Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Smartphone-Komödie „Blackberry“ im Kino: Und die Welt ward ein…
> Nerds erobern den Mobiltelefonmarkt, für kurze Zeit. Matt Johnsons
> Komödie „Blackberry“ über die wechselhafte Geschichte des ersten
> Smartphones.
Bild: Blackberry war Smartphone-Marktführer, in einer Zeit vor der Dominanz de…
Der traurigste Satz kommt ganz am Schluss: „Zu seinen Hoch-Zeiten
kontrollierte Blackberry 45 Prozent des Markts für Mobiltelefone. Heute
sind es 0 Prozent.“ [1][Matt Johnsons „Blackberry“] müsste folglich ein
Film über ein Scheitern sein, oder zumindest eine „Aufstieg und
Fall“-Geschichte schildern. Stattdessen, vielleicht weil es um ein
kanadisches Unternehmen und eben nicht um ein US-amerikanisches geht, ist
es ein Film geworden, der vor allem vom Hadern erzählt, vom erbitterten
Clinch mit Dingen, mit Umständen, mit Menschen, die enttäuschen und von
denen man sich betrogen fühlt.
Dieses Hadern kann oft sehr komisch sein. In einer der ersten Szenen sieht
man Mike (Jay Baruchel) und Doug (Regisseur Matt Johnson selbst) auf einem
Unternehmensparkplatz ihr Zeugs auspacken. Man schreibt das Jahr 1992, und
die beiden Gründer eines Start-ups namens „Research in Motion“ sind
unterwegs zu einem Meeting, um neue Investoren für ihre Idee eines
„Telefons mit Computerfunktion“ zu gewinnen.
Mike Lazaridis ist der geniale Bastler-Ingenieur, wie man an seiner
Zerstreutheit und Sozialphobie erkennt, die einzig von der plötzlichen
Konzentration unterbrochen wird, mit der er das surrende Modem im
Konferenzraum erst zerlegt und dann, vom störenden Geräusch befreit, wieder
zusammenschraubt. Doug Fregin ist der Voll-Nerd mit Stirnband,
Star-Wars-Zitaten und Bro-Energy, ständig dabei, den entscheidungsschwachen
Mike anzutreiben und positiv zu bestärken. Zusammen sind sie ein echtes
Clowns-Duo, wie sie da über ihre eigene Staffelei zur Präsentation
stolpern.
Während des Meetings mit Jim Balsillie (Glenn Howerton) liest Mike seine
kleine Rede von Karteikarten ab: „Unser High-School-Lehrer, Herr
Mischinsky, hat gesagt: ‚Der Mann, der einen Computer in ein Telefon
einbaut, wird die Welt verändern.‘“ Es sind weise Worte, die sich als
hochironisch entpuppen werden. Erstens weil die Erfindung des Smartphones
zwar tatsächlich die Welt verändern wird – wir sind Zeuge –, aber den Ruhm
dafür nicht Lazaridis, sondern jemand anders einheimsen wird. Und zweitens
weil derjenige, dessen Interesse hier geweckt werden soll, gar nicht
zuhört.
Manager Jim Balsillie, der Mikes Pitch abnehmen soll, nämlich ist völlig
abgelenkt von anderen Intrigen, die um ihn herum vorgehen. Sein Ehrgeiz
wird ihn am Ende dieses Tages den Job kosten, und da sitzt er nun, hungrig
nach Geschäftserfolg, abends zum letzten Mal in seinem Büro, und nur dem
Ungeschick von Doug, der die Staffelei mit der Präsentation bei ihm hat
stehen lassen, ist es zu verdanken, dass Balsillie und „Research in Motion“
doch noch zusammenkommen. Der Erfolg einer marktdominierenden Erfindung,
geboren im „meet cute“ von Verzweiflung mit Vergesslichkeit.
## Verve einer Screwballcomedy
Johnson liebt es, die Zufälligkeit seiner Unternehmensgeschichte
hervorzuheben, indem er staubtrockene Konferenzen und
Unternehmensversammlungen mit der Verve einer Screwballcomedy inszeniert.
