| # taz.de -- Energieverbrauch von Kryptowährungen: Kann Blockchain auch öko? | |
| > Bitcoin ist ein Stromfresser. Doch es gibt energiesparendere | |
| > Technologien. Ethereum, die zweitwichtigste Blockchain, wagt den Umstieg. | |
| Bild: In Argentinien sind Kryptowährungen sehr beliebt, hier eine Mining Farm … | |
| 1 Warum ist Bitcoin so ein Stromfresser? | |
| Kryptowährungen basieren in der Regel auf Blockchains. Blockchains machen | |
| Folgendes: Sie verketten Blöcke von Daten so, dass diese sich nachträglich | |
| nicht mehr verändern lassen. Im Fall von Kryptowährungen heißt das: Die | |
| Transaktionen sind manipulationssicher festgehalten. Bei staatlichen | |
| Währungen übernehmen zentrale Instanzen, also Banken, die Aufgabe der | |
| Manipulationssicherheit. Bei den dezentral angelegten Kryptowährungen gibt | |
| es diese Instanz aber bewusst nicht. Also muss die Manipulationssicherheit | |
| woanders herkommen. Bei Bitcoin und bislang auch bei der zweitgrößten | |
| Kryptowährung Ether mit ihrer Blockchain Ethereum müssen Computer dafür | |
| komplizierte Rechenrätsel lösen. Das verursacht einen extrem hohen | |
| Rechenaufwand – der gleichzeitig den Energiebedarf in die Höhe treibt. | |
| Proof of Work heißt dieser Konsensmechanismus. | |
| 2 Wie hoch ist der Verbrauch? | |
| Der Bitcoin Electricity Consumption Index des Cambridge Center für | |
| Alternative Finanzen schätzt den aktuellen Jahresverbrauch des | |
| Bitcoin-Netzwerks auf rund 94 Terawattstunden – mit einer prognostischen | |
| Spannbreite von 43 bis 166 Terawattstunden. Zum Vergleich: Schweden lag im | |
| vergangenen Jahr bei einem Verbrauch von rund 130 Terawattstunden. Bei | |
| Ethereum bewegen sich die Schätzungen zwischen knapp 22 und knapp 80 | |
| Terawattstunden pro Jahr. Die Unschärfe in den Verbrauchsprognosen liegt | |
| unter anderem daran, dass weltweit ganz unterschiedliche Rechner an den | |
| Prozessen beteiligt sind und der Stromverbrauch nicht zentral erfasst wird. | |
| Zudem haben zahlreiche Faktoren Auswirkungen auf die Entwicklung des | |
| Energieverbrauchs, unter anderem der Strompreis. Denn ein hoher Strompreis | |
| drückt die Rentabilität des Minings, also des Erzeugens von neuen | |
| Kettenblocks, bei dem die Rechenrätsel gelöst und etwa Bitcoins generiert | |
| werden. Und das Rechenrätsel-Konzept hat einen weiteren umweltschädlichen | |
| Effekt: Die dafür eingesetzten Rechner benötigen hochspezialisierte | |
| Hardware, die regelmäßig auf den neuesten Stand gebracht werden muss. | |
| 3 Haben alle Blockchains das Stromproblem? | |
| Nein. Neuere Blockchain-Generationen nutzen andere Wege des | |
| Manipulationsschutzes – ohne den exorbitanten Stromverbrauch. Eine der | |
| populäreren Alternativen ist der Konsensmechanismus Proof of Stake. Er | |
| arbeitet nicht mit komplizierten Rechenoperationen. Stattdessen sind ein | |
| Zufallsalgorithmus und der Anteil an der jeweiligen Kryptowährung die | |
| zentralen Parameter für den Manipulationsschutz. Stark vereinfacht | |
| dargestellt, gibt es dann eine Art Lotterie: Der Zufallsalgorithmus | |
| bestimmt, wer den nächsten Block der Blockchain erzeugen darf. Wer mehr | |
| Anteile hält, hat dementsprechend eine höhere Wahrscheinlichkeit, | |
| ausgewählt zu werden. Darum herum sind noch bestimmte Mechanismen | |
| eingebaut, die die Verlässlichkeit sicherstellen sollen. Sendet jemand | |
| beispielsweise ein falsches Ergebnis, wird sein Anteil gekürzt – bei der | |
| nächsten Lotterie-Runde sinkt damit die Wahrscheinlichkeit, dass das Los | |
| ihn auswählt. | |
| 4 Warum nutzt Bitcoin nicht einfach dieses stromsparende Verfahren? | |
| Bislang ist unklar, ob eine Umstellung überhaupt möglich ist. Die | |
| Greenpeace-Kampagne „Change the code not the climate“ (Den Code ändern, | |
| nicht das Klima) suggeriert das zwar. Aber es ist mindestens ziemlich | |
| kompliziert. Die Bundesnetzagentur [1][schreibt dazu in einem Report]: | |
| „Änderungen an der Blockchain-Architektur (…) sind bei öffentlichen | |
| Blockchains nur mit hohem Aufwand umzusetzen (…)“ Doch Ethereum steht nun | |
| vor dem Praxistest: Sie ist dabei, von stromintensiv auf stromsparend | |
| umzusteigen. | |
| 5 Was passiert bei Ethereum? | |
| Mit ihrer Kryptowährung Ether ist die Blockchain Ethereum in Sachen | |
| Marktkapitalisierung die Nummer zwei hinter Bitcoin. Doch während es bei | |
| Bitcoin vor allem um die Kryptowährung geht, hat sich die | |
| Ethereum-Blockchain bei Smart Contracts einen Namen gemacht. Das sind | |
