# taz.de -- Beschluss des Klimaabkommens in Paris: Da hat er ein wenig getrickst | |
> Zack! Als der ehrgeizige Klimavertrag in Gefahr gerät, hämmert ihn der | |
> Konferenzpräsident Fabius einfach durch. Und alle lieben ihn dafür. | |
Bild: Der COP21-Präsident und französische Außenminister Laurent Fabius feie… | |
PARIS taz | Die Angst war groß vor einer Nacht der langen Messer. Als sich | |
die Vertreter der 195 UN-Staaten am Samstagabend um 18 Uhr in der Halle „La | |
Seine“ zum Abschlussplenum versammeln, schwebt über allen die Frage: Was | |
wird aus dem „Paris-Abkommen“? Wird das bislang beste und ambitionierstes | |
Klima-Abkommen, das es je gab, von den Bremsern im Plenum zerredet, | |
gebremst, kastriert? | |
Der Anfang des Treffens gibt den Zweiflern Recht. Wie so häufig auf | |
endlosen Klima-Konferenzen verzögert sich der Beginn des Abschlussplenums: | |
Plötzlich haben hinter den Kulissen alle wieder etwas auszusetzen: Die | |
Türkei will einen Sonderpassus, Nicaragua hat ein Problem. Der Text muss | |
für technische Details in den Übersetzungen noch verändert werden – aber | |
das birgt die Gefahr, dass andere Länder wie Indien und China auch etwas | |
verändern wollen. In der vollbesetzten Halle mit Hunderten von Delegierten | |
ist die Stimmung erwartungsvoll und angespannt. Alle wissen: Der Vertrag | |
steht auf der Kippe. | |
Aber Laurent Fabius hat einen Plan. Um 19.17 beruft der Präsident der COP | |
21 die Sitzung ein. Großer Applaus als es losgeht – mit einer technischen | |
Petitesse. Der Text mit seinen 29 Seiten muss in den Übersetzungen in die | |
sechs UN-Sprachen ein paar Fehler ausbügeln. Fabius sagt so nebenbei, er | |
werde die gemeinsame Aussprache zum Abkommen erst zulassen, wenn der Text | |
verabschiedet sei – eigentlich ein Unding. Auch die technischen Details | |
sind nicht nur technisch: Beim Kapitel Finanzen macht die Änderung zu den | |
Verpflichtungen der Industriestaaten aus einem „shall“ ein „should“ –… | |
Abschwächung. Die härtere Formulierung war ein Übersetzungsfehler, sagen | |
die Amerikaner. | |
Um 19.24 hebt Fabius seinen kleinen Holzhammer. Er erklärt die technischen | |
Details als erledigt. Dann geht alles ganz schnell. Er erklärt, alle seien | |
ja zufrieden mit dem Abkommen: „Damit ist der Vertrag angenommen“, sagt | |
Fabius und lässt den Hammer auf den Tisch sausen. Als die Delegierten und | |
seine Kollegen auf dem Podium mitbekommen, was ihr Präsident da gerade | |
getan hat, springen alle jubelnd auf, recken die Daumen nach oben, | |
klatschen und schreien. Auf dem Podium fallen sich Fabius, die | |
UNFCCC-Sekretärin Christiana Figueres und alle Beisitzer um den Hals. Die | |
Delegierten in Halle „Seine“ lachen, recken die Fäuste, umarmen einander, | |
klatschen sich ab – Minuten des Jubels wie nach einem Fußballsieg. | |
## Papst Franziskus ruft zur Räson | |
Taktikfuchs Fabius hat hinter den Kulissen alles vorbereitet. In intensiver | |
politischer Arbeit wurden die Delegationen von Staatschefs bearbeitet. Den | |
entscheidenden Anruf beim Problemfall Nicaragua macht Papst Franziskus, | |
heißt es von Delegierten. Er bringt das katholische Land in der Nacht auf | |
Linie, so wie er schon die Polen in der Woche an ihre Pflichten zur Rettung | |
der Schöpfung erinnert hat. | |
Trotzdem dehnt Fabius die ungeschriebenen Regeln der Klimakonferenzen sehr | |
weit. Statt die Debatte groß im Plenum zu eröffnen und zu riskieren, dass | |
die Bedenkenträger die Stimmung dominieren, hat Angriff als Verteidigung | |
gewählt. Eine Hochrisiko-Strategie, die ihm um die Ohren fliegen könnte, | |
wenn die Versammlung ihm nicht folgt. | |
Aber die Stimmung im Raum ist genau so, wie Fabius sie einschätzt: | |
Begeisterung, Jubel für das Abkommen, das auch die Umweltverbände begrüßen. | |
Ein „Weghämmern“ von widerborstigen Ländern, die sich gegen den Konsens | |
stemmen, hat es früher schon gegeben: 2010 in Cancun geschah das mit | |
Bolivien, 2012 in Doha mit Russland. Aber da kam die Notwehr des | |
COP-Präsidenten nach zermürbenden Nächten der Debatte. Fabius lässt den | |
Hammer fallen, bevor sich die Kritiker zu Wort melden können. | |
Und die Wortmeldungen geben dem Putsch von Fabius Recht: Südafrika, | |
Sprecher der Entwicklungsländer, gratuliert als erster Redner dem | |
COP-Präsidenten. Die Sprecherin zitiert Nelson Mandela mit der Aussage: | |
„Wir können uns auf diesem langen Weg nur kurz ausruhen. Die nächsten Hügel | |
liegen noch vor uns.“ Es folgt Ländergruppe um Ländergruppe, die die Taktik | |
Fabius‘ unterstützt: Australien, die EU, die Schweiz. | |
## Auch die Quertreiber stimmen zu | |
Nicaragua, sonst immer kritisch, zeigt sich nur „überrascht“ von der | |
Überrumpelungstaktik des Präsidenten. China und Indien, die größten | |
Stolpersteine, machen gute Miene zum Spiel: Für Indiens Umweltminister | |
Prakash Javadekar ist der „historische Tag von Paris ein neues Kapitel der | |
Hoffnung“ und zeigt „ökologische Gerechtigkeit“. China moniert ebenfalls, | |
wie auch die USA und Australien, das Abkommen sei nicht perfekt – aber das | |
Land werde die nächsten Schritte auf dem historischen Weg machen. | |
Auch Venezuela, ein gefürchteter Quertreiber, stimmt zu und erklärt, der | |
Vertrag fülle das attackierte Paris wieder „mit Leben und Freude.“ Die | |
Verhandlerin Claudia Salerno lobt ihre eigene Arbeit in der Gruppe zur | |
Vorbereitung der Präambel, wo Menschenrechte und die „Mutter Erde“ benannt | |
werden. Die Vertreterin des sozialistischen Staats dankt Papst Franziskus | |
für seine Unterstützung. Und schließlich erklärt selbst „Drama-Claudia“ | |
ihre Unterstützung für den Vertrag – und verkündet, man werde nun einen | |
Klimaplan vorlegen, was bislang nicht der Fall war. | |
Eine historische und überraschende Nacht in Paris nimmt ihren Lauf. Als es | |
spät wird, ermahnt Fabius die Länder, sich zu beeilen: „Wenn jeder auf | |
meiner Liste drei Minuten redet, geht das bis nach Mitternacht“, sagt er | |
gegen 22 Uhr. „Dann kriegen die Historiker ein Problem, ob diese | |
denkwürdige Konferenz am 12. oder am 13. Dezember endete.“ | |
13 Dec 2015 | |
## AUTOREN | |
Bernhard Pötter | |
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