# taz.de -- Junge Frau über ihre Bindung zur Kirche: „Ich bin Feministin und… | |
> Was hält junge Frauen noch in der katholischen Kirche? Wut und Hoffnung, | |
> sagt die Politologin Daniela Ordowski. Sie macht sich für Reformen stark. | |
Bild: Mea Culpa? Kardinal Rainer Maria Woelki im Kölner Dom | |
taz am wochenende: Frau Ordowski, Sie sind in der katholischen Kirche. | |
Warum? | |
Daniela Ordowski: Ich bin so erzogen worden, war Messdienerin, habe mich in | |
katholischen Jugendverbänden engagiert. Kirche ist für mich Heimat, ein | |
Ort, der mir Kraft gibt und Gemeinschaft bedeutet. Für mich heißt Glauben, | |
dass dieser wächst, wenn man Kritik übt. | |
Aber mal ehrlich, gewöhnlich ist das nicht für eine 27-Jährige. Und | |
Gemeinschaft gibt’s auch im Sportverein. | |
Das stimmt. Gemeinschaft entsteht immer dort, wo Menschen zusammenkommen, | |
die ein ähnliches Wertesystem haben. Das kann man schon auch woanders | |
erfahren, aber ich habe sie in der Kirche erfahren, etwa in den | |
Jugendverbänden. Ich musste mich immer dafür rechtfertigen, dass ich in der | |
katholischen Kirche bin. Dazu kommt, dass ich Feministin bin. Ständig werde | |
ich damit konfrontiert, wie das zusammenpasst mit einer Institution, die | |
Menschenrechte und die Rechte von Frauen mit Füßen tritt. | |
Und was hält Sie noch? | |
Im Moment ist es eine Mischung aus Wut und dem Willen, die Institution | |
konstruktiv zu verändern. Wut und Hoffnung, das ist das, was mich hält. Sie | |
sind ein Katalysator, aktiv zu werden. Ich will nicht denen das Feld | |
überlassen, die Kirche als starres, exklusives und diskriminierendes | |
Konstrukt sehen. | |
Sie bleiben, aber viele andere treten aus. In Köln melden die zuständigen | |
Behörden sogar, dass alle Termine für den Kirchenaustritt ausgebucht sind. | |
Können Sie verstehen, dass viele Menschen jetzt gehen? | |
Die Schere zwischen dem persönlichen Glauben und dem, wie die Institution | |
Kirche aufgebaut ist, geht für viele Menschen immer weiter auf. Es ist ein | |
aktives Voting: Ich gehe. Mir reicht’s mit euch. Aber als Kirche dürfen wir | |
nicht sagen, wir ändern uns nur, weil wir wollen, dass die Menschen | |
bleiben. Frauen gleiche Rechte einzuräumen, sie zum Priestertum zuzulassen, | |
damit die Kirchengänger:innen bleiben, das sollte nicht der Beweggrund | |
sein. Ich bin kein Mittel zum Zweck. Dasselbe gilt für die Aufklärung von | |
sexualisierter Gewalt in der Kirche. Wir müssen diese Missstände aufklären | |
wollen und nicht deswegen, damit die Menschen in der Kirche bleiben. | |
Das ist auch die Idee für den Reformprozess „[1][Der Synodale Weg]“ der | |
katholischen Kirche. Bis Freitag fand eine Onlinekonferenz mit mehreren | |
Hundert Delegierten statt. Was versprechen Sie sich davon? | |
Für mich steht an erster Stelle des Reformprozesses, sexualisierte Gewalt | |
zu verhindern. Und das schaffen wir nur, wenn wir gerechte Systeme und | |
Strukturen schaffen. Die gesamte Machtstruktur der katholischen Kirche muss | |
aufgebrochen werden. Diese Perspektive hat uns auch die Studie aus | |
Mannheim, Heidelberg und Gießen (MHG-Studie) gegeben, die sich mit den | |
Fällen sexueller Gewalt innerhalb der katholischen Kirche in Deutschland | |
befasst hat. | |
Mit dem Klerikalismus herrscht in der Kirche immer noch ein sehr | |
geschlossenes Gefüge. Die Jugendverbände schaffen es, Ämter auf Zeit zu | |
besetzen oder Rechenschaft von ihren Vorsitzenden einzufordern. Ich bin | |
selbst Bundesvorsitzende der [2][Katholischen Landjugendbewegung] und muss | |
mich für meine Entscheidungen rechtfertigen. Für Bischöfe gilt das bisher | |
nicht. Aber Macht heißt immer auch Verantwortung. | |
Ein anderes großes Thema ist Geschlechtergerechtigkeit und insgesamt die | |
Geschlechtervielfalt. Es gibt eben nicht nur Mann und Frau. Es gibt ja | |
