# taz.de -- FDP gegen Heizungsgesetz der Koalition: Im Vertrauen auf den Markt | |
> Warum macht die FDP gegen das Heizungsgesetz mobil? Eine Antwort findet | |
> sich in einem Diskussionspapier. Doch die Idee hat einen Haken. | |
Bild: Energetische Sanierung eines Wohnhauses | |
BERLIN taz | Großer Trubel herrscht in der [1][Energiepolitik der | |
Ampelregierung]. So [2][beschloss der Parteitag der FDP am vergangenen | |
Wochenende einen Antrag, der das Heizungsgesetz kritisiert], dem die | |
FDP-Minister:innen im Kabinett selbst zugestimmt haben. Welche Logik | |
verfolgen die Liberalen dabei? | |
Eine Antwort findet sich in einem Papier, das die FDP-Politiker Johannes | |
Vogel und Lukas Köhler kürzlich veröffentlichten. Sie plädieren dafür, den | |
Emissionshandel zu stärken, um im Gegenzug auf andere Regulierungen | |
verzichten zu können. | |
„Wir schlagen vor, den Emissionshandel unter anderem für Gebäude und | |
Verkehr auf 2024 vorziehen“, sagt Energiepolitiker Köhler. Er ist einer der | |
Vizechefs der Bundestagsfraktion. „Statt einer Festlegung des | |
Kohlendioxid-(CO2)-Preises kämen wir dann zu einer Regulierung | |
ausschließlich über die regelmäßig sinkende Menge der CO2-Zertifikate.“ In | |
Abhängigkeit von den Mengen würden sich die Preise für Heizenergie und | |
Benzin, die die Verbraucher:innen zahlen, ausschließlich am Markt | |
bilden. | |
„Der FDP-Vorschlag enthält Licht und Schatten, er bietet | |
Anknüpfungspunkte“, erklärt dazu die grüne Energiepolitikerin Lisa Badum. | |
Momentan ist die Sache folgendermaßen geregelt: Das deutsche | |
Brennstoffemissionshandelsgesetz legt derzeit einen Preis von 30 Euro pro | |
Tonne Ausstoß klimaschädlicher Gase fest. Verschmutzungsrechte, sogenannte | |
Zertifikate, zu diesem Preis müssen sie die Unternehmen erwerben, die | |
Heizenergie und Benzin verkaufen. Die Kosten kommen bei den | |
Privathaushalten und meisten Firmen an, indem diese pro Kilowattstunde | |
Heizöl oder Heizgas knapp einen Cent zusätzlich entrichten. Bei Benzin und | |
Diesel sind es knapp 10 Cent pro Liter. | |
## Je teurer, desto sauberer | |
In den kommenden Jahren wird der politisch festgelegte CO2-Preis | |
stufenweise auf 45 Euro pro Tonne steigen, damit im Einklang mit | |
[3][europäischen Vorschriften] die verursachte Treibhausgasmenge sinkt. Je | |
teurer, desto sauberer, lautet die Logik. Langfristig soll die Steuerung | |
stärker über die politisch definierte, nach und nach abnehmende Menge der | |
Zertifikate erfolgen, wodurch der Preis fossiler Energie deutlich zulegen | |
dürfte. | |
Nun plädieren Köhler und Vogel jedoch dafür, die ausschließliche | |
Mengensteuerung schon nächstes Jahr einzuführen und dafür die Preisstufen | |
abzuschaffen. Auch der Antrag, den der FDP-Parteitag angenommen hat, | |
erwähnt den Emissionshandel. Was wollen die Liberalen damit erreichen? Ihre | |
Idee besteht darin, eher den Markt wirken zu lassen, als kleinteilig alles | |
Mögliche politisch festzulegen. Im Gebäudeenergiegesetz müsse man dann | |
beispielsweise nicht regeln, dass ab 2024 in neuen Wohnhäusern keine | |
Heizungen mehr eingebaut werden dürften, die ausschließlich Erdgas | |
verfeuerten, so Köhler. | |
Welche Technik sie verwenden, „sollen die Immobilienbesitzer selbst | |
entscheiden, denn sie können ja wissen, dass das Erdgas wegen der sinkenden | |
Menge der CO2-Zertifikate teurer wird“, begründet der FDP-Politiker. | |
Die grüne Energiepolitikerin Badum hält diesen Ansatz dagegen für | |
problematisch: „Die Steuerung über die Menge kann zu erheblichen | |
Preisschwankungen nach oben oder nach unten führen.“ Wenn der CO2-Preis | |
niedrig liege, dann schwäche das den Anreiz zum Energiesparen. „Liegt er | |
sehr hoch, hält die Regierung das möglicherweise politisch nicht aus“, | |
warnt Badum. | |
## Ökonomen sind skeptisch | |
Finn Wendland wird noch deutlicher. Der Ökonom am Institut der deutschen | |
Wirtschaft (IW) in Köln sagt: „Eine ausschließliche Steuerung über die | |
Menge ab 2024 könnte zu einem Preisschock führen.“ Heißt: Vielleicht | |
springt der Gaspreis um mehrere Cent nach oben, der für Benzin um mehrere | |
Dutzend Cent. Möglich wäre das – die Preisstufen, die so etwas verhindern, | |
wären ja weg. Sein Kollege Karsten Neuhoff vom Deutschen Institut für | |
Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin sieht es ähnlich: „Ein Emissionshandel | |
alleine ist nicht glaubwürdig. Wenn die Preise zu stark steigen, greift die | |
Politik ein, um gesellschaftliche Akzeptanz sicherzustellen, siehe | |
Gaspreisbremse.“ | |
Beide Ökonomen halten es deshalb für besser, die Mengensteuerung mit | |
weiteren Regulierungen zu verbinden. „Wahrscheinlich wäre es besser, | |
zunächst preisliche Planungssicherheiten über ein Stufen- oder | |
Korridorsystem zu gewährleisten und gleichzeitig deutlich mehr in | |
alternative Infrastrukturen zu investieren, um den Marktteilnehmern den | |
Umstieg auf alternative Techniken zu erleichtern“, sagt Wendland. | |
„Notwendig sind auch andere Maßnahmen“, ergänzt Neuhoff, „zum Beispiel | |
Förderprogramme für energetische Gebäudesanierungen, damit auch ohne extrem | |
hohe CO2-Preise glaubwürdig ist, dass die notwendigen Modernisierungen | |
stattfinden werden.“ | |
Das grundsätzliche Argument an dieser Stelle: Es ist unklug, die | |
Privathaushalte in die Falle hoher Preise laufen zu lassen, wenn man ihnen | |
auch vorher politische Hinweise geben kann, was sie tun sollten – etwa mit | |
der Festlegung, dass ab kommendem Jahr keine neuen Heizungen mehr erlaubt | |
sind, die ausschließlich mit Erdgas funktionieren. | |
24 Apr 2023 | |
## LINKS | |
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## AUTOREN | |
Hannes Koch | |
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Klara Geywitz | |
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