# taz.de -- Forscher über Blockchains: „Maschine bestellt Wartung selbst“ | |
> Blockchains gelten als Ökokatastrophe. Stephan Ramesohl vom Wuppertal | |
> Institut sagt, warum das so nicht stimmt und welche Chancen die Technik | |
> bietet. | |
Bild: In der thailändischen Hauptstadt Bangkok wird Solarstrom mit Hilfe von B… | |
taz: [1][Blockchains] sind vor allem durch die Kryptowährung Bitcoin | |
bekannt. Deren Strombedarf wird häufig mit dem von Ländern wie Argentinien | |
oder den Niederlanden verglichen. Sie sagen: Blockchains gehen auch | |
nachhaltig. Wie? | |
Stephan Ramesohl: Erst mal muss man dafür verstehen, was Blockchains | |
eigentlich tun. Und zwar: Sie verketten Blöcke von Informationen so, dass | |
sie nicht mehr nachträglich manipuliert werden können. | |
Im Fall von Bitcoin sind das die Transaktionen. | |
Genau. Die Frage ist also: Wie bekommt man diese Manipulationssicherheit | |
hin? Bei Bitcoin, also dem Urvater der Blockchains, ist das mit | |
Rechenrätseln gelöst. Die sind so kompliziert und erzeugen einen so hohen | |
Rechenaufwand, dass es in der Praxis nicht möglich ist, die Blockchain zu | |
manipulieren. | |
Mit dem Nachteil, dass der Rechenaufwand den Stromverbrauch hochtreibt. | |
Ja. Allerdings ist Bitcoin die älteste Blockchain-Technologie. Mittlerweile | |
gibt es Blockchains in der dritten oder vierten Generation. Und die | |
funktionieren nicht mehr mit diesen komplizierten Rechenrätseln, sondern | |
haben andere Wege des Manipulationsschutzes. Da gibt es unterschiedliche | |
Konzepte, die aber eines gemeinsam haben: Der Energieverbrauch ist deutlich | |
geringer. | |
Um welche Dimension? | |
Exakt lässt sich das nicht beziffern, aber die Zahlen, die wir haben, | |
lassen darauf schließen, dass der Energieverbrauch fast um den Faktor 100 | |
sinkt. Das ist schon ordentlich. Und es gibt noch zwei weitere Vorteile. | |
Erstes: Man braucht für diese neueren Blockchain-Generationen nicht mehr | |
die hochspezialisierte Hardware, die für das Erzeugen von Bitcoins | |
notwendig ist. Da ist momentan das Problem, dass diese Hardwarekomponenten | |
wie Chips oder Grafikkarten sehr schnell überholt sind und dann | |
Elektroschrott werden. Die neuen Blockchain-Generationen laufen dagegen auf | |
ganz normalen Rechnern. Und zweitens: Sie sind deutlich schneller. | |
Wenn es diese neuen Konzepte gibt – warum ist Bitcoin dann [2][immer noch | |
ein Strom- und Hardwarefresser]? | |
Das Problem ist: Man kann eine etablierte Blockchain wie Bitcoin nur schwer | |
oder gar nicht umstellen. Die Blockchain Ethereum, die das gleiche Prinzip | |
nutzt wie Bitcoin, arbeitet schon seit Jahren daran, bislang ohne Erfolg. | |
Das heißt, Bitcoin wird ein Stromfresser bleiben? | |
Ja, aber wir haben die Chancen, neue Anwendungen vom Start weg effizienter | |
hinzukriegen. Und man sieht auch schon, dass neue Blockchains in den | |
letzten Jahren vorwiegend auf neueren Technologien aufgesetzt werden. Das | |
ist deshalb wichtig, weil die Nutzung von Blockchains in den kommenden | |
Jahren immer weiter zunehmen wird. | |
Jetzt ist Blockchain auch so ein Buzzword. Es lassen sich Anwendungen | |
mitunter besser verkaufen, wenn man was mit Blockchain reinpackt. | |
Das stimmt. Deshalb sollte die erste Frage immer sein: Brauche ich für das, | |
was ich machen will, tatsächlich eine Blockchain? Oder reicht da nicht auch | |
eine ganz normale Datenbank? Im Zweifel ist keine Blockchain besser als | |
eine Blockchain. | |
Wann ergibt eine Blockchain Sinn? | |
Dann, wenn ich keine zentrale Instanz habe, der ich vertraue. Zum Beispiel: | |
Bei Banküberweisungen oder Kreditkartenzahlungen haben wir die Banken und | |
Finanzunternehmen, denen wir in dieser Hinsicht vertrauen, daher brauchen | |
wir da keine Blockchain. Bei dezentralen Kryptowährungen gibt es aber diese | |
zentralen vertrauenswürdigen Instanzen nicht, daher ist eine Blockchain | |
hier sinnvoll eingesetzt. | |
Wie können Blockchains etwas tun für eine nachhaltigere Welt? | |
Da gibt es fünf Anwendungsbereiche. Erstens: Zahlungen. Und zwar nicht im | |
Sinne von Kryptowährungen, sondern wenn es darum geht, ökologische Werte | |
global handelbar zu machen. Das kann der Emissionshandel sein oder der | |
Schutz der Mangrovenwälder. Das heißt, es ist ähnlich wie der Bitcoin eine | |
Währung, aber eben eine Währung von ökologischen Leistungen. | |
Zweiter Bereich: Lieferketten. Da gibt es eine Reihe von offensichtlichen | |
Anwendungsfällen, wie ökologisch und fair angebauter Kakao, Hölzer, andere | |
landwirtschaftliche Produkte oder Kleidung in globalen Lieferketten, wo ich | |
bestimmte soziale und ökologische Standards dokumentieren will. Das lässt | |