Frauen, die wollen gerne Priesterin werden und dürfen es nicht. Das ergibt | |
für mich keinen Sinn und ist schlicht diskriminierend. Wir brauchen | |
Bischöfe und Laien, die diese Kirche verändern. Denn die Ergebnisse des | |
Synodalen Weges sind nur Empfehlungen. Die Macht liegt bei den Bischöfen – | |
und in Rom. | |
Sie gehören einer Gruppe unter 30-Jähriger an, die den Synodalen Weg | |
unterstützen. Diese Gruppe drückt deutlich den Altersdurchschnitt. Wird | |
Ihre Stimme überhaupt gehört? | |
Der Wille, die Kirche zu reformieren, hängt nicht vom Alter ab. Aber von | |
uns erwartet man, dass wir auf die Revolution pochen. Wir sind eng | |
vernetzt, haben einen Insta-Kanal und tauschen uns viel aus. Aber auch zum | |
Beispiel die Bewegung [3][Maria 2.0] von Frauenrechtlerinnen hat viel | |
Aufmerksamkeit bekommen. Immer mehr Frauen sagen: Wir wollen unsere Rechte. | |
Das Konstrukt eines absoluten Monarchen an der Spitze der katholischen | |
Kirche ist für uns alle nicht mehr zeitgemäß. | |
Das sieht der Vatikan offenbar anders und hat Maria 2.0 im Visier. | |
Ich verstehe die Angst vor Veränderung nicht. Das Festhalten am | |
Altbewährten kann ich nicht nachvollziehen. Ich wünsche mir manchmal, dass | |
die Katholische Kirche den Gläubigen mehr zutraut. Also, dass man mir | |
zutraut, dass ich ein Amt übernehmen kann. | |
Die Causa Woelki dominiert auch die Beratungen des Synodalen Wegs. Der | |
Kardinal hält ein Gutachten zu sexualisierter Gewalt im Erzbistum Köln | |
unter Verschluss. Er selbst steht im Verdacht, Vorfälle vertuscht zu haben. | |
Hat Sie dieses Verhalten überrascht? | |
Nein. Diese Art des Umgangs mit sexualisierter Gewalt in der Kirche ist | |
nicht neu. Schon oft hat sich die Kirche über die Betroffenen gestellt. Ich | |
hätte mir mehr Transparenz gewünscht. Gutachten einzubehalten – das geht | |
nicht. Dass Kirche versucht, sich außerhalb von Gerichtsbarkeiten zu | |
bewegen, das geht einfach nicht. Der Schutz der Betroffenen muss im | |
Mittelpunkt stehen. | |
Wir müssen uns fragen: Was können wir tun, damit so etwas nie wieder | |
passiert? Wie können wir Menschen auffangen, die Opfer sexualisierter | |
Gewalt wurden?. Ich möchte darüber sprechen, wie wir jetzt handeln können, | |
damit Kardinal Woelki mit seinem Verhalten und seiner Zensur nicht | |
durchkommt. Auch das hat mit Machtstrukturen und dem Fehlen von | |
Kontrollstrukturen innerhalb der Kirche zu tun. | |
Und was genau fordern Sie von Kardinal Woelki? | |
Mein größtes Anliegen ist es, die Betroffenen zu unterstützen. Mit Hilfen | |
finanzieller Art und Betreuung, aber auch durch Schuldanerkennung. Für mich | |
gehören Menschen, die andere sexuell oder geistig missbrauchen oder dies | |
vertuschen, nicht in Leitungspositionen. | |
In jedem Unternehmen müssten Personen, denen solche Taten nachgewiesen | |
werden, gehen und vor Gericht. | |
Das erwarte ich auch von der Kirche. | |
Sie fordern Veränderungen. Aber wie können Machtstrukturen zersetzt werden? | |
Macht muss geteilt werden. Die Stellung der Kleriker in der Kirche ist viel | |
zu überhöht, und das führt dazu, dass Menschen keine Chance haben, daran | |
Kritik zu üben. Es ist nicht nötig, dass alles über den Tisch des Bischofs | |
geht. | |
Werden wir irgendwann erleben, dass es eine Päpstin in Rom gibt? | |
Ich kann es mir sehr gut vorstellen. Aber solange argumentiert wird, Frauen | |
könnten deshalb keine Priester werden, weil Jesus auch ein Mann war, wird | |
das schwierig. Die Bibel wurde zu einer Zeit geschrieben, in der die | |
Gesellschaft eine völlig andere war. Kirche existiert nun mal nicht | |
außerhalb von Raum und Zeit. | |
5 Feb 2021 | |
## LINKS | |
[1] https://www.synodalerweg.de/ | |
[2] https://www.kljb.org/ | |
[3] https://www.mariazweipunktnull.de/ | |
## AUTOREN | |
Tanja Tricarico | |
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