# taz.de -- Ernährungsstrategie der Bundesregierung: Hehre Ziele, unklarer Weg | |
> Die Ampelkoalition will Lebensmittel ohne Fleisch und Milch fördern sowie | |
> Bauern entlasten. Aber wie? Das lässt die Regierung immer noch offen. | |
Bild: Cem Özdemir stellt Ernährungsstrategie vor: Bundesregierung setzt auf w… | |
BERLIN taz | Die Bundesregierung bekennt sich so deutlich wie nie dazu, | |
pflanzliche Lebensmittel zu fördern. „Mehr Gemüse, Obst und Hülsenfrüchte… | |
pflanzenbetonte Ernährung stärken“, lautet ein Ziel der | |
[1][Ernährungsstrategie], die das Kabinett am Mittwoch auf Vorschlag von | |
Agrarminister Cem Özdemir (Grüne) beschlossen hat. Wie genau die | |
Ampelkoalition den WissenschaftlerInnen zufolge im Schnitt zu hohen Konsum | |
von Fleisch- und Milchprodukten senken will, bleibe weitgehend offen, so | |
Umwelt- und Verbraucherverbände. | |
Ebenso vage bleiben SPD, Grüne und FDP auch in Sachen [2][Landwirtschaft]: | |
Als Reaktion auf die Bauernproteste legten sie dem Bundestag einen | |
Entschließungsantrag vor, der lediglich Fragen an die Regierung enthält, | |
etwa: „Wie kann eine verlässliche Finanzierung für die tierwohlgerechte | |
Tierhaltung sichergestellt werden?“ Antworten gibt das Papier nicht. | |
Dabei sind die Probleme akut. Einerseits haben Tausende Bauern | |
demonstriert, unter anderem weil die Zahl der Höfe in Deutschland von 2020 | |
bis 2023 laut Statistischem Bundesamt um rund 3 Prozent auf 255.000 | |
Betriebe gesunken ist. Die Landwirtschaft trägt maßgeblich dazu bei, dass | |
immer mehr Pflanzen- und Tierarten aussterben sowie das Grundwasser | |
verschmutzt wird. 14 Prozent der deutschen Treibhausgase kommen laut | |
Umweltbundesamt aus der Branche, besonders aus der Tierhaltung. Viele | |
Nutztiere werden unter ethisch nicht vertretbaren Bedingungen gehalten. | |
Andererseits ist Fehlernährung eine Ursache dafür, dass in Deutschland nach | |
Angaben des [3][Robert-Koch-Instituts] 47 Prozent der Frauen und 61 Prozent | |
der Männer übergewichtig sind. | |
Aus diesen Gründen setzt sich die Bundesregierung das Ziel, dass etwa in | |
Kantinen und Kitas künftig die Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für | |
Ernährung verbindlich sein sollen, die beispielsweise geringere | |
Fleischmengen vorsehen, als derzeit konsumiert werden. In der | |
Gemeinschaftsverpflegung sollen auch mehr Bio-Lebensmittel verwendet | |
werden. Schulküchen, Trinkwasserspender und Ernährungsbildung sollen | |
gefördert werden. Außerdem soll es verbindliche Ziele entlang der | |
Lebensmittelkette geben, um Verschwendung zu reduzieren. Ziel ist außerdem, | |
die an Kinder gerichtete Werbung für Lebensmittel mit hohem Zucker-, Fett- | |
oder Salzgehalt einzuschränken. | |
Doch egal, ob AOK-Bundesverband, Foodwatch oder der WWF: Alle kritisierten | |
die Strategie scharf. „Für dieses wohlklingende, aber weitgehend folgenlose | |
Papier hat die Ampel-Koalition also die Hälfte ihrer Legislaturperiode | |
gebraucht?“, ätzte Foodwatch. „Völlig unklar ist, wie zentrale Vorhaben d… | |
Strategie wie zum Beispiel im Bereich der Gemeinschaftsverpflegung | |
finanziert und rechtlich umgesetzt werden sollen“, teilte der WWF mit. | |
„Kurzfristig könnte die Bundesregierung die Mehrwertsteuer auf gesunde | |
Erzeugnisse wie Obst, Gemüse und Hülsenfrüchte streichen.“ Doch diese | |
Option fehle in der Strategie. | |
Trotzdem gehen dem Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Deutschen | |
Ernährungsindustrie, Christoph Minhoff, die Pläne schon zu weit. Er warf | |
Özdemir eine Politik der „ideologisch unterfütterten Bevormundung“ vor. D… | |
Regierung versuche der Industrie „detaillierte Vorschriften in ihrem | |
Kerngeschäft zu machen“. | |
Noch mehr Ärger von der Umweltseite könnte sich die Regierung einhandeln, | |
weil sie erwägt, Diesel aus Pflanzen als Alternative zum fossilem Diesel | |
für Traktoren zu fördern. Mit Blick auf die aus Getreide gewonnenen | |
Kraftstoffe sagte Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne) am Dienstagabend | |
dem ARD-Hauptstadtstudio: „Wenn wir die für die Landwirtschaft reservieren | |
und dort einsetzen können, dann halte ich das auch als Umweltministerin für | |
eine sinnvolle Lösung.“ Damit rückt Lemke teilweise von ihrer Haltung ab, | |
die Herstellung von Biosprit bis 2030 beenden zu wollen. Die Deutsche | |
Umwelthilfe hatte Biodiesel bereits abgelehnt, weil für ihn Lebensmittel | |
und Flächen verschwendet sowie mehr Treibhausgase als für fossilen | |
Kraftstoff freigesetzt würden. (mit dpa) | |
18 Jan 2024 | |
## LINKS | |
[1] https://www.bmel.de/SharedDocs/Downloads/DE/_Ernaehrung/ernaehrungsstrategi… | |
[2] /Landwirtschaft/!t5007831 | |
[3] https://www.rki.de/DE/Content/Gesundheitsmonitoring/Themen/Uebergewicht_Adi… | |
## AUTOREN | |
Jost Maurin | |
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