosophieren, dazu haben wir zu
viele Hormone, die unsere Gehirnwindungen stören. Angeblich telefonieren
sich die Redaktionen den Hintern ab, um Absagen von Frauen zu kassieren,
nur sind wir ja alle so öffentlichkeitsscheu und selbstkritisch. Aber
vielleicht fragen sie auch einfach die falschen Frauen?
Von den Kritikern meiner Bilanz hörte ich sofort: Vielleicht war das ja nur
diese eine Woche. (Reicht mir jemand ’ne Tröte gegen diese Langweiler?)
Frauen wollten angeblich oft nicht. Zig kluge Frauen des öffentlichen
Lebens, die ich kenne, wurden jedoch noch nie gefragt. Ich will hier nicht
über die Qualität der Sendungen reden, sondern über den Raum, den diese von
Millionen gesehenen Formate den Frauen und ihren Perspektiven bieten. Die
Haltungen, die dieses öffentliche Verschwinden der weiblichen Perspektive
forcieren.
Was hat #MeToo nun mit weiblicher Repräsentation zu tun? Ziemlich viel:
Solange Frauen nicht als denkende, redende, selbstbewusste Subjekte
öffentlich repräsentiert, sondern eher als leicht bekleidete
Werbeträgerinnen für jedes noch so unnütze Produkt instrumentalisiert
werden, so lange wird sich wenig daran ändern, dass viele meinen, Frauen
liebten es, als halbnacktes Objekt im Einsatz für den Kapitalismus ihr Geld
zu verdienen. Über die großen Fragen unserer Zeit zu sprechen, seien sie
aber zu scheu.
17 Dec 2017
## LINKS
[1] /Time-Magazin-ehrt-MeToo-Frauen/!5468556
[2] https://twitter.com/search?q=metoo&src=typd
[3] /Kommentar-Senatswahl-in-Alabama/!5470381
[4] https://twitter.com/jagodamarinic/status/940311397199761408
## AUTOREN
Jagoda Marinić
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Frauenquote
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