# taz.de -- Kryptowährung als Zahlungsmittel: Bitcoins Vormarsch | |
> Die Zentralafrikanische Republik führt die Kryptowährung als offizielles | |
> Zahlungsmittel ein – wie schon El Salvador. Was steckt dahinter? | |
Bild: Gib mir Francs: Der Kurs der zentralafrikanischen Währung ist recht stab… | |
KAMPALA/OAXACA taz | „Wir freuen uns, zu den Pionieren der innovativsten | |
Technologie der Welt zu gehören, die einen Mehrwert für alle schafft“, | |
twitterte Zentralafrikas Präsident Faustin Touadéra kurz nachdem er das | |
Gesetz zur Einführung von Kryptowährungen unterzeichnete: „Für die Zukunft | |
künftiger Generationen!“ | |
Das Parlament in der Hauptstadt Bangui hat vergangene Woche einstimmig ein | |
Gesetz verabschiedet, das die Verwendung von Kryptowährungen als | |
gesetzliches Zahlungsmittel möglich macht. Die Regierung der | |
Zentralafrikanischen Republik will [1][Bitcoin] damit als offizielle | |
Währung einführen. | |
Das kleine, kriegsgeplagte Land mit seinen rund fünf Millionen ist das | |
erste in Afrika, das die Kryptowährung als gesetzliches Zahlungsmittel | |
zulässt – ausgerechnet das ärmste und am wenigsten entwickelte Land des | |
Kontinents. [2][Weltweit hat bislang nur El Salvador diesen Schritt | |
gewagt]. | |
Die Regierung erhofft sich davon viel. Laut Gourna Zacko, dem | |
zentralafrikanischen Wirtschaftsminister, wird das Gesetz es ermöglichen, | |
Geld deutlich einfacher zu senden und zu empfangen sowie in Fremdwährungen | |
zu tauschen. Zudem soll die Zahlung von Steuerbeiträgen in Kryptowährungen | |
möglich werden. Kritiker werfen nun die Frage auf, warum ein Land, in dem | |
nur elf Prozent der Bevölkerung Zugang zum Internet haben und lediglich 15 | |
Prozent der Menschen zu Hause über einen Anschluss ans Stromnetz verfügen, | |
eine solche Onlinewährung benötigt. | |
Drei Viertel der Bevölkerung leben unter der Armutsgrenze, können sich also | |
weder Smartphone noch Computer leisten, geschweige denn Bitcoins. „Es ist | |
wirklich wichtig, solche Dinge nicht als Allheilmittel für die | |
wirtschaftlichen Herausforderungen zu sehen, mit denen unsere Länder | |
konfrontiert sind“, warnte Abebe Aemro Selassie, Direktor der | |
Afrikaabteilung des Internationalen Währungsfonds (IWF). „Sie müssen | |
sicherstellen, dass der gesetzliche Rahmen in Bezug auf die Transparenz der | |
Finanzströme und der Governance-Rahmen rundherum solide sind.“ | |
Die Einführung der Kryptowährung als gesetzliches Zahlungsmittel bedeutet | |
für die Zentralafrikanische Republik, dass sich das Land aus der | |
gemeinsamen regionalen Währungsunion herauslösen könnte. Das Land nutzt wie | |
sechs weitere Staaten Westafrikas den CFA-Franc, der unter der | |
französischen Kolonialherrschaft eingeführt wurde und mit einem festen | |
Wechselkurs an den Euro gekoppelt ist. Damit ist er zwar relativ stabil, | |
doch die Hälfte der Währungsreserve ist in der Zentralbank in Paris | |
gebunkert. | |
Die Afrikaner werfen Frankreich vor, daraus hohe Renditen zu erzielen. „Das | |
ist ein großer Mittelfinger für das französische Wirtschaftssystem“, so | |
Chris Maurice, CEO der Kryptobörse Yellow Card Financial, die für den | |
Betrieb im CFA-Franc-Gebiet lizenziert ist. | |
## Wer profitiert? | |
Martin Ziguélé, ehemaliger Ministerpräsident und jetzt Abgeordneter der | |
Opposition warnt in einem offenen Brief, dass er „dieses Gesetz vor dem | |
