| # taz.de -- Zum 40-jährigen Jubiläum von Apple: Die große Verführung | |
| > Vor 40 Jahren wurde Apple gegründet. Mittlerweile ist das Unternehmen das | |
| > wertvollste der Welt. Fünf Gedanken zum Geburtstag. | |
| Bild: Objekt der Begierde: ein Apfel. | |
| ## Die Apfelpest | |
| Alle Menschen, die Apple toll finden, sind dumm. Ich auch. Mitte der 90er | |
| Jahre war die Firma so gut wie weg vom Fenster, wie Amiga oder Atari. Dann | |
| kam Steve Jobs zurück, der Messias, und tat, was ein Messias tun muss: die | |
| Menschen versklaven und ihnen dabei das Gefühl von Freiheit und Wahrheit | |
| geben, die beruhigende Nestwärme einer Massenbewegung. | |
| Als 2001 der erste iPod kam, war die Werbekampagne eine Meisterleistung: | |
| die Städte weltweit vollgehängt mit den Schattenrissen tanzender Menschen | |
| vor einfarbigem Hintergrund, einen iPod in Händen haltend. | |
| Eine ganze Generation war gerade zu illegalen Fans mutiert, kopierte | |
| mp3-Songs auf ihre Festplatten und zerstörte das Geschäftsmodell der | |
| Plattenindustrie: immerblöde Popsongs in die Köpfe von Kids hämmern, bis | |
| sie ihr letztes Taschengeld in CDs investieren. Ich auch. | |
| Plötzlich kaufen die Kids diese Dinger von Apple, mit denen kopieren nicht | |
| mehr geht. Die Firma kapert das Lebensgefühl der digitalen Revolution und | |
| verscherbelt es an die Erfinder. Zur Belohnung glauben sechs Jahre später | |
| alle, Steve Jobs hätte auch noch den Finger erfunden, und kaufen wie | |
| bekloppt diese Wisch-Telefone. | |
| Dass die Firma alle ihr Produkte so strickt, dass sie alles kontrolliert, | |
| erfasst, jegliche Kreativität erstickt und die Idee freier und offener | |
| Software so zerstört wie heilige Bücher die Idee eines freien Lebens – | |
| interessiert niemanden. Happy Birthday, Lieblingsapfel. Wir feiern ja auch | |
| Weihnachten. INGO ARZT | |
| *** | |
| ## Rundum sorglos | |
| Mein erstes Laptop war von Aldi, das zweite von Apple. Seitdem ist es bei | |
| Apple geblieben. Bis auf die jahrelange Smartphone-Verweigerung – ich hing | |
| an meinem Nokia und dem Gefühl der zeitweiligen Unerreichbarkeit –, das ich | |
| schließlich aber überwand. | |
| Seitdem also die Bösen. Aber hey, diejenigen, die sich am meisten über den | |
| schlimmen Kapitalismus, die Amerikaner und ihre ausbeuterischen Firmen und | |
| das ganze Schlechte in der Welt aufregen, tun das ja besonders gern mit | |
| Wegwerfbecher im Starbucks sitzend, Macbook aufgeklappt, iPhone-Kopfhörer | |
| im Ohr. Da reißt es der Jutebeutel auch nicht mehr raus. Insofern... | |
| Ich mag Apple. Nicht, weil es schön ist oder weil es das ist, was man haben | |
| muss. Sondern weil es funktioniert. Es enttäuscht mich nicht, viel mehr | |
| erwarte ich von Technik nicht. Schön aussehen hilft, aber das ist noch nie | |
| die entscheidende Basis für eine langfristige Beziehung gewesen. | |
| Und wenn man dann doch mal enttäuscht wird, rettet einen der Apple-Laden. | |
| Es ist ein später Nachmittag in DC, zwei Texte müssen fertig werden, da | |
| gibt das Ladekabel vom Laptop auf – und mit ihm die emotionale Stabilität. | |
| In der Schlange im Laden werden die Kunden vor mir weggeschickt: keine | |
| Termine mehr, völlige Überlastung. Als ich an der Reihe bin, antworte ich | |
| auf die „How are you?“-Floskel ehrlich: Gar. Nicht. Gut. Damit können | |
| Amerikaner normalerweise nicht umgehen, aber der Verkäufer fängt sich | |