sich sehr gut über Blockchains regeln. Der dritte Bereich sind dezentrale | |
Transaktionen, wo ich automatisierte Handelssysteme ohne einen zentralen | |
Akteur habe, der über alle Transaktionen Buch führt und die Korrektheit | |
sicherstellt. | |
Zum Beispiel? | |
Etwa die Einspeisung von erneuerbaren Energien. | |
Das geht ja auch heute schon ohne Blockchain. | |
Ja, aber wir sprechen hier über Peer-to-peer-Handel. Also: Meine | |
Solaranlage erwirtschaftet einen Stromüberschuss und den verkaufe ich Ihnen | |
für Ihr Elektroauto. Wir kommen also ohne die zentrale Instanz – den | |
Netzbetreiber oder Energieversorger – aus. | |
Und das passiert dann automatisch? | |
Das wäre dann sogar der vierte Bereich, wenn unsere Geräte das | |
selbstständig miteinander aushandeln. Der reine Handel wäre dabei auch ohne | |
Blockchain möglich. Aber die Blockchain brauchen wir, wenn wir nachher | |
wissen wollen, welche Geräte da eigentlich was miteinander vereinbart | |
haben. Und fünfter Bereich: die Dokumentation und Verifikation von | |
Dokumenten. Zum Beispiel in der Entwicklungszusammenarbeit, bei | |
Ausbildungen oder Zeugnissen. Wenn also mein Ausbildungsnachweis so in der | |
Blockchain hinterlegt ist, dass ich, wenn ich migriere, nicht darauf | |
angewiesen bin, dass irgendeine Behörde mir ein Stück Papier ausstellt. | |
Dass mein Elektroauto und Ihre Solaranlage miteinander verhandeln, klingt | |
noch sehr nach Zukunftsmusik. Wann rechnen Sie mit tatsächlichen | |
Anwendungen? | |
Bevor unsere privaten Gegenstände das tun, wird es mit Sicherheit noch was | |
dauern. Aber das Prinzip sehen wir schon bei Industrieanlagen, die ihre | |
Wartung selbst bestellen. Die Maschine registriert, dass sie einen | |
Ölwechsel braucht, und bestellt diesen. Die Blockchain brauche ich, damit | |
hinterher alle Beteiligten – Fabrikinhaber und Service-Dienstleister – das | |
Gleiche dokumentiert haben. | |
Bei Lieferketten gibt es den Moment, wo eine Ware beispielsweise als | |
ökologisch zertifiziert werden muss. Dieses Zertifikat landet dann in der | |
Blockhain – auch wenn es möglicherweise gefälscht ist. Einen Schutz davor | |
bietet die Technik nicht. | |
Absolut. Das ist aber bei jeder Art der Dokumentation der Fall. Die | |
Blockchain kann etwa auch dokumentieren, dass der Sensor eines | |
Kühlcontainers alle zehn Minuten zuverlässig gemeldet hat: –10 Grad. Was | |
die Blockchain natürlich nicht sicherstellen kann: ob diese –10 Grad für | |
den gesamten Container gegolten haben oder ob der Sensor in einer | |
Kältekiste war und der Rest stand in der Sonne. Aber: die Digitalisierung | |
hilft da an anderer Stelle weiter, nämlich durch die Kombination von | |
Methoden und Datenanalysen. Man kann zusätzlich filmen oder Fotos | |
auswerten. Betrug wird dann immer schwieriger. | |
All das sind zusätzliche Anwendungen, die wieder Strom brauchen und | |
Elektroschrott produzieren … | |
Natürlich hat die Digitalisierung Umweltauswirkungen. Daher müssen wir sie | |
konsequent nachhaltig gestalten. Das beginnt bei den Lebenszyklen von | |
Smartphones und ist bei der ganzen datengetriebenen und damit | |
energieintensiven Plattformökonomie noch lange nicht zu Ende. Da gibt es | |
noch viele ungelöste Fragen. | |
Die digitalen Fabriken sind Schlüsselindustrien wie die Kohleminen und | |
Stahlwerke des 19. und die Chemieanlagen des 20. Jahrhunderts. Und wie wir | |
jedes Abwasserrohr der chemischen Industrie mit Sensoren ausstatten, müssen | |
wir auch die digitale Welt besser verstehen und vermessen. Aber klar ist: | |
Wir brauchen die Digitalisierung, um Klimaschutz und Nachhaltigkeit zu | |
erreichen. | |
Inwiefern? | |
Der Aufbau eines klimaschonenden und CO2-freien erneuerbaren Energiesystems | |
braucht Digitalisierung. Wenn wir Informationen über Kreislaufwirtschaft | |
über die gesamte Wertschöpfungskette mitführen und nutzen wollen, brauchen | |
wir Digitalisierung. Wenn wir Verkehrssysteme und vor allen Dingen im | |
Umweltverbund klimaschonende Alternativen zur Nutzung des privaten Pkw | |
organisieren wollen, brauchen wir Digitalisierung. | |
Das ist vielleicht das beste Beispiel: Nur durch Digitalisierung werden | |
Menschen mit ein paar Klicks eine Fahrkarte von Flensburg ins Allgäu buchen | |
können und das E-Bike in Oberstdorf gleich mit. Die reale Alternative ist: | |
Einsteigen und mit dem Auto die A 7 runter. Wir kriegen uns also, platt | |
gesagt, nur durch Digitalisierung aus unseren Autos raus. | |
6 May 2022 | |
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## AUTOREN | |
Svenja Bergt | |
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