# taz.de -- Leiter der UN-Klimakonferenz al-Jaber: Der Mann der fantastischen C… | |
> Sultan al-Jaber leitet den Ölkonzern der Emirate – und die | |
> Weltklimakonferenz. Schon vor deren Start kam raus: Die Gastgeber | |
> missbrauchten ihre Rolle. | |
Bild: Gibt sich nach außen gern grün: COP-Präsident Sultan Ahmed al-Jaber | |
Berlin taz | Es war ein Image-GAU, nur drei Tage vor Beginn der | |
[1][UN-Klimakonferenz (COP) in Dubai]: Deren Ausrichter, die Vereinigten | |
Arabischen Emirate (VAE), missbrauchten „ihre Rolle als Gastgeber der COP, | |
um Öl- und Gasgeschäfte abzuschließen“, [2][berichteten die BBC und andere | |
internationale Medien]. Demnach zeigten durchgestochene Dokumente der VAE | |
deren Pläne, mit mindestens 15 Ländern bei den Vorgesprächen zur COP neue | |
Fossil-Deals anzuschieben. | |
Um die Konferenz vorzubereiten, organisierte das COP-Team Ministertreffen | |
mit Regierungen aus der ganzen Welt. Gastgeber dieser Treffen war | |
COP-Präsident Sultan Ahmed al-Jaber – der gleichzeitig den Staatsölkonzern | |
Adnoc aus Abu Dhabi leitet. | |
Für al-Jaber wurden danach Vorschläge für „Gesprächspunkte“ vorbereitet: | |
Gegenüber China sollte er ansprechen, dass Adnoc gemeinsame | |
[3][Flüssigas]-Projekte in Mosambik, Kanada und Australien „evaluieren“ | |
wolle. Einem kolumbianischen Minister sollte er mitteilen, dass Adnoc | |
„bereit“ sei, Kolumbien bei der Erschließung seiner fossilen Ressourcen zu | |
unterstützen. | |
[4][Für 13 weitere Länder, darunter Deutschland] und Ägypten, gab es | |
offenbar ähnliche Angebote. Auf die Leaks angesprochen, bestritten | |
Vertreter der VAE gegenüber der BBC nicht, die COP-Vorbereitungstreffen | |
fürs Business genutzt zu haben. Der Inhalt aber sei „privat“. | |
## Noch nie leitete ein Fossil-Manager die COP | |
Genau so eine Interessenskollision befürchteten viele, als die Emirati | |
al-Jaber Anfang des Jahres zum Präsidenten der COP ernannten. Über 130 EU- | |
und US-Abgeordnete forderten in einem offenen Brief dessen Absetzung. Es | |
sei „eine andere Führung notwendig, um sicherzustellen, dass die COP ein | |
ernsthafter und produktiver Klimagipfel wird,“ schrieben sie. | |
Al-Jaber verteidigte seine Ernennung: Auch die Öl- und Gasindustrie müsse | |
mit am Verhandlungstisch sitzen. „Man muss alle einbeziehen“, sagte er dem | |
Guardian. Eine Interviewanfrage der taz lehnte Adnoc ab. | |
Max Holmes, Präsident des US-Klimaforschungsinstituts Woodwell Climate | |
Research Center, sieht Positives an der Ernennung von al-Jaber. Mit ihm sei | |
die Aufmerksamkeit für die COP größer. Und: „Sie können sich keine Fehler | |
erlauben, weil alles genau beobachtet wird,“ sagt Holmes der taz. | |
Tatsächlich ist es nicht ungewöhnlich, dass Öl- und Gaslobbyisten bei den | |
Klimakonferenzen dabei sind. Genau 636 waren es bei der Klimakonferenz in | |
Ägypten im vergangenen Jahr, so die NGO Global Witness. Doch noch nie | |
leitete ein Fossil-Manager die COP. | |
## „Seine Achillesferse“ | |
Martin Kaiser von Greenpeace hat al-Jaber bei einem Treffen in Berlin im | |
Frühjahr auf den Interessenskonflikt angesprochen. Der habe nicht mehr | |
aufgehört zu reden: „Wie großartig die VAE seien, wegen der erneuerbaren | |
Energien und grünem Wasserstoff, dass es die beste COP aller Zeiten werde“, | |
