| # taz.de -- Fossile Energien bei der Klimakonferenz: Unterirdische Idee | |
| > Auf der Klimakonferenz in Dubai wird über die Zukunft der fossilen | |
| > Energieträger gestritten. Die Befürworter des Verbrennens setzen auf | |
| > Technik. | |
| Bild: Keep it in the ground: In Island wird CO2 bereits unter die Erde gepumpt | |
| ## 1 Moment mal, es gibt doch [1][das Pariser Weltklimaabkommen von 2015]. | |
| Steht da nicht schon drin, dass wir aus fossilen Energien aussteigen? | |
| Leider nicht. Zumindest nicht explizit. Das Abkommen schreibt keine | |
| Maßnahmen vor, nicht einmal die naheliegendsten. Stattdessen setzt es | |
| Temperaturziele: Die Erderhitzung soll „deutlich unter 2 Grad“ gegenüber | |
| vorindustriellem Niveau enden, möglichst bei 1,5 Grad. | |
| Wie die Regierungen das anstellen, ist ihnen überlassen. Aber: Um das | |
| 1,5-Grad-Limit einzuhalten, müssen die Emissionen dramatisch sinken. Laut | |
| [2][dem Weltklimarat] müssen sie sich bis 2030 ungefähr halbieren, um bis | |
| 2050 praktisch bei null zu liegen. Die Verbrennung fossiler Kraftstoffe ist | |
| die Hauptquelle von CO2-Emissionen. Man könnte sagen: Aus dem Pariser | |
| Weltklimaabkommen folgt im Grunde, dass die Nutzung von Kohle, Öl und Gas | |
| ein Ende haben muss. Einen internationalen Beschluss aller Länder, in dem | |
| sie sich dazu bereit erklären, gibt es dennoch bislang nicht – auch nach | |
| fast drei Jahrzehnten der Klimaverhandlungen. Auf der | |
| [3][Weltklimakonferenz in Dubai], die noch bis nächste Woche läuft, könnte | |
| sich das ändern, das Thema wird diskutiert – aber es ist auch Streitpunkt | |
| Nummer eins. Denn nicht alle ziehen dieselben Schlüsse aus dem Pariser | |
| Abkommen. | |
| ## 2 Welche Möglichkeit zum Aufhalten der Klimakrise soll es denn sonst | |
| geben? | |
| Ein Wort wabert durch die Hallen auf dem Gelände in Dubai, in dem die | |
| Weltklimakonferenz stattfindet: „unabated“. Das ist Englisch für | |
| „unvermindert“. Eine unscheinbare Vokabel, trotzdem ist sie | |
| bedeutungsschwer. Die Rede ist dann nämlich davon, dass ein Ausstieg nur | |
| aus „unverminderter fossiler Energie“ geschehen müsse. Das bedeutet: | |
| Kraftwerke dürften auch mit Öl, Gas oder Kohle weiterlaufen, wenn ihre | |
| Betreiber irgendwie probieren, die CO2-Emissionen unschädlich zu machen. | |
| Durch die [4][CCS-Technologie] zum Beispiel kann man das zwangsläufig | |
| ausströmende Kohlendioxid abfangen und es dann unterirdisch lagern. Damit | |
| heizt es dann nicht mehr die Atmosphäre auf. | |
| ## 3 Klingt doch gut, oder? | |
| Im Prinzip schon. Szenarien des Weltklimarats oder der Internationalen | |
| Energieagentur, in denen die Welt die Klimakrise wirksam begrenzt, gehen | |
| von der Nutzung solcher Technologien aus. Es gibt aber einige Probleme. Die | |
| Kosten zum Beispiel liegen extrem hoch – anders als bei den erneuerbaren | |
| Energien, die immer preiswerter geworden sind. | |
| ## 4 Aber wenn es doch hilft? | |
| Viel deutet darauf hin, dass CCS noch lange nicht gut genug funktioniert. | |
| Davor hat der Thinktank Climate Analytics gerade nach einer [5][Analyse] | |
