# taz.de -- Flucht nach Deutschland: Gegen Putin zu sein, lohnt sich | |
> Russ:innen, die in Deutschland Asyl beantragen, können als Geflüchtete | |
> anerkannt werden. Wer sich schon gegen Putin engagierte, hat es leichter. | |
Bild: Russ:innen erhalten derzeit im Vergleich zu Ukrainer:innen schwerer Asyl … | |
KARLSRUHE taz | Viele Russ:innen sind über die außen- und innenpolitische | |
Entwicklung geschockt und denken über Auswanderung und Flucht nach. | |
Fachleute schätzen laut FAZ, dass seit [1][Kriegsausbruch] bis zu 300.000 | |
Russen das Land verlassen haben. Viele reisen derzeit nach Georgien oder | |
Armenien aus, auch weil es keine Flüge nach Westeuropa oder in die USA mehr | |
gibt. Doch welche Perspektiven hätten russische Flüchtlinge, wenn sie sich | |
nach Deutschland durchschlagen? | |
Im Vergleich zu ukrainischen Flüchtlingen haben Russ:innen zunächst zwei | |
gravierende Nachteile. Schon vor dem Krieg war für Ukrainer:innen mit | |
einem biometrischen Reisepass die Einreise in die EU für 90 Tage ohne Visum | |
möglich, während Russ:innen sich erst aufwendig bei einer EU-Botschaft | |
ein Visum besorgen mussten. | |
Außerdem hat die EU Anfang März für ukrainische Flüchtlinge die [2][so | |
genannte Massenzustrom-Richtlinie aktiviert]. Flüchtlinge aus der Ukraine | |
können ohne Asylverfahren bis zu drei Jahre in der EU bleiben. Sie können | |
arbeiten und Sozialleistungen erhalten. Für Russ:innen gelten diese | |
Sonderregeln nicht. | |
Sie müssten in Deutschland individuell Asyl beantragen. Wer bisher schon in | |
Russland oppositionell tätig war, dürfte gute Chancen auf Asyl in | |
Deutschland haben. Das Gleiche dürfte für russische Journalist:innen | |
gelten, denen politische Verfolgung droht, wenn sie die Wahrheit über den | |
Krieg gegen die Ukraine berichten. Asylberechtigt sind auch russische | |
Soldat:innen, die sich nicht an einem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg | |
beteiligen wollen. | |
## Auch nachträgliches Engagement kann Asylgrund sein | |
Auch wer sich erst nach der Flucht in Deutschland gegen das Putin-Regime | |
engagiert, kann theoretisch Asyl erhalten. Er/sie muss laut Asylgesetz aber | |
nachweisen, dass dies „einer festen, bereits im Herkunftsland erkennbar | |
betätigten Überzeugung“ entspricht. | |
Viele Syrer:innen wurden in Deutschland als Flüchtling anerkannt, weil | |
sie bei einer Rückkehr nach Syrien Ärger schon wegen der Ausreise bekommen | |
könnten. Hier waren die deutschen Gerichte allerdings uneinig. Und für | |
Russland kommt eine derartige Argumentation ohnehin zu früh. Noch weiß | |
niemand, wie die russischen Sicherheitsbehörden auf Rückkehrer:innen | |
reagieren würden. | |
Nach der Dublin-III-Verordnung der EU ist für das Asylverfahren eigentlich | |
das Land des ersten Kontakts zuständig. Da ohne Visum keine Einreise per | |
Flugzeug möglich ist, müssten sich Russ:innen auf dem Landweg nach | |
Deutschland durchschlagen und kämen dabei vorher zum Beispiel durch Polen. | |
Deutschland kann jedoch ausdrücklich oder stillschweigend auf die | |
Dublin-Rückschiebung nach Polen verzichten. | |
## Mögliche Optionen | |
Deutschland könnte geflüchteten Russ:innen aber auch die Unwägbarkeiten | |
eines Asylverfahrens ersparen und ihnen generell oder bestimmten Gruppen | |
die humanitäre Aufnahme gewähren. Rechtsgrundlage wäre Paragraf 23 des | |
Aufenthaltsgesetzes. Solche Aufnahmeprogramme kann der Bund beschließen | |
oder einzelne Bundesländer, die aber die Zustimmung des Bundes benötigen. | |
Solche Programme können nicht eingeklagt werden, sondern werden politisch | |
beschlossen. | |
Einzelne Bundesländer können auch einen Abschiebestopp nach Russland | |
beschließen. Soll dieser länger als sechs Monate dauern, wäre aber wieder | |
die Zustimmung des Bundes erforderlich. Verantwortlich wäre das Haus von | |
[3][Bundesinnenministerin Nancy Faeser], SPD. | |
Erleichtert wurde in den letzten Jahren die Einwanderung von Fachkräften | |
und Hochschulabsolvent:innen. Diese können auch ohne die feste Zusage eines | |
Unternehmens zur Arbeitssuche nach Deutschland kommen. Für kurzfristig | |
fliehende Russ:innen dürfte dies aber keine Option sein. Erforderlich | |
sind in der Regel Deutschkenntnisse, die der angestrebten Tätigkeit | |
entsprechen. | |
13 Mar 2022 | |
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## AUTOREN | |
Christian Rath | |
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