# taz.de -- Biopic „Steve Jobs“ über Apple-Gründer: Beim Reden und Gehen … | |
> Schlecht programmiert ist nur der Mann selbst: Der Spielfilm „Steve Jobs“ | |
> zeigt die menschlichen Defizite des Apple-Gründers. | |
Bild: In der Charakterstudie „Steve Jobs“ ist Michael Fassbender in der Tit… | |
Produktdesign ist bei Apple Maß aller Dinge. Steve Jobs’ Markenzeichen war | |
hingegen die Performance. In beiden Fällen geht es um Vermittlung. Das | |
Design stellt eine emotionale Bindung zwischen Produkt und Verbraucher her, | |
Jobs’ legendäre Keynotes, die von der Apple-Community wie Messen zelebriert | |
wurden, verwandelten die Verbraucher in eine Art moderne | |
Glaubensgemeinschaft. Sie sollten das Versprechen von Zugehörigkeit | |
einlösen. | |
Ein Film über Steve Jobs muss für dieses Problem der Vermittlung eine | |
Lösung anbieten, die weder dem Produkt- noch dem Personenkult aufsitzt und | |
gleichzeitig plausibel erklärt, wie ein Mensch, der seine Produkte als | |
soziale Werkzeuge verstand, privat ein egomanisches Arschloch sein konnte, | |
das seine Mitarbeiter vor dem versammelten Team erniedrigt und jahrelang | |
die Vaterschaft für die leibliche Tochter bestreitet. | |
Drehbuchautor Aaron Sorkin ist das vor fünf Jahren bereits mit Mark | |
Zuckerberg halbwegs gelungen. „Du bist kein Arschloch, Mark“, sagt am Ende | |
von Davind Finchers „The Social Network“ eine Anwältin zum | |
Facebook-Erfinder. „Du versuchst nur zu verbissen, eins zu sein.“ Womit | |
auch die Quintessenz von Danny Boyles Biopic „Steve Jobs“ umschrieben wäre. | |
Mustergültig ist „Steve Jobs“ – mehr noch als Finchers Facebook-Film –… | |
der Vermittlung einer hochgradig ambivalenten Biografie. Für das „Design“ | |
ist wieder Sorkin zuständig, dem seine neue Chronistenrolle im aktuellen | |
digitalen Paradigmenwechsel zu gefallen scheint. | |
Auch „Steve Jobs“ wirft letztlich die Frage auf, was die | |
Persönlichkeitsstruktur von Internetpionieren wie Zuckerberg oder Jobs über | |
die Prägung unseres digitalen Lifestyles verraten. Sorkins Drehbuch ist so | |
formvollendet und luftdicht, dass selbst ein zum visuellen Exzess neigender | |
Regisseur wie Boyle keine andere Wahl hat, als innerhalb der strengen | |
Vorgabe des Skripts seinen hyperbolischen Stil herunterzufahren. | |
Drei Stationen reichen Sorkin, um ein wenig schmeichelhaftes | |
Persönlichkeitsprofil von Jobs zu erstellen. An diesen Punkten kommen | |
Design und Performance auch auf kongeniale Weise zur Deckung, denn „Steve | |
Jobs“ dreht sich um drei Produktpräsentationen (auf 16 mm, 35 mm und in 4K | |
gefilmt, was jeder Ära einen charakteristischen Look verleiht). Woran sonst | |
sollte man Jobs, der sich in seinen Produkten verewigen wollte, messen, | |
wenn nicht am eigenen Werk? „The Man in the Machine“, so lautet auch der | |
Titel einer aktuellen Jobs-Dokumentation von Alex Gibney. | |
## Unlautere Motive | |
Drei Situationen also, drei einschneidende Ereignisse. 1984 die | |
Präsentation des ersten Macintosh-Computers, wenige Tage nach der | |
landesweiten Fernsehpremiere des berühmten Ridley-Scott-Werbespots „1984“. | |
1988 stellt Jobs, inzwischen vom Vorstand seiner eigenen Firma als CEO | |
gefeuert, die Workstation NeXTcube vor, mit der er den Geschäften von Apple | |
empfindlichen Schaden zufügen will. Sorkin spekuliert noch über andere | |
unlautere Motive, für die es aber keine Quellen gibt. 1998 schließlich ist | |
Jobs zu Apple zurückgekehrt und steht kurz vor der wegweisenden | |
Präsentation des iMac. | |
Der Rest ist bekannt: Dass iPod und iPhone kurz darauf auch Musikkonsum und | |
mobile Kommunikation nachhaltig verändern werden, schwingt in „Steve Jobs“ | |
nur als Prophezeiung mit – am deutlichsten in einem Interview mit dem | |
Science-Fiction-Autor Arthur C. Clarke aus den 60er Jahren. Gerade solche | |
Auslassungen und Verdichtungen erweisen sich als Sorkins Stärke. Selbst in | |
den Schlüsselmomenten interessieren ihn die Produkte und deren Präsentation | |
nur am Rande. | |
Die Charakterstudie ist bestimmt von der Steve-Jobs-Performance, und hier | |
haben Sorkin und Boyle in Michael Fassbender, unterstützt von einem | |
erstklassigen Ensemble mit Kate Winslet, Seth Rogen, Jeff Daniels und | |
Michael Stuhlbarg, eine treibende, immer wieder auch sagenhaft | |
kontrollierte Kraft gefunden. | |
## Dialog und Aktion | |
Fassbender hat den Rhythmus von Sorkins Drehbuch vollkommen verinnerlicht. | |
Anders als Ashton Kutcher im 2013er Biopic „Jobs“ geht es ihm nicht um | |
äußerliche Mimikry, sondern um ein Verhältnis von Dialog und Aktion. Hier | |
läuft auch Danny Boyle zu großer Form auf, der Sorkins markanten | |
Walk-and-talk-Routinen, die flüssig wie Plansequenzen anmuten, eine | |
atemlose Dynamik verleiht. | |
„Steve Jobs“ hat nichts mehr mit dem virtuosen Sprechtheater von Sorkins | |
präsidialer White-House-Soap „West Wing“ zu tun – vielmehr scheint es, a… | |
würden seine angespitzten Dialoge die Räume vermessen, die Boyle mit seiner | |
unermüdlichen Kamera erschließt. Steve Jobs wird gewissermaßen beim Reden | |
und Gehen durch die Kulissen seiner Selbstinszenierung entzaubert. Das ist | |
nicht zuletzt eine logistische Meisterleistung, die dabei so leichthändig | |
aussieht. | |
Die klassische Drei-Akt-Struktur besitzt eine psychologische Dimension, die | |
„Steve Jobs“ als Running Gag miterzählt. Unmittelbar vor seinen | |
Präsentationen wird Jobs in Streitgespräche – mit seinem ehemaligen | |
Geschäftspartner Steve Wozniak (Rogen), seiner Assistentin Joanna Hoffman | |
(Winslet) seiner Tochter – verwickelt, in denen seine eklatanten | |
menschlichen Defizite deutlich werden. | |
Das „Soziale“ ist für Jobs nur ein Konzept, sein persönliches Fazit | |
niederschmetternd. „Ich bin schlecht programmiert“, gesteht der Entwickler | |
am Ende seiner erwachsenen Tochter. In der Logik des Dramas fungiert dieser | |
Satz als Läuterung. Für die Marke Apple aber bedeutet die Erkenntnis | |
letztlich: Der Fehler ist systemimmanent. | |
13 Nov 2015 | |
## AUTOREN | |
Andreas Busche | |
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