Verfassungsrat angreifen“ werde. Er stellt die Frage: „Wer profitiert | |
davon?“ Die Kryptowährung würde Geldwäsche und kriminellen Aktivitäten die | |
Tür öffnen. | |
Analysten sehen hinter der Entscheidung den langen Arm des Kremls. Russland | |
unterhält seit 2016 enge Beziehungen zu Präsident Touadéra: Russische | |
Offiziere bilden die marode Armee aus, russische Söldner der privaten | |
Sicherheitsfirma Wagner stellen Touadéras Leibwächter. Russland investiert | |
in dem vom Bürgerkrieg zerstörten Land in Infrastrukturprojekte. Russische | |
Firmen haben Konzessionen zum Abbau von Diamanten und Gold erhalten, vor | |
allem im unsicheren Norden des Landes, wo es keine Banken gibt, um | |
Finanztransaktionen abzuwickeln. | |
Die Sankt Petersburger Firma M-Invest, die Tochtergesellschaften im Sudan | |
und der Zentralafrikanischen Republik gegründet hat, gehört laut Angaben | |
von US-Behörden dem russischen Oligarchen Jewgeni Prigoschin, einem engen | |
Vertrauten Putins und Hintermann hinter der Sicherheitsfirma Wagner, die in | |
Zentralafrika die Minen bewacht. Diese Firmen profitieren nun in Anbetracht | |
internationaler Wirtschaftssanktionen, darunter der Einstellung des | |
Banküberweisungssystems Swift gegenüber Russland, von der Kryptowährung. | |
Damit lassen sich die Sanktionen umgehen. | |
Russland gehört weltweit zu einem der führenden Länder im Gebrauch von | |
Kryptowährungen. Laut russischen Medien schickte Parlamentssprecher Sergei | |
Katyrin einen Brief an Ministerpräsident Michail Mischustin, in dem er | |
Vorschläge zur Ausweitung der Zusammenarbeit mit afrikanischen Ländern | |
skizzierte. | |
Auch andere afrikanische Länder spielen in Anbetracht hoher Inflation mit | |
dem Gedanken, auf die Kryptowährung zurückzugreifen, darunter Uganda und | |
Tansania, die enge Beziehungen zu Russland unterhalten. Die Kenianer sind | |
in Afrika bereits führend in der Nutzung von Bitcoin als Zahlungsmittel, | |
gefolgt von Nigerianern und Südafrikanern. Afrikas bevölkerungsreichstes | |
Land Nigeria hat vergangenen Oktober bereits eine Digitalwährung, eNaira, | |
herausgebracht, die allerdings an die Zentralbank geknüpft ist. | |
## Erfahrungen aus El Salvador | |
[3][Erfahrungen mit Bitcoin als gesetzliches Zahlungsmittel hat dagegen El | |
Salvador]. Als Anfang April die Bitcoin-Konferenz 2022 im US-amerikanischen | |
Miami stattfand, wollte El Salvadors Präsident Nayib Bukele eigentlich | |
persönlich anreisen. Zweifellos wäre der lateinamerikanische Staatschef als | |
großer Pionier gefeiert worden, nachdem sein Land als erstes weltweit die | |
Kryptowährung als offizielles Zahlungsmittel eingeführt hat. | |
Doch dann hinderten ihn „unvorhergesehene Umstände“ an seiner Teilnahme. | |
Bukele hatte gerade wegen tödlichen Gewaltakten den Ausnahmezustand | |
ausgerufen und macht Hetzjagden auf mutmaßliche Mitglieder von | |
Jugendbanden, die er als „Terroristen“ bezeichnet. | |
Dennoch setzte der Salvadorianer in Miami Zeichen. Er schickte einen | |
künstlichen Vulkan zu dem Mega-Event der Bitcoin-Szene und verwies damit | |
auf sein ambitioniertes Projekt: eine Stadt namens Bitcoin City, die am Fuß | |
eines Vulkans entstehen soll. Den Bau will er mit „Vulkan-Bonds“, | |
Bitcoin-Kredite in Milliardenhöhe, finanzieren. Es geht um eine steuerfreie | |
Zone für heimisches und internationales Kapital, die ohne den bislang | |
dominierenden US-Dollar auskommt. „Während die Welt in Tyrannei verfällt, | |