Immer passieren Dinge parallel im Rhythmus von „Tür auf“ und „Tür zu“…
im letzten Moment.
Als Balsillie, der ein aalglatter Manager-Verkäufer ist, aber von Technik
keine Ahnung hat, das erste Blackberry-Modell an den US-amerikanischen
Kommunikationskonzern Verizon verkaufen will, wird er förmlich aus der Tür
gelacht.
Aber bevor sie ganz zugeht, ruft Mike, dem Jim das Reden verboten hatte,
seinen Tech-Pitch durch den Türspalt. Und siehe da, die Tür geht wieder
auf, Mike darf an das Flipchart malen, und unter den Anwesenden bricht
Goldgräberstimmung aus.
Auf die Darstellung dieser Hochphase, in der Blackberry – auch das eine
Zufallsbenennung, glaubt man dem Film – zum Synonym des ersten Smartphones
wurde, verwendet Johnson nur wenig Zeit. Zwar wird aus der „Research in
Motion“-Baracke in Waterloo, Ontario, ein prächtiges Firmengebäude mit
Glas-Metall-Lobby, aber die Unternehmenskultur als solche bleibt beim
Zeitsprung ins Jahr 2003 noch mehr oder weniger dieselbe: Die Belegschaft
der Nerds und Tech-Bros kichert über Fundstücke im Internet und kommt
wöchentlich zur „Movie Night“ zusammen, bei der die Dialoge von „Indiana
Jones“ laut mitgesprochen werden.
## Das iPhone als Untergang des Blackberry
Das muss sich ändern, als die Bewältigung diverser Krisen ansteht. Und
wieder zeigt Johnson die nötige Professionalisierung als eine Art
Pennäler-Farce: Damit die Jungs, die ihren Job als Spiel betreiben, sich
endlich sputen, engagiert Balsillie mit Charles Purdy (Michael Ironside)
einen Antreiber, der sich in bulliger Gestalt wie ein Hai durch den Betrieb
bewegt und so bedrohlich wirkt, dass plötzlich in Ruhe gearbeitet wird.
Dass [2][Steve Jobs] 2007 dann mit der Ankündigung des iPhones auch den
Untergang des Blackberry einläutet, kann allerdings auch Purdy nicht
verhindern. Den Abschluss der Blackberry-Unternehmensgeschichte bildet
schließlich ein wütend auf seine Smartphone-Modelle einschlagender Mike
Lazaridis beim Hadern: „Ich war es, der diesen ganzen Markt begründet hat!“
Ein bisschen hadert man am Ende dann auch mit diesem Film. Nicht, weil er
enttäuscht – es gibt, wie gesagt, viel zu lachen –, sondern weil er den
Blick dafür öffnet, wie viel mehr in dieser Geschichte drinsteckt. Vom
Wandel der Unternehmenskultur durch das Zusammenstoßen von lockeren
Tech-Bros und windigen Managern über den unheimlichen Fortschritt der
Digitalisierung bis hin zum ganz großen Thema, der Veränderung der Welt.
Am Anfang des Films sah man Arthur C. Clarkes berühmte Vorhersage aus dem
Jahr 1964, in der er „remote work“ und den damit zusammenhängenden Tod der
Städte ankündigte: „Men will no longer commute, they will communicate“.
„Blackberry“ ist in diesem Erzählbogen in der Tat nur noch das „Smartpho…
das man hatte, bevor man sich ein iPhone kaufte“.
7 Dec 2023
## LINKS
[1] /Kanadische-Tueftlerlegende/!5913856
[2] /Biopic-Steve-Jobs-ueber-Apple-Gruender/!5247898
## AUTOREN
Barbara Schweizerhof
## TAGS
Spielfilm
Komödie
Smartphone
Kanada
iPhone
Schwerpunkt Berlinale
Apple
## ARTIKEL ZUM THEMA
Biopic „Steve Jobs“ über Apple-Gründer: Beim Reden und Gehen entzaubert
Schlecht programmiert ist nur der Mann selbst: Der Spielfilm „Steve Jobs“
zeigt die menschlichen Defizite des Apple-Gründers.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.