# taz.de -- Komödie „Elvis & Nixon“: Der Schnappschuss | |
> Die Regisseurin Liza Johnson rekonstruiert in „Elvis & Nixon“ mit viel | |
> Sinn fürs Absurde eine ungewöhnliche Begegnung im Weißen Haus. | |
Bild: Michael Shannon als Elvis mit US-Präsident Richard Nixon (Kevin Spacey) | |
Es soll das meistgesuchte Foto im US-amerikanischen Bundesarchiv sein: Ein | |
Schnappschuss von Richard Nixon und Elvis Presley, wie sie händeschüttelnd | |
im Oval Office stehen. Der Präsident präsidial lächelnd, der King in | |
Schlaghose und Rüschenhemd, keineswegs eingeschüchtert, einen der | |
mächtigsten Männer der Welt zu treffen, aber warum auch? Schließlich ist er | |
der King, weltweiter Superstar und ohne Frage beliebter als der schon | |
damals als „Tricky Dick“ bekannte Nixon, der ein paar Jahre später über d… | |
Watergate-Skandal stolpern wird. | |
Die Protagonisten, die sich an diesem 21. Dezember 1970 im Weißen Haus | |
trafen, wissen natürlich noch nichts von der zukünftigen Geschichte, als | |
Zuschauer von Liza Johnsons „Elvis & Nixon“ denkt man das Wissen um den | |
baldigen körperlichen Verfall Elvis Presleys und den moralischen Richard | |
Nixons stets mit, was die schier unglaubliche Geschichte, die hier erzählt | |
wird, zusätzlich absurd macht. | |
Die genauen Hintergründe sind zwar offen, nur wenige Fakten sind bekannt, | |
ungefähr so hat es sich jedoch zugetragen: Irgendwann, Mitte Dezember 1970, | |
schaut Elvis in Graceland Fernsehen, sieht in den Nachrichten Bilder aus | |
Vietnam, von der Bürgerrechtsbewegung, zunehmend aggressiven Protesten | |
gegen das Establishment, dazu Aufnahmen von langhaarigen Hippies im | |
Drogenrausch, Gewalt auf den Straßen, dem Verfall der Ordnung. Als | |
aufrechter Amerikaner – und Republikaner – will Elvis nicht einfach | |
zusehen, wie sein Land verfällt, sondern aktiv helfen. | |
Und so schreibt er einen Brief an den Präsidenten, gibt ihn persönlich am | |
Weißen Haus ab und wartet auf einen Anruf Richard Nixons. Dieser soll ihn | |
zu einem Sonderagenten des FBI ernennen, damit Elvis als Undercover-Agent | |
für die Regierung arbeiten kann. | |
Die Vorstellung, dass einer der bekanntesten, meistfotografierten Menschen | |
aller Zeiten als Undercover-Agent durchgeht, ist so absurd, dass sich eine | |
Satire praktisch von selbst schreibt. Allzu leicht wäre es nun gewesen, | |
sich über Elvis und besonders Nixon lustig zu machen, doch | |
dankenswerterweise wählen Johnson und ihre beiden brillanten | |
Hauptdarsteller Michael Shannon und Kevin Spacey einen anderen Weg: Auf dem | |
schmalen Grad zwischen Hommage und Parodie balancieren die Mimen, ahmen die | |
Manierismen ihrer Figuren zwar perfekt nach, verleihen ihnen jedoch trotz | |
der Absurdität der Situation Würde. | |
## Das Hemd stets bis zum Bauchnabel offen | |
Besonders Shannon hat sichtlich Spaß daran, den auf seiner eigenen Wolke | |
schwebenden Elvis zu verkörpern. In jeder Situation overdressed, das Hemd | |
stets bis zum Bauchnabel offen (im Weißen Haus bleibt er zumindest etwas | |
zugeknöpfter), protzige Ringe, Ketten, Gürtelschnallen tragend, die Haare | |
mit Unmengen Hairspray toupiert: Eigentlich ist dieser Typ eine Witzfigur, | |
doch Shannon gelingt es, den Menschen hinter der Fassade anzudeuten, der | |
mit sich und seiner öffentlichen Persona kämpft. | |
Ein, zwei Szenen, in denen Elvis über seine wahren Freunde grübelt, über | |
den Unterschied zwischen Menschen, die ihn umgarnen, weil er Elvis ist, und | |
solchen, die ihn wirklich mögen, wirken zwar ein wenig aufgesetzt, passen | |
aber in das erzählerische Konstrukt. Das ohnehin eher bescheiden angelegt | |
ist und nur dank einiger eher unnötiger Nebenhandlungen auf abendfüllende | |
Länge kommt. | |
So flamboyant ihre Hauptdarsteller agieren, inhaltlich beschränkt sich Liza | |
Johnson auf ein reduziertes Dokudrama, verzichtet auch darauf, Linien in | |
die Gegenwart zu ziehen. War der Besuch eines populären Künstlers in den | |
höchsten Sphären der Macht 1970 noch ungewöhnlich, ist das Weiße Haus | |
heutzutage alles andere als ein Refugium: Von Beyoncé über George Lucas | |
oder Tiger Woods bis Bob Dylan reicht die Gästeliste von Barack Obamas acht | |
Jahren im Amt. Da darf man gespannt sein, welchen Film- oder Rockstar | |
Donald Trump als Erstes im Weißen Haus begrüßen wird. | |
8 Dec 2016 | |
## AUTOREN | |
Michael Meyns | |
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