| # taz.de -- Film „Hirngespinster“ auf Arte: Kopf im Arsch | |
| > Christian Bach erzählt von einem Sohn, der sich von seinem | |
| > Verantwortungsgefühl emanzipieren muss. Brilliant ist vor allem die | |
| > Nebenrolle. | |
| Bild: Tobias Moretti spielt den Irren, der die Satellitenschüssel seiner Spie�… | |
| Hoffman in „Rainman“ usw. Die Darstellung eines Irren ist für | |
| Ausnahmeschauspieler jenseits des großen Teichs immer noch der direkteste | |
| Weg zum „Oscar“ (es sei denn, sie heißen DiCaprio – aber keine Regel ohne | |
| Ausnahme). Keine Frage also, dass einer wie Tobias Moretti, | |
| Ausnahmeschauspieler auf deutschsprachigen Bühnen und in hiesigen Filmen, | |
| da nicht lange gezögert haben kann – und die Aufgabe bravourös bewältigt. | |
| Die Aufgabe: der Irre, der einfach tut, was andere sich nur ausmalen; der | |
| nachts die Satellitenschüssel der Spießer-Nachbarn demoliert; der zwar | |
| nicht auf die Elektriker, aber auf deren Fahrzeug mit der Axt losgeht. Der | |
| sich ein sicheres Refugium in der Garage mit Goldfolie verhängt – ganz so, | |
| als habe Autor/Regisseur Christian Bach hier ein bisschen bei der famosen | |
| amerikanischen Serie „Better Call Saul“ abgekupfert. | |
| Hat er aber nicht, sein Film ist älter. Außerdem lässt er die auf der Hand | |
| liegende Frage stellen, ob es normales Silberpapier nicht auch täte. | |
| ## Bravourös irre | |
| Die Frage nach dem Filmzitat (als Hommage) stellt sich an anderer Stelle | |
| noch einmal. Da sagt das Mädchen nach der gemeinsam verbrachten Nacht zu | |
| dem Jungen: „Du kannst ruhig bleiben. – Is’ mit Frühstück.“ In Konrad… | |
| und Wolfgang Kohlhaases „Solo Sunny“ hatte Sunny ihren One-Night-Stand 1980 | |
| noch so beschieden: „Is’ ohne Frühstück. – Is’ auch ohne Diskussion.�… | |
| Wie gesagt, keine Frage, Moretti: bravourös irre. Auch und gerade weil er | |
| den Irren nicht apathisch, abwesend, sondern so klarsichtig, hellwach und | |
| instinktsicher spielt, dass zwar nicht die – nicht existente – innere Logik | |
| seines Verschwörungstheorienkonstrukts plausibel wird, wohl aber die daraus | |
| abgeleiteten Handlungen. Wenn man der eigenen Familie darauf kommt, dass | |
| sie einem heimlich Psychopharmaka ins Essen mischt, dann ist die | |
| Entscheidung, sich künftig aus auf dem Campingkocher in der Garage | |
| erhitzten Raviolikonserven zu ernähren nämlich das: logisch, plausibel. | |
| Das Besondere an „Hirngespinster“ ist aber, dass der preiswürdig | |
| (Bayerischer Filmpreis) den Irren gebende Ausnahmeschauspieler nur eine | |
| Nebenrolle besetzt. Der Film handelt nicht von dem Irren, sondern davon, | |
| wie seine Frau, sein Sohn, seine Tochter mit ihm leben – müssen. Vor allem | |
| geht es um die Perspektive des Sohns: „Ich heiße Simon Dallinger. Ich bin | |
| 23. Und ich lebe ich einem Irrenhaus.“ Das Irrenhaus ist ein wunderschönes | |
| Architektenhaus aus den 1960ern oder 1970ern, die Familie eine | |
| Architektendynastie. Die klare Sicht des irren Vaters kann auch mal brutal | |
| sein: „Du sitzt hier rum und kriegst seit Jahren den Kopf nicht aus dem | |
| Arsch und erzählst mir, dass ich krank bin?! In deinem Alter habe ich schon | |
| zwei Häuser gebaut.“ | |
| ## Emanzipationsgeschichte | |
| Ja, Simon sitzt da in seinem Zimmer und fertigt schöne Skizzen, aber an | |
| einer Uni hat er sich nie eingeschrieben. Er fühlt sich verantwortlich, | |
| meint, die Rolle des ausgefallenen Vaters übernehmen zu müssen. Simon wird | |
| gespielt von Jonas Nay („Homevideo“, „Tannbach“, „Deutschland 83“),… | |
| viele ebenfalls auf dem besten Weg zum Ausnahmeschauspieler wähnen. Oder | |
| auch schon am Ziel. Dabei ist seine darstellerische Bandbreite bislang | |
| begrenzt: Immer spielt er fotogen verlegene, einen Tick zu ungläubig | |
| staunende Typen, die was auch immer anstellen können, ohne dass ihnen | |
| dieses irgendwie gut erzogen Streberhafte dabei je abhanden kommen könnte. | |
| Die Rolle des Simon mit dem Kopf im Arsch passt Nay damit aber hervorragend | |
| (= Bayerischer Filmpreis auch für Nay). | |
| So erzählt Christian Bach in seinem ersten Spielfilm nach der Ausbildung an | |
| der HFF München auch und vor allem eine Emanzipationsgeschichte. Erzählt, | |
| wie fürsorglich und empathisch Simon seiner kleinen Schwester erklärt, was | |
| mit dem Vater los ist: „Er träumt, aber er schläft nicht. Er ist hellwach. | |
| All seine Träume sind für ihn dann echt.“ Wie er trotzdem nicht verstehen | |
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| aus?“ (Mutter: „Ich liebe ihn.“) Wie der Wegzug des Mädchens, das er lie… | |
| ihn zu einer Entscheidung zwingt. Wie er schließlich den Kopf aus dem … | |
| 3 Jun 2016 | |
| ## AUTOREN | |
| Jens Müller | |
| ## TAGS | |
| Fernsehfilm | |
| ARD | |
| Hitler | |
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