| gewarnt. Demnach fangen CCS-Anlagen in der Praxis oft nur die Hälfte der | |
| Emissionen auf, manchmal noch weniger. Damit könne ihr Einsatz in den | |
| Jahren von 2020 bis 2050 bis zu 86 Gigatonnen an Treibhausgasemissionen | |
| weniger reduzieren als angenommen, warnen die Expert*innen. „Der | |
| Begriff,abated' wird als trojanisches Pferd genutzt, damit fossile | |
| Brennstoffe mit miserablen Abscheidungsraten als Klimaschutz gelten | |
| können“, warnt Claire Fyson von der NGO Climate Analytics. | |
| Die schlechte Effektivität von CCS könnte auch manche Szenarien des | |
| Weltklimarats aus der Bahn werfen, bei denen die Welt die 1,5 Grad | |
| Erderhitzung kaum überschreitet – obwohl auch nach 2050 noch fossile | |
| Kraftwerke laufen. Der Weltklimaratschef Jim Skea hat eines davon in Dubai | |
| auf einer Pressekonferenz zitiert: „Bis 2050 ist die Nutzung fossiler | |
| Kraftstoffe stark reduziert, unverminderte Kohle gibt es gar nicht mehr, | |
| die Ölnutzung ist um 60 Prozent reduziert, die Gasnutzung um 45 Prozent“, | |
| so der Wissenschaftler. | |
| Damit sprang er [6][dem Präsidenten der Weltklimakonferenz, Sultan Ahmed | |
| al-Dschaber], bei. Der hatte laut einem Bericht des britischen Guardian | |
| gesagt, es gäbe „keine wissenschaftlichen Belege“ dafür, dass das | |
| 1,5-Grad-Ziel einen Ausstieg aus den Fossilen erfordere. Ein Skandal auf | |
| der Weltklimakonferenz. Und schlechte Presse für den Politiker, der | |
| Industrieminister der Vereinigten Arabischen Emirate und Manager des | |
| staatlichen Ölkonzerns Adnoc ist – und dieses Jahr die Klimaverhandlungen | |
| leitet. | |
| Nur: Das von Skea genannte Szenario geht von einem großflächigen Einsatz | |
| von Verminderungstechnologien aus. Und die definiert der Weltklimarat als | |
| Technologien, die 95 Prozent der fossilen Emissionen abfangen. Die Praxis | |
| passt hier also (noch) nicht zur Theorie. | |
| ## 5 Heißt das, wir sollten CCS doch nicht nutzen? | |
| Doch, unbedingt. Es gibt industrielle Prozesse, etwa die Herstellung von | |
| Zement, von denen wir bisher nicht wirklich wissen, wie wir sie ohne | |
| klimaschädliche Emissionen hinbekommen. Kraftwerke hingegen gibt es auch | |
| ohne Öl, Gas, und Kohle – nämlich zum Beispiel mit Wind und Sonne oder | |
| Wasser betrieben. | |
| „Die Liste der Anwendungsbereiche, in denen CCS unvernünftig wäre, ist | |
| lang. Ganz oben dabei ist der Energiesektor“, meint deshalb zum Beispiel | |
| Pao-Yu Oei, Professor an der Europa-Universität Flensburg. „Ein | |
| konsequenter Ausstieg aus Kohle, Öl und Gas geht mit Erneuerbaren | |
| schneller, günstiger und hilft dem Klima wirklich.“ Eine Diskussion um | |
| Technologieoffenheit sei nicht zielführend. Die deutsche Bundesregierung | |
| solle Klarheit schaffen, wo CCS keine Option darstellt. „Wenn die | |
| Verhandelnden in Dubai mehr auf die PR-Masche fossiler Unternehmen hören | |
| als auf die Wissenschaft, droht CCS von dem eigentlichen Ziel abzulenken: | |
| Alles in die Wege zu leiten, um Emissionen schnell zu vermeiden.“ | |
| Auch die Klimabewegung fürchtet, dass der Fossilen-Ausstieg – wenn er denn | |
