# taz.de -- Feminismus in der Katholischen Kirche: Die Störer:innen | |
> Weg mit dem Pflichtzölibat, rein mit Frauen in Führungsjobs der | |
> katholischen Kirche. Die Bewegung Maria 2.0 will die Strukturen | |
> aufbrechen. Eine Bilanz. | |
Bild: „Maria 2.0“-Aktivistinnen Tanja Daubner (l) und Renate Spanning am 21… | |
Ein paar Frauen einer römisch-katholischen Kirchengemeinde in Münster | |
treffen sich regelmäßig zu einem Lesekreis, bei dem sie das erste | |
apostolische Schreiben von Papst Franziskus genau unter die Lupe nehmen. | |
Aber bei einem ihrer Treffen Anfang 2019 sprechen sie über aktuelle | |
Geschehnisse rund um ihre Kirche. | |
Den Umgang mit den vielen [1][Missbrauchsfällen] beispielsweise. Und sie | |
sprechen darüber, wie es ihnen selbst damit geht, dass die Amtskirche sich | |
zu Themen wie diesem so verhält, wie sie es eben tut. | |
Die Wut ist groß, die Vertuschungen können und wollen sie nicht mehr | |
akzeptieren. Und sie wollen es nicht mehr hinnehmen, so wenig bei diesen | |
Vorgängen mitreden zu können, nicht mitbestimmen zu können, wie sich die | |
Institution, der sie sich zugehörig fühlen, verhält. | |
In ihrer gemeinsamen Wut, Trauer und Empörung an jenem Abend Anfang 2019 | |
legen sie den Grundstein für [2][die Bewegung Maria 2.0.] | |
## Ernüchternde Begegnung | |
Ein paar Monate später rufen sie Frauen dazu auf, Anfang Mai für eine Woche | |
keine römisch-katholische Kirche zu betreten – nicht zum Gottesdienst, | |
nicht für eine Chorprobe, nicht zum Dekorieren oder zu anderen | |
ehrenamtlichen Dienstleistungen. Stattdessen [3][feiern die Frauen] draußen | |
vor ihrer Kirche Gottesdienst – Maria 2.0 erblickt in dieser Woche im Mai | |
2019 das Licht der Welt – vor fast genau zwei Jahren. | |
Seitdem ist viel passiert: Der offene Brief an Papst Franziskus, in dem die | |
Gruppe ihre Reformvorschläge geschrieben hatte, bekam on- und offline über | |
42.000 Unterschriften. Frauen von Maria 2.0 durften das Schreiben dem | |
Nuntius, dem Vertreter des Papstes in Deutschland, übergeben. Die Begegnung | |
war sehr ernüchternd, sagt Monika Schmelter, eines der Urgesteine der | |
Bewegung. Eine Antwort vom Papst kam bislang auch nicht, Schmelter | |
bezweifelt, dass er den Brief überhaupt jemals zu lesen bekommen hat. | |
Dieses Jahr folgte im Februar die medienwirksame Aktion „Neuer | |
Thesenanschlag nach 500 Jahren“: An Dom- und Kirchentüren in ganz | |
Deutschland sollten die sieben von Maria 2.0 ausgearbeiteten Thesen gehängt | |
werden. In den Thesen fordert die Gruppe nicht nur Gleichberechtigung und | |
eine gute Aufarbeitung und Übergabe der Missbrauchsfälle an weltliche | |
Gerichte, sondern auch ein anderes Umgehen der römisch-katholischen Kirche | |
mit ihren finanziellen und materiellen Ressourcen. | |
Die Thesenpapiere konnten von jeder und jedem ausgedruckt und einfach an | |
den Türen angebracht werden. Letztendlich hingen dann am 20. und 21. | |
Februar in 22 der insgesamt 27 Bistümer in Deutschland die Thesenpapiere an | |
den Domtüren und zusätzlich noch an über 1.000 weiteren Kirchengebäuden in | |
ganz Deutschland. Die Aktion wurde medial sehr hochgespielt, was wohl auch | |
daran lag, dass die Menschen, die die Papiere an den Türen angebracht | |
hatten, Fotos davon machten und diese in den sozialen Netzwerken posteten. | |
Es entstanden riesige Fotostrecken, die oft nur diese Momentaufnahme | |
zeigen, denn häufig wurden die Thesenpapiere kurz darauf wieder abgenommen. | |
## Sie wollen weiter stören | |
Inzwischen ist Maria 2.0 längst keine kleine Gruppe von Frauen in einer | |
einzigen Kirchengemeinde mehr. Aktionen wie der offene Brief an den Papst | |
oder der Thesenanschlag haben der Bewegung viele Anhänger*innen | |
verschafft, es gibt mittlerweile Ortsgruppen von Anhänger*innen | |
bundesweit. „Ganz am Anfang waren es ja wirklich nur silver ages“, erinnert | |
sich Schmelter und meint damit Frauen in ihrem Alter, um die 60, die sich | |