| erstaunlich schnell. | |
| Fünf Minuten später habe ich ein neues Kabel, bezahlen muss ich nichts. | |
| Vielleicht, weil sie Angst vor einem Nervenzusammenbruch in ihrem | |
| durchdesignten Laden hatten. Wahrscheinlich, weil dann einfach alles wieder | |
| funktioniert. RIEKE HARVERTZ | |
| *** | |
| ## Dann eben Cholera | |
| Smartphone-Kunde sein heißt, sich zwischen Pest und Cholera entscheiden zu | |
| müssen. Zwischen Apple und Google, iOS oder Android. Wem will man als Kunde | |
| alle seine Kommunikation, Kontakte und Standorte weniger widerwillig | |
| anvertrauen: dem Google-Konzern, der mit Daten über uns seine Künstlichen | |
| Intelligenzen nährt? Der aus unserem Smartphone-Verhalten Erkenntnisse über | |
| uns gewinnt, die er der Werbebranche verkloppt? | |
| Oder dem Apple-Konzern, der uns einsperrt in sein technisches Ökosystem, | |
| bevormundet und Arbeiter bei seinen Zulieferern in China für den Luxus von | |
| Design-Schnickschnack halb verrecken lässt? | |
| Monate gehen ins Land, in denen ich mich zwischen diesen beiden Höllen | |
| nicht entscheiden mag. In der Zwischenzeit hat weder Firefox sein mobiles | |
| Betriebssystem wiederbelebt noch hat jemand auf Linux-Basis eine wirklich | |
| ausgereifte und/oder benutzbare Alternative auf den Markt geworfen. | |
| Dann eben Apple. Liebe? Nein. Die Hardware ist überteuert – aber zumindest | |
| ist nicht Kern von Apples Geschäftsmodell, mit Hilfe von Nutzerdaten | |
| Profile zu bilden und zu verkloppen. Hoffnung, befeuert durch die | |
| PR-Offensive von Apple-Chef Tim Cook. Der bleibt Firmenjüngern zwar bislang | |
| echte Innovationen schuldig, präsentiert seine Firma aber zumindest etwas | |
| weniger eklig als Gründer Steve Jobs. | |
| Es war ein ganz schön großer Bahnhof, den Cook auffuhr, um sich dem FBI und | |
| deren Forderungen nach iPhone-Hintertürchen zu widersetzen. Natürlich: | |
| Symbolpolitik. Firmeninteressen dahinter. Aber zu Google kann man doch auch | |
| nicht wollen. Doof, das alles. Münze werfen? MEIKE LAAFF | |
| *** | |
| ## Apple II – der Wahnsinn! | |
| Wir waren ganz vorn, damals, im Jahr 1981. Wir lernten gleich Pascal und | |
| nicht mehr Basic, was laut dem Lehrer des allerersten Informatikkurses an | |
| unserem Gymnasium die bis dahin gebräuchliche Programmiersprache war. | |
| Basic war ja so was von 1980. Das nutzten die Freunde meines großen Bruders | |
| am Nachbargymnasium. Aber die speicherten ja auch alles noch auf | |
| Lochkarten. Wir hingegen hatten schon Floppy-Discs, die wir in laut | |
| knarzende Laufwerke steckten. Und wir hatten Apple. | |
| Genauer gesagt den Apple II, einen der ersten brauchbaren Homecomputer | |
| überhaupt. Den konnte man so programmieren, dass er eine einfache | |
| mathematische Formel nicht nur berechnen, sondern auch noch einen Plotter | |
| dazu bringen konnte, die dazugehörige Kurve auf Papier zu zeichnen. Punkt | |
| für Punkt. Für den Graph einer Parabelfunktion brauchte der Apple höchstens | |
| zehn Minuten. Wahnsinn. | |
| Noch besser für uns war aber, dass es für den Apple II schon Spiele gab. | |
| Stundenlang saßen wir nachmittags im Programmierraum der Schule und codeten | |
| Spielegrafiken, die zufällig genauso aussahen wie die irgendwo kopierten | |
| Spiele. Sagten wir zumindest dem Lehrer, falls er mal reinkam. Dem konnte | |
| man viel erzählen – hatte er sein Wissen doch nur aus Handbüchern. | |