schaffen wir ein Refugium für die Freiheit“, twitterte er. | |
Doch die Erfolge, die Bukele im Zuge der Einführung des Bitcoins versprach, | |
sind fraglich. Die Währung werde Überweisungen von in die USA migrierten | |
Angehörigen billiger machen und Touristen sowie Investoren ins Land holen, | |
hieß es, als das Bitcoin-Gesetz am 7. September vergangenen Jahres in Kraft | |
trat. | |
Jeder Händler, der technisch dazu fähig ist, muss die Kryptowährung | |
akzeptieren, auch Steuern können damit bezahlt werden. Zudem ließ der | |
autoritär regierende Staatschef, der über eine Zustimmung von 80 Prozent | |
der Bevölkerung verfügt, die digitale Geldbörse Chivo Wallet einführen. Wer | |
die App herunterlud, bekam ein Startguthaben von 30 Dollar. Rund 200 | |
Geldautomaten sollten die Nutzung populärer machen. | |
## Kaum von Nutzen für die Bevölkerung | |
Doch trotz dieser Bemühungen wird die Währung sehr wenig genutzt. In einer | |
Umfrage der Universität UCA haben 70 Prozent der Befragten angegeben, kein | |
Vertrauen in Bitcoin zu haben. Der Industrie- und Handelskammer zufolge | |
haben 86 Prozent der kleineren und mittleren Betriebe die Währung nicht | |
genutzt. Für viele in El Salvador, wo ein Viertel der Bevölkerung in Armut | |
lebt, ist die Nutzung kaum realistisch. Das Tourismusministerium meldet | |
jedoch zwischen November und Dezember eine Steigerung der Besuche um 30 | |
Prozent. | |
Unabhängig von dieser Entwicklung wirft die neue Währung viele Fragen auf. | |
Schon jetzt ist El Salvador hoch verschuldet und verhandelt mit dem | |
Internationalen Währungsfonds über einen Kredit über 1,3 Milliarden | |
US-Dollar. Dennoch soll Bukele über 220 Millionen US-Dollar in Bitcoins | |
investiert haben, einen Teil davon zu einem Kaufpreis, der wesentlich höher | |
liegt als der jetzige Wert der Kryptowährung von etwa 38.500 US-Dollar. | |
Wegen der hohen Kursschwankungen sowie der Gefahr, dass durch Bitcoin | |
Gelder gewaschen oder Steuern hinterzogen werden forderte der IWF El | |
Salvador dazu auf, das Zahlungsmittel wieder einzustellen. | |
Für Bukele war diese Aufforderung eine Steilvorlage. „Alles klar, IWF, | |
netter Versuch“, schrieb er zynisch auf Twitter, seinem liebsten | |
Kommunikationskanal. Der Präsident nutzt jede Gelegenheit, um gegen | |
internationale Kritik, insbesondere aus Washington, zu polemisieren. Aber | |
auch aus anderen Gründen dürfte sich seine Regierung enthalten haben, als | |
es in der UNO darum ging, die russische Aggression in der Ukraine zu | |
verurteilen. Schließlich gelten Kryptowährungen als Möglichkeit, um | |
Sanktionen gegen Russland zu umgehen. | |
Bukeles Projekt könnte das neuen Wind verschaffen. „Wir sind bereit für die | |
Ausgabe von Bitcoin-Bonds und warten nun auf den geeigneten Moment“, | |
erklärte Finanzminister Alejandro Zelaya im März. Mittlerweile habe jedoch | |
der Ukraine-Krieg hohe Preisschwankungen hervorgerufen. Das verzögere die | |
Sache. | |
Trotz solcher Unsicherheiten und umstrittener Erfahrungen haben Bitcoin und | |
Co ihre Attraktivität für Staaten anscheinend nicht verloren. Vergangene | |
Woche hat das Parlament von Panama beschlossen, Kryptowährungen als | |
gesetzliches Zahlungsmittel zuzulassen. | |
4 May 2022 | |
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## AUTOREN | |
Simone Schlindwein | |
Wolf-Dieter Vogel | |
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