seit Jahrzehnten in den bestehenden kirchlichen Strukturen engagieren, | |
meist ehrenamtlich. Einmal im Monat sprechen sich die Frauen – und die | |
wenigen Männer – in einem Zoom-Call ab, rund 60 Personen sind dabei. | |
Aber die Forderungen und Aktionen von Maria 2.0 haben nicht nur positive | |
Reaktionen hervorgerufen. Auch eine Gegenbewegung, die sich Maria 1.0 | |
nennt, ist entstanden. „Maria braucht kein Update“ ist ihr Motto. Und damit | |
meinen sie eigentlich: Die Kirche braucht kein Update. Denn ginge es nach | |
den gut 3.000 Maria-1.0-Anhänger*innen, bleibt die römisch-katholische | |
Kirche genauso, wie sie jetzt ist, inklusive Pflichtzölibat, rigider | |
Sexualmoral und Machtstrukturen. Die Gruppe positioniert sich auch klar zu | |
den Priestern, die dem vatikanischen Segnungsverbot für homosexuelle Paare | |
trotzen: Diese Priester würden sich bereits durch die Tat der Segnung | |
selbst exkommunizieren, heißt es dort. | |
Gruppierungen wie diese und die wenig konstruktiven Reaktionen vonseiten | |
der Kirchenleitung sind es wohl, die den Großteil der Maria 2.0 eher nicht | |
hoffen lassen, dass sie die von ihnen geforderten Reformen noch erleben | |
werden. „Aber wir wollen einfach weiter stören“, sagt Schmelter. „Denn d… | |
kirchliche Lehre entspricht nicht dem, was Jesus gelehrt hat.“ | |
Warum sie denn dann nicht dieser Kirche den Rücken zukehren und austreten – | |
das wurden die Frauen von Maria 2.0 seit ihrer ersten Aktion wohl oft | |
gefragt. Und teilweise sind Gründungsmitglieder mittlerweile auch | |
ausgetreten. Aber das sei ein langer Prozess des Mit-sich-Ringens, erzählen | |
diese immer wieder in Gesprächen. Ihrem Engagement für Maria 2.0 stehe | |
diese Entscheidung nicht im Wege. | |
## Weltweite Vernetzung | |
Auch mit anderen kirchlichen Verbänden sind die Maria-2.0-Frauen teilweise | |
eng vernetzt, mit den zwei katholischen Frauenverbänden, aber auch mit | |
einigen der Jugendverbände und queeren Netzwerken innerhalb der | |
römisch-katholischen Kirche. Mit einzelnen Mitgliedern des Zentralkomitees | |
der deutschen Katholiken wie Claudia Lücking-Michel ist man oft in Kontakt | |
und tauscht sich über den synodalen Weg aus. Maria 2.0 war auch eingeladen, | |
hat dies aber abgelehnt. „Auch dort können keine echten Reformen | |
durchkommen“, davon ist Monika Schmelter überzeugt. Die nötigen Mehrheiten | |
dürften bei Abstimmungen aufgrund der Zusammensetzung des synodalen Wegs | |
mit der hohen Anzahl an Geistlichen nie zustande kommen. | |
Als Maria 2.0 noch am Anfang stand, wurde gefragt, was eine deutsche | |
innerkirchliche Bewegung überhaupt für die große Weltkirche verändern | |
könne. Heute ist Maria 2.0 als innerkirchliche Frauenbewegung längst nicht | |
mehr allein auf der Welt: Im Catholic Women’s Council kommen | |
Organisationen, Initiativen und Bewegungen wie Maria 2.0 aus allen | |
Kontinenten zusammen. Sie alle setzen sich für die Gleichberechtigung der | |
Geschlechter in der Kirche ein. Als erste große Aktion ist für März 2022 | |
eine medienwirksame Pilgeraktion zum Vatikan geplant. | |
Getragen wird der Catholic Women’s Council (CWC) von der Fidel Götz | |
Foundation unter Leitung von Chantal Götz. Die Stiftung hat bereits die | |
Initiative „Voices of Faith“ mit aufgebaut, die ebenfalls dafür arbeitet, | |
Frauen in der römisch-katholischen Kirche in Entscheidungspositionen zu | |
bringen. Die Arbeit der Stiftung mit diesen beiden Initiativen könnte | |
letztendlich dafür sorgen, dass Bewegungen wie Maria 2.0 in den | |
verschiedenen Ländern der lange Atem nicht ausgeht. Den braucht es aber, um | |
den Strukturen der römisch-katholischen Institution nachhaltig etwas | |
entgegensetzen zu können. | |
14 May 2021 | |
## LINKS | |
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## AUTOREN | |
Juliane Fiegler | |
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