| Den nächsten, meinen ersten eigene Apple hatte ich erst 25 Jahre später. | |
| Immerhin musste ich da nicht mehr so tun, als könnte ich Spiele | |
| programmieren. Meine Kenntnisse in Pascal würden dafür auch kaum reichen. | |
| GEREON ASMUTH | |
| *** | |
| ## Hände weg | |
| Blütenförmig. Fünf knuffige kleine Blätter, einer Allamanda cathartica, der | |
| Goldtrompete, nicht unähnlich. Und doch ohne Duft. Silber statt goldgelb. | |
| Und hart. Aus Metall. Groß wie der Kopf einer Schraube – man sollte meinen, | |
| es handle sich um eine –, aber der Schraubendreher mit seinem | |
| Kreuz-Schlitz-System, er passt nicht, das iPhone bleibt zu. | |
| Es gibt auf YouTube unzählige Videos, die davon berichten, welch | |
| abenteuerliche Selbstbasteleien den Spezialschraubendreher ersetzen | |
| könnten, um Apples Smartphone aufzukriegen. Umgebaute Aufsätze von | |
| Bohrmaschinen. Cutter. | |
| Und immer der dicke Hinweis: Überhaupt nicht zu empfehlen, kann zur | |
| endgültigen Zerstörung des Geräts führen. Ein frischer Akku, ein neues | |
| Logic Board, das zersprungene Display ersetzten – nur bei Fachleuten bitte. | |
| Hände weg. Wirklich. | |
| Wenn du es nicht öffnen kannst, gehört es dir nicht. Ganz genau. | |
| Das iPhone, auf ewig Apples. SVENJA BERGT | |
| 1 Apr 2016 | |
| ## TAGS | |
| Apple | |
| Jubiläum | |
| Steve Jobs | |
| Tim Cook | |
| Betriebssystem | |
| Werbung | |
| Technik | |
| Apple | |
| Schwerpunkt Überwachung | |
| Schwerpunkt Überwachung | |
| Apple | |
| Schwerpunkt Rassismus | |
| China | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Linux feiert Geburtstag: 30 Jahre Pinguine | |
| Der Kern von Linux steckt in den meisten Smartphones – doch das | |
| Betriebssystem wird unterschätzt. Das ist auch ein politisches Problem. | |
| Hans Wall über das Unternehmertum: „Millionär – ein hässliches Wort“ | |
| Der Unternehmer Hans Wall hat viel Geld mit Bushaltestellen, Klos und vor | |
| allem Werbung gemacht. Jetzt will er etwas zurückgeben. | |
| US-Regierung nutzt Uralt-Technik: Still loving Floppy-Discs | |
| Der amerikanische Rechnungshof moniert vollkommen veraltete Systeme der | |
| US-Regierung. Die Atomstreitkräfte nutzen noch Disketten. | |
| Kommentar Apple und das FBI: Verlierer überall | |
| Beim Konflikt um die Entschlüsselung eines iPhones geht es vor allem um | |
| Selbstbestimmung. Am Ende sind die Nutzer die größten Verlierer. | |
| Apples vom FBI geknacktes iPhone: Selbst gemacht | |
| Das FBI kann‘s auch ohne Apple. Sind jetzt Millionen Apple-Nutzer in | |
| Gefahr, ihre Smartphone-Geheimnisse zu verlieren? | |
| Kampf um Verschlüsselung: Eine seltsame Achse des Guten | |
| Apple weigert sich, ein iPhone zu knacken, und bekommt dafür Lob von | |
| Google. Will man sich allein auf solche Verteidiger der Privatsphäre | |
| verlassen? | |
| Biopic „Steve Jobs“ über Apple-Gründer: Beim Reden und Gehen entzaubert | |
| Schlecht programmiert ist nur der Mann selbst: Der Spielfilm „Steve Jobs“ | |
| zeigt die menschlichen Defizite des Apple-Gründers. | |
| Geschäft in Melbourne: Apple schmeißt Schwarze raus | |
| Ein Mitarbeiter verweist sechs Schüler aus einem Apple-Laden in Australien. | |
| Man habe Sorge, sie könnten stehlen. Der Konzern rudert nun zurück. | |
| Informationsfreiheit in China: Apple zensiert sich selbst | |
| Ist es vorauseilender Gehorsam oder weise Voraussicht? Der | |
| US-Elektronikhersteller Apple hat seine Nachrichten-App „News“ in China | |
| gesperrt. |