sagt Kaiser. Nur zum Interessenskonflikt habe er nichts gesagt. „Es ist | |
klar, dass ihn das ziemlich anfasst. Es ist seine Achillesferse.“ | |
Dabei tritt al-Jaber in der Öffentlichkeit sonst sehr selbstbewusst auf. | |
Bei Veranstaltungen in den USA oder Europa trägt der 50-Jährige fast immer | |
Anzug und Krawatte, in den VAE präsentiert er sich in der weißen | |
langärmligen Kandura. Seine Reden sind auf den Punkt, fehlerfrei und mit | |
Pausen zur Betonung des Gesagten. | |
„Jemand so Selbstbewusstem bin ich bisher selten begegnet“, sagt Sascha | |
Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe (DUH). Er | |
lernte al-Jaber bei einem Treffen mit Umweltverbänden kennen. Dort habe er | |
mit perfektem Benehmen geglänzt. Ein „blitzgescheiter, hochgebildeter und | |
sehr ehrgeiziger Mann.“ | |
Nur so ist wohl zu erklären, dass al-Jaber einen so hohen Posten in den VAE | |
innehat, der sonst Angehörigen der Königsfamilie vorbehalten wäre. Al-Jaber | |
habe sich bei dem Treffen alles höflich angehört, erzählt Müller-Kraenner. | |
Dann aber habe er angefangen zu dozieren: „‚Ich erkläre Euch mal, wie das | |
funktioniert‘, mit einem an Arroganz grenzendem Selbstbewusstsein“, meint | |
Müller-Kraenner. | |
## Fossile Industrie will Produktion nicht senken | |
Die Emirate seien sehr bemüht, die COP zum Erfolg zu machen. Schon bei der | |
Akkreditierung sei die Organisation spürbar. „Das hilft ja schon mal“, so | |
Müller-Kraenner. Alles sei perfekt vorbereitet, al-Jaber reise dafür seit | |
Monaten um die Welt. Er sei „ein Profi, die haben ihren besten Mann auf den | |
Posten gesetzt“, sagt Müller-Kraenner. „Man muss nur aufpassen wie ein | |
Luchs, dass es kein falsches Ergebnis gibt, zugunsten der Öl- und | |
Gasindustrie.“ | |
Für die VAE sind diese Branchen immens wichtig: 2021 machten die Fossilen | |
mehr als die Hälfte der Exporte der Emirate aus. Die von 50 NGOs | |
zusammengestellte Global Oil Gas Exit List zeigt, ob die Pläne der | |
gelisteten Unternehmen mit dem Fahrplan der Internationalen Energieagentur | |
hin zu Netto-Null-Emissionen bis 2050 vereinbar sind. Adnoc plant danach | |
aktuell die höchste absolute Überschreitung in der gesamten Branche. | |
„Die fossile Industrie will die Produktion nicht senken, der Markt läuft | |
fantastisch, sie wollen Geld machen“, sagt dazu Svein Tveitdal. Er war | |
Vize-Direktor des UN-Umweltprogramms UNEP, heute leitet er den norwegischen | |
Thinktank Klima 2020. Jeder Mensch mit Ölinteressen am Tisch sei bei | |
Klimaverhandlungen „einer zu viel. Und dann auch noch in so einer hohen | |
Position.“ Tveitdal fürchtet, dass al-Jaber seine Position ausnutzen wird, | |
damit auf der COP nicht wie geplant der Ausstieg aus Öl, Gas und Kohle | |
vereinbart wird. | |
Christoph Bals, Geschäftsführer der NGO Germanwatch, sprach beim | |
Petersberger Klimadialog und verschiedenen Onlineveranstaltungen mit | |
al-Jaber. Wenn es dabei um kritische Themen ging, habe al-Jaber teilweise | |
an Kollegen übergeben, erzählt Bals. „Man konnte aber über alles reden. | |
Al-Jaber ist als zielorientierter Manager aufgetreten, der zu Ergebnissen | |
kommen will“, sagt Bals. Die Frage sei nur, ob al-Jabers Lösungen auch im | |
Sinne der Pariser Klimaziele seien. | |
## Nach außen gibt sich al-Jaber grün | |
Allerdings sei seine Bereitschaft, über eine Senkung der Öl- und | |
