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# taz.de -- ARD-Film „Luis Trenker“: Butterbrot und Lügengeschichten
> In „Luis Trenker“ spielt Tobias Moretti den Geschichtenerzähler und
> Filmemacher als hemmungslosen Opportunisten.
Bild: Luis Trenker (Tobias Moretti) bei einer Spritztour in den Dolomiten.
Es müssen ja nicht gleich die Tagebücher von Adolf Hitler sein. Die Chuzpe
hatte ein anderer Riesenfilou, Superaufschneider erst ein paar Jahrzehnte
später. Aber auch nicht schlecht: die Tagebücher von Eva Braun, die Zeugnis
ablegt über ein Leben an des Führers Seite. Darüber, dass der private
Hitler seine Eva am liebsten in rehlederner Unterwäsche sah.
„Sowas hätte der Führer nie verlangt!“, sagt Hitlers Sekretärin in dem v…
Hitlers Filmemacherin (der Führer war neben allem eben doch auch ein
Ladies’ man) mit angestrengten Gerichtsverfahren aus. Wie auch sollte
ausgerechnet der Skilehrer, Orchesterleiter, Architekt, Kaffeehändler,
Buchautor, Schauspieler und Bergfilmer Luis Trenker an Eva Brauns Tagebuch
gekommen sein? „Sie hat’s mir bei einem hochgeheimen Treffen in einem Grand
Hotel in Kitzbühel gegeben und anvertraut. Kurz vor ihrem Tod!“
Historisch gilt es durchaus nicht als ausgemacht, dass Luis Trenker die von
ihm Ende der 1940er Jahre in die Welt gebrachten Tagebücher der Eva Braun
höchstselbst verfertigt hat. Denn nicht jeder begnadete Lügner ist schon
deshalb auch ein genialer Fälscher vom Schlage eines Konrad Kujau. Aber
andererseits gehört zu einer filmischen Räuberpistole à la „Schtonk“ auch
der Mythos vom Fälscher als D.I.Y.-Pionier, als hemdsärmelig
dahinschluderndem Handwerker.
## Butterbrot und Tabakkrümel
Also fängt der Film von Peter Probst (Buch) und Wolfgang Murnberger (Regie,
Wolf Haas-Verfilmungen), fängt seine Rahmenhandlung damit an, dass Trenker
die gerade geschriebenen Seiten zerknüllt und wieder glattstreicht und mit
den Mitteln, die gerade zur Hand sind – der Belag eines Butterbrotes und
Tabakkrümel aus der Pfeife – verziert, das heißt: optisch authentifiziert.
Alles für seinen großen Traum: „Einmal noch einen richtigen großen Film
machen. Was haben wir nicht alles für Filme gemacht! Über die Heimat, über
unsere Berge, den Kampf mit der Natur, über die Freiheit. Die haben mich
immer gerne gehabt in Hollywood. Da ist wegen der Zeitumstände damals
leider nichts draus geworden. Aber manchmal ist es ganz gut, wenn sich die
Zeiten ändern.“
Und er hat keinerlei Schwierigkeiten, sich mit den Zeiten zu ändern. Der
Tiroler Tobias Moretti (vor langer Zeit einmal Kommissar Rex’ Herrchen)
spielt den Südtiroler Luis Trenker als notorischen Optimisten, als
hemmungslosen Opportunisten, stets mit sich und der Welt, wie immer sie
gerade aussieht, im Reinen. Ertappt ihn seine Frau beim Seitensprung mit
der ewigen Hassliebe Leni Riefenstahl (Brigitte Hobmeier), deren
Filmkarriere er mit bereitet, die er öffentlich als „ölige Ziege“ geschm�…
hat: „Hilda. Du bist doch das Wichtigste für mich. – Aber du weißt genau,
dass ich sehr schlecht allein schlafen kann.“
## Der Geschichtenerzähler
So geht er auch mit den von seinem heimattümelnden Pathos entzückten Nazis
ins Bett, aber die von Joseph Goebbels (Arndt Schwering-Sohnrey)
eingeforderte Nibelungentreue ist Trenker so wesensfremd wie Goebbels die
Nachsicht Hildas. Treu bleibt er immer nur sich selbst. Der Berg ruft und
Luis Trenker erzählt. Geschichten. Lügengeschichten. Oder, wie er selbst es
nennt: „Geschichten, wo man nachher gut schlafen kann.“
Für den „Spiegel“ war Trenker 1954 der „Münchhausen der Berge“. Also
spendiert ihm der BR ab 1959 die Fernsehreihe „Luis Trenker erzählt“, in
der Luis Trenker erzählt, vom Skifahren, von der Heimat, von der „dunklen
Zeit“. Südtiroler Sonnenbräune trotz Schwarzweiß. Wer sich das (auf
YouTube) ein paar Minuten lang anguckt, begreift, wie genial sich Moretti
ihm anverwandelt hat. Wie klug die distanziert ironisierende Perspektive
des – von Trenker selbst aus dem Off erzählten – Films ist. Und wie
plausibel die im Film verhandelte These: Luis Trenker, der
Geschichtenerzähler.
Und wer will denn bei einer Geschichte, wenn sie nur gut erzählt ist, jedes
Wort auf die Goldwaage legen. (Am wenigsten Trenker selbst.) So scheitert
das Hitler-Hollywood-Projekt am Ende nicht etwa daran, dass die
Tagebuch-Fälschung auffliegt. Die Amerikaner haben andere Gründe für ihre
Absage: „Den Film haben wir schon, Mr. Trenker: ,The Great Dictator‘ von
Chaplin.“
18 Nov 2015
## AUTOREN
Jens Müller
## TAGS
ARD
Fernsehfilm
Niederlande
Kommunismus
Matthias Brandt
TV-Dokumentation
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