| # taz.de -- Filmstart „Er ist wieder da“: Posieren für Hitler-Selfies | |
| > Der Spielfilm „Er ist wieder da“ von David Wnendt zeigt, dass es auch | |
| > heute nicht unproblematisch ist, über die Figur Hitler zu lachen. | |
| Bild: Franziska Wulf als Fräulein Krömeier und Oliver Masucci als Hitler. | |
| Darf man über Hitler lachen? Kaum ein Problem scheint das deutsche Kino in | |
| den vergangenen Jahren so zwanghaft zu beschäftigen wie die | |
| Humortauglichkeit Adolf Hitlers. Die Rhetorik dieser Frage ist | |
| durchschaubar, sie zielt ganz offensichtlich nicht auf Entlarvung denn auf | |
| eine sanfte Akklimatisierung ab. | |
| Das Konterfei Hitlers ist im aktuellen deutschen Geschichtskino ohnehin | |
| allgegenwärtig. Bruno Ganz, Helge Schneider, Armin Mueller-Stahl, Tobias | |
| Moretti, Martin Wuttke, Tom Schilling: Den „Führer“ zu spielen gilt unter | |
| (angehenden) deutschen Großschauspielern inzwischen als Königsdisziplin. | |
| Da ist es im Grunde fast schon egal, ob die Reizreaktion beim Publikum der | |
| (wohlige) Schauer oder das Lachen (das einem im Hals stecken bleibt; eine | |
| Floskel, die in diesem Zusammenhang gerne bemüht wird) ist. Das Programm | |
| des deutschen Geschichtskinos heißt Normalität. Die therapeutisch viel | |
| spannendere Frage, warum man hierzulande so vehement darauf insistiert, | |
| über Hitler endlich lachen zu können, hat bislang noch niemand gestellt. | |
| Dass ein entspanntes Lachen über Hitler vielleicht doch gar nicht so | |
| unproblematisch ist, wie es sich das deutsche Geschichtskino – und das | |
| Publikum, das es verdient – wünscht, demonstriert David Wnendt mit seiner | |
| Bestsellerverfilmung „Er ist wieder da“. | |
| Wnendt und seiner Autorin Mizzi Meyer dient die dünne Prämisse der Vorlage | |
| – Adolf Hitler kehrt aus heiterem Himmel in das Berlin der Gegenwart zurück | |
| – lediglich als Ausgangspunkt für eine erschütternde, letztlich aber wenig | |
| überraschende Standortbestimmung Deutschlands im Jahr 2015. | |
| Der Roman war ein bescheidenes Werk auf dem Reflexionsniveau eines mäßig | |
| intellektuellen Autors aus dem breiten Mittelbau des deutschen | |
| Literaturbetriebs, der sich darüber freuen kann, wenn Hitler vor einem | |
| Computer sitzt und sich darüber wundert, dass sein Wikipedia-Eintrag 1945 | |
| endet. | |
| Wnendts Film hält sich mit solchen Banalitäten nicht lange auf, obwohl auch | |
| er seinen Hitler zunächst als echten stooge einführt, der in der steifen | |
| Nordseebrise mit einem Regenschirm zu kämpfen hat und (mit Ansage!) einen | |
| elektrischen Zaun anfasst. Weniger lustig gemeint sind dagegen die | |
| Passagen, in denen der Film von der Vorlage abweicht und seinen | |
| Hauptdarsteller Oliver Masucci, einen Burgtheater-Granden von bulliger | |
| Statur, in Hitler-Kostümierung auf dessen Reise durch die Republik | |
| begleitet, um Reaktionen der Deutschen auf die imposante | |
| „Führer“-Erscheinung einzufangen. | |
| Da posieren deutsche WM-Touristen auf der Fanmeile für Hitler-Selfies und | |
| in einem Wirtshaus in „Dunkeldeutschland“ gewähren alte Männer hinter | |
| Bierkrügen bereitwillig Einblicke in ihr nationales Gefühlsleben. | |
| Bezeichnenderweise ist „Er ist wieder da“ ständig damit beschäftigt, diese | |
| reportagehafte „Borat“-Methode, die man partout nicht dokumentarisch nennen | |
| möchte, mit den Mitteln der Mediensatire einzufangen. Denn natürlich bleibt | |
| die Rückkehr Adolf Hitlers auch den Medien nicht verborgen. | |
| ## Ein große Geschichte | |
| Ein naiver Fernsehjournalist (Fabian Busch), der von seinem Redakteur | |
| (Christoph Maria Herbst) gerade gefeuert wurde, erkennt in dem | |
| vermeintlichen Hitler-Imitator eine große Geschichte, während die | |
| quotengeile Senderchefin (Katja Riemann als Eva-Braun-Projektion) für den | |
| „Komiker“, der endlich ausspricht, was so viele denken, eine Medienkampagne | |
| lanciert, die Hitler durch die Fernsehformate der üblichen Verdächtigen – | |
| von Plasberg bis „Circus Halligalli“ – treibt. | |
| Der Running Gag des Films besteht in der Performativität der Inszenierung. | |
| Während seine Gesprächspartner dankbar auf den vermeintlichen Prank | |
| einsteigen, kann Hitler unter dem Beifall des Publikums ohne eine Miene zu | |
| verziehen die größten Ungeheuerlichkeiten von sich geben. (Nur Judenwitze | |
| sind tabu, die dürfen sich seine Gagschreiber dafür beim „Brainstorming“ | |
| erzählen.) | |
| ## Jubelnde Deutsche | |
| Dietrich Brüggemann hat kürzlich mit „Heil“ etwas Ähnliches versucht, se… | |
| rechtspopulistischen Sprechakte aber noch einem Tor (einem afrodeutschen | |
| dazu) in den Mund gelegt. In „Er ist wieder da“ werden die Elemente der | |
| ‚Mockumentary’ dagegen ständig von Aufnahmen jubelnder Deutscher, die der | |
| Kamera beziehungsweise Hitler/Masucci den rechten Arm entgegenstrecken | |
| (einige zeigen ihm auch den Stinkefinger), erschüttert. | |
| Wnendt zieht keine nennenswerten Rückschlüsse über einen möglichen | |
| Zusammenhang zwischen der Hitler-Faszination des deutschen Kinos und der | |
| Sehnsucht vieler Pegida-Deutscher nach einem autoritären Staatslenker. Aber | |
| er formuliert ein latentes Unbehagen in Drehbuchsätzen, die in dem einen | |
| wie dem anderen Milieu durchaus auf Resonanz stoßen. „Dem Hitler können die | |
| Leute nicht lange böse sein.“ | |
| 8 Oct 2015 | |
| ## AUTOREN | |
| Andreas Busche | |
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