| # taz.de -- „My First Lady“ im Kino: Butterweicher Blick | |
| > Eine folgenreiche Romanze: Richard Tanne erzählt in seinem Spielfilm „My | |
| > First Lady“ vom ersten Date von Michelle und Barack Obama. | |
| Bild: Ein heißer Sommertag in Chicago: „My first lady“ | |
| „Das ist kein Date!“ Immer wieder betont Michelle Robinson, dass sie ihren | |
| neuen Kollegen in der Anwaltskanzlei nur platonisch trifft, schließlich ist | |
| sie eine emanzipierte Frau und zudem auch noch die Vorgesetzte des jungen, | |
| ziemlich schmucken und sehr selbstbewussten Manns. Barack Obama heißt er | |
| und wird 17 Jahre nach diesem Tag im Sommer 1989 zum ersten schwarzen | |
| Präsidenten der USA gewählt werden. | |
| Das Wissen um die Zukunft dieser beiden jungen Menschen macht Richard | |
| Tannes Spielfilm „My First Lady“ so ungewöhnlich und reiht diesen | |
| biografischen Film nahtlos in die hagiografische Verklärung ein, die Obama | |
| von Anfang an begleitete und die – trotz allem – offenbar noch anhält. | |
| Gerade in Deutschland, wo man eine psychologisch faszinierende Hassliebe zu | |
| den USA pflegt und die republikanischen Präsidenten von Nixon über Reagan | |
| bis hin zu Bush mit ebensolcher Inbrunst verachtet wie die demokratischen | |
| verklärt, von Kennedy über Clinton bis eben zu Obama, wollte man nur zu | |
| gern glauben, dass mit Obama alles anders werden würde. | |
| ## Eine Offenbarung | |
| Und klar, im Gegensatz zum stets überfordert wirkenden Bush junior war | |
| Obama eine Offenbarung: lässig, jung, redegewandt. Dass er auch noch das | |
| Richtige versprach, eine andere Politik ankündigte, machte es nur allzu | |
| leicht, zu ignorieren, dass der amerikanische Präsident zwar gern als | |
| mächtigster Mann der Welt bezeichnet wird, in Wirklichkeit aber in ein | |
| komplexes Geflecht aus Strukturen und Abhängigkeiten eingebunden ist. | |
| Dass ausgerechnet jetzt, ein paar Wochen vor der Wahl, bei der Obamas | |
| Nachfolger bestimmt wird, ein Film wie „My First Lady“ ins Kino kommt, der | |
| ein bemerkenswert verklärendes Bild von Obama und seiner zukünftigen Gattin | |
| entwirft, verblüfft. Erst recht, dass Regisseur und Drehbuchautor Richard | |
| Tanne ein Weißer ist, der im November 2008, bei Obamas Wahl, 23 Jahre alt | |
| war. | |
| Butterweich ist der Blick, den Tanne auf das legendäre erste Date der | |
| Obamas wirft, das sich tatsächlich weitgehend genauso zugetragen hat: ein | |
| heißer Sommertag in Chicago, ein Spaziergang im Park, der Besuch einer | |
| Ausstellung schwarzer Künstler, wobei besonders die flirrenden Bilder von | |
| Ernie Barnes das Paar begeistern, später eine Bürgerversammlung in einer | |
| Kirche, in der Obama sein Redetalent unter Beweis stellen darf, und zum | |
| Abschluss der Besuch von Spike Lees „Do the Right Thing“. | |
| ## Perspektive des Fans | |
| Dass von diesem wütenden Ghettodrama eine Szene gezeigt wird, in der ein | |
| korpulenter Schwarzer von zwei weißen Polizisten rüde gewürgt und zu Boden | |
| gerissen wird, spannt den Bogen in die Gegenwart Amerikas, in der | |
| Polizeigewalt gegen Schwarze trauriges Dauerthema ist. Als Kommentar über | |
| Erfolge und Scheitern der Obama-Präsidentschaft darf man solche und andere | |
| Momente aber kaum verstehen, dafür ist Tanne zu sehr Fan. | |
| Und ja, es ist fraglos auch grundsympathisch, zwei junge Menschen dabei zu | |
| beobachten, wie sie sich kennenlernen, Konflikte austragen, sich sanft | |
| triezen und im Laufe eines Tages die Basis für eine gemeinsame Zukunft | |
| legen. Zumal die beiden Hauptdarsteller Tika Sumpter als Michelle und | |
| besonders Parker Sawyer als Barack ihren Vorbildern wie aus dem Gesicht | |
| geschnitten sind. | |
| Wenn Sawyer da in typischer Obama-Manier, die linke Hand in der Tasche, mit | |
| der rechten bestimmend gestikulierend, durch den Park schreitet oder der | |
| Bürgerversammlung den Wert des Gemeinwesens erklärt, wird die Aura dieses | |
| begnadeten Redners unmittelbar spürbar. Dass er nicht alle in ihn gesetzten | |
| Hoffnungen erfüllen konnte, lag nicht zuletzt an der Verklärung durch seine | |
| Anhänger, die mit „My First Lady“ ein vorläufiges Ende findet. | |
| 15 Sep 2016 | |
| ## AUTOREN | |
| Michael Meyns | |
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