| in Dubai überhaupt beschlossen wird – verwässert werden könnte. „An der | |
| Stelle ist klar, dass wir keine Kompromisse machen“, sagte Luisa Neubauer | |
| von Fridays for Future in Dubai. „Nein, CCS ist keine akzeptable Lösung.“ | |
| Auch sie weiß, dass darüber auf dem Verhandlungsparkett keine Einigkeit | |
| herrscht. „Ein fossiler Ausstieg, der alle glücklich macht, ist keiner, für | |
| den wir eintreten“, sagte sie. „Es ist klar, dass es Industrien gibt, die | |
| das nicht freuen kann, die hierher kommen mit Tausenden Lobbyisten.“ | |
| Mindestens 2.456 Fossil-Lobbyist*innen aus der ganzen Welt sind auf der | |
| Klimakonferenz in Dubai. Das hat eine Analyse der offiziellen | |
| Teilnehmendenliste ergeben, die ein internationales Bündnis aus | |
| Klimaschutzorganisationen wie Greenpeace, Transparency International, | |
| Global Witness und dem Climate Action Network herausgegeben hat. Die | |
| Vertreter*innen von Unternehmen und Wirtschaftsverbänden nehmen nicht | |
| direkt an den Verhandlungen teil. Sie gelten wie die | |
| Klimaschützer*innen als Beobachter*innen des Gipfels, haben | |
| dadurch aber Zugang zu Diplomatie und Politik. | |
| 6 Will Deutschland auch nur einen Fossilen-Ausstieg mit CCS? | |
| Jein. Auf der Weltklimakonferenz in Dubai setzt sich die deutsche | |
| Delegation bislang dafür ein, dass ein „richtiger“ Ausstieg aus den | |
| fossilen Energien vereinbart wird. „Aber der Ausbau von erneuerbaren | |
| Energien reicht eben nicht aus, um auf den 1,5-Grad-Pfad zu kommen“, sagte | |
| Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) direkt nach ihrer Ankunft | |
| am Freitag auf der Konferenz. „Wir brauchen hier den Ausstieg aus fossilen | |
| Energien. Und ich sage ganz deutlich: aus fossilen Energien, nicht nur aus | |
| fossilen Emissionen.“ Es gebe aber „mächtige Stimmen aus der fossilen | |
| Welt“ auf dem Klimagipfel. Dabei sei der Umstieg auf Erneuerbare die | |
| gerechteste und ökonomisch beste Option, so die Ministerin. | |
| Kurz zuvor – schon zeitgleich zum Klimagipfel – hat die Bundesregierung in | |
| Berlin aber eine Strategie für eine Klimaaußenpolitik beschlossen. Darin | |
| klingt das anders: „Wir setzen uns in allen relevanten Foren für eine | |
| beschleunigte globale Energiewende, den globalen Ausbau von Erneuerbaren | |
| und den schrittweisen weltweiten Ausstieg aus fossilen Brennstoffen ohne | |
| CO2-Abscheidung und -Speicherung ein“, heißt es da. Eine ausdrückliche | |
| Einschränkung gibt es nur für einen Bereich: „Wir wollen bereits erfolgte | |
| Zusagen für den Ausstieg aus Kohle und anderen fossilen Energieträgern ohne | |
| CO2-Abscheidung nachhalten.“ | |
| 9 Dec 2023 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Beschluss-des-Klimaabkommens-in-Paris/!5261251 | |
| [2] /Studie-zu-Kipppunkten/!5978474 | |
| [3] /Klimakonferenz-in-Dubai/!t5018328 | |
| [4] /Norwegens-Endlager-fuer-Kohlendioxid/!5823921 | |
| [5] https://climateanalytics.org/publications/unabated-the-carbon-capture-and-s… | |
| [6] /Leiter-der-UN-Klimakonferenz-al-Jaber/!5975116 | |
| ## AUTOREN | |
| Susanne Schwarz | |
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