| Verträge, die automatisiert abgeschlossen werden. So könnte beispielsweise | |
| eine Industrieanlage ein notwendiges Ersatzteil nachbestellen oder ein | |
| Elektroauto Strom der benachbarten Solaranlage einkaufen. | |
| Diese Transaktionen müssen manipulationssicher festgehalten werden, schon | |
| damit die Besitzer:innen sie später nachvollziehen können. Momentan | |
| geht es aber noch um profanere Transaktionen, etwa um digitale Inhalte wie | |
| Bilder oder Videos, die gehandelt werden. Ethereum ist nun dabei, von Proof | |
| of Work (stromintensiv) auf Proof of Stake (stromsparend) umzustellen. In | |
| der vergangenen Woche startete die Umstellung mit dem ersten [2][Update]. | |
| Den Abschluss erwarten die Entwickler:innen aktuell etwa am 15. | |
| September. | |
| 6 Wie viel Strom wird dann gespart werden? | |
| Alex de Vries, Wissenschaftler an der Vrije Universiteit Amsterdam und | |
| Betreiber des Portals Digiconomist, hält die aktuell zirkulierenden | |
| Schätzungen in Sachen Stromeinsparung für plausibel: Demnach wird der | |
| Stromverbrauch in der Größenordnung von 99 Prozent zurückgehen, wenn die | |
| Umstellung klappt. | |
| 7 Ließe sich dann auch Bitcoin umstellen? | |
| „Technisch ginge das absolut“, sagt de Vries. Dennoch rechnet er nicht | |
| damit, dass auch Bitcoin auf stromsparend wechselt. Denn: „Bei Ethereum gab | |
| es von Anfang an den Plan, auf Proof of Stake umzustellen – aber bei | |
| Bitcoin will das die Mehrheit der Community nicht.“ Die braucht es aber. | |
| Denn ohne zentrale Instanz, die eine entsprechende Änderung durchsetzen | |
| könnte, kommt es darauf an, wie sich die Mehrheit der Community verhält. | |
| „Und die hat in der Vergangenheit schon sinnvolle Veränderungen abgelehnt, | |
| etwa als es darum ging, die Zahl der möglichen Transaktionen pro Sekunde zu | |
| erhöhen.“ | |
| Auch Lennart Ante, Mitgründer des Blockchain Research Lab, ist skeptisch: | |
| „Eine der Grundideen von Bitcoin ist, dass jeder jederzeit an diesem | |
| Netzwerk teilnehmen kann.“ Mit Proof of Stake brauche es aber erst mal | |
| Anteile – die Zugänglichkeit sinke damit. Und es gebe einen weiteren | |
| Nachteil: Weil Proof of Stake für die Beteiligten Anreize setzt, viele | |
| Anteile zu halten, tendiere es mit der Zeit zur Zentralisierung – ein | |
| Widerspruch zum Konzept von dezentralen Kryptowährungen. Wie sich das bei | |
| Ethereum in der Praxis auswirkt, wird sich allerdings erst mit der Zeit | |
| zeigen. | |
| 8 Was kann noch schiefgehen bei der Umstellung? | |
| Einiges. „Wird das System weiterhin stabil laufen? Wird es überhaupt | |
| laufen? Wird es einen Split geben? Das werden wir erst hinterher wissen“, | |
| sagt de Vries. Ein Split, das könnte etwa sein, dass ein Teil der | |
| Ethereum-Community den Wechsel zum Proof of Stake nicht mittragen will – | |
| und weiterhin mit dem stromintensiven Rechenrätsel-Verfahren arbeitet. In | |
| der Vergangenheit hat es solche Splits schon gegeben, etwa als sich von | |
| Bitcoin die Subwährung Bitcoin Cash abspaltete. [3][Zwei Tage nach dem | |
| ersten Umstellungs-Update hatten sich immerhin bereits über 80 Prozent der | |
| Teilnehmer:innen dem neuen Mechanismus angeschlossen]. Auch sonst | |
| wurden bislang keine Probleme bekannt: Das erste Update klappte und die | |
| Umstellung scheint etwas schneller voranzugehen als ursprünglich vermutet. | |
| 9 Was unternimmt die Politik in Sachen Kryptowährungen und Emissionen? | |
| Dokumente, [4][die Netzpolitik.org im April veröffentlichte], zeigen, dass | |
| die Problematik innerhalb der EU diskutiert wird. Zur Debatte steht auch | |
| ein Verbot von Kryptowährungen, die die stromintensive Methode nutzen. | |
| Konsequenterweise würde allerdings ein Verbot des Mining nicht ausreichen. | |
| Das findet aufgrund vergleichsweise hoher Strompreise ohnehin nur zu | |
| einem geringen Teil in Europa statt. Ein Handelsverbot wäre allerdings | |
| gleich ein ziemlich starker Eingriff in den Markt und ist daher umstritten. | |
| Was es bislang ebenfalls nicht gibt: Regeln, die für neu aufgesetzte | |
| Blockchains stromsparende Mechanismen vorschreiben. | |
| 10 Sep 2022 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.bundesnetzagentur.de/DE/Fachthemen/Digitalisierung/Blockchain/L… | |
| [2] https://blog.ethereum.org/2022/08/24/mainnet-merge-announcement | |
| [3] https://ethernodes.org/merge | |
| [4] https://netzpolitik.org/2022/interne-dokumente-eu-tueftelt-an-bitcoin-verbo… | |
| ## AUTOREN | |
| Svenja Bergt | |
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