Gasproduktion zu sprechen, gewachsen. Auf dem UN-Klimatreffen in New York | |
im September hatte al-Jaber das Herunterfahren von fossilen Brennstoffen | |
„unumgänglich“ bezeichnet. Für Bals ein Fortschritt, denn noch im Frühja… | |
habe er darauf beharrt, dass „lediglich die Emissionen eingedämmt“ werden | |
müssen. | |
Einen Förderstopp bei Adnoc will al-Jaber jedoch nicht. „Warum sollte ich | |
das tun? Wir haben uns transformiert, wir haben dekarbonisiert“, sagte er | |
dem Guardian. Adnoc wolle bis 2045 „Net Zero“ erreicht haben. Immer wieder | |
behauptet der Sultan, dass Öl und Gas aus den VAE „emissionsärmer“ sei als | |
anderes. | |
Genau wie Saudi-Arabien setzt al-Jaber auf technische Fortschritte wie | |
Kohlenstoff-Abscheidung und -Speicherung (CCS). Dies sei ein häufig | |
genutztes Argument der Öl- und Gasindustrie, um „weiterhin Profit | |
rauszuschlagen“, so Martin Kaiser von Greenpeace. Er sieht „eine fast noch | |
nie da gewesene Kommunikationsoffensive der fossilen Industrie.“ | |
Nach außen gibt sich al-Jaber schon seit einiger Zeit grün. Auf seiner | |
eigenen Webseite wimmelt es von Windrädern, „Climate Action“, „Renewable… | |
Hier sind Videos seiner Reden vom Petersberger Klimadialog oder dem | |
Klimagipfel in New York zu sehen. „Uns läuft die Zeit davon, aber es ist | |
noch nicht zu spät, den Kurs zu korrigieren“, erklärt al-Jaber dort. | |
Treibhausgasemissionen müssten dafür „gemeinsam reduziert“ werden. | |
## Als Adnoc-Manager spricht al-Jaber eine andere Sprache | |
Die Doppelrolle zwischen Klimaschutz und Öl- und Gasbranche spielt er schon | |
länger. Seine Karriere beginnt 1998 mit 25 Jahren als Ingenieur bei Adnocs | |
Gas-Sparte. 2006 wendet er sich den Erneuerbaren zu, gründet auf Anweisung | |
der VAE-Führung Masdar mit – eines der heute weltweit größten Unternehmen | |
für erneuerbare Energien. Während seiner sieben Jahre an der Spitze von | |
Masdar baut er das [5][Vorzeigeprojekt Masdar City mit auf, eine Ökostadt | |
in Abu Dhabi]. | |
Das Unternehmen nennt sie die „weltweit nachhaltigste Stadt“, kohlenstoff- | |
und abfallarm. 2014 wird al-Jaber Vorsitzender von Masdar, 2016 dann CEO | |
von Adnoc. Er baut die Ölproduktion des Landes aus – und ist gleichzeitig | |
„Sondergesandter“ der VAE für den Klimawandel. Den Posten bei Adnoc will er | |
auch während seiner COP-Präsidentschaft nicht niederlegen. | |
Seine Äußerungen als Manager von Adnoc stehen in starkem [6][Kontrast zu | |
seinen grünen Signalen]. Auf der Konzernwebsite schreibt er, er gehe davon | |
aus, dass der Erdölverbrauch bis 2040 trotz „einiger Hype-Meldungen“ um | |
mindestens 10 Millionen Barrel pro Tag steigen werde. Auch die Nachfrage | |
nach Erdgas werde steigen, genau wie die nach Petrochemikalien und | |
Polymeren. „Das Wachstum zeigt uns eines“, so al-Jaber: „Wir stehen an der | |
Spitze eines neuen Zeitalters der Chancen für unsere Industrie“. | |
30 Nov 2023 | |
## LINKS | |
[1] /Klimakonferenz-in-Dubai/!t5018328 | |
[2] https://www.bbc.com/news/science-environment-67508331 | |
[3] /LNG/!t5582693 | |
[4] /Vor-der-UN-Klimakonferenz/!5970281 | |
[5] /Forscherin-ueber-Smart-Cities/!5713408 | |
[6] /PR-Aktion-von-Klimaaktivisten/!5977134 | |
## AUTOREN | |
Malina Dittrich | |
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