| # taz.de -- Entwaldung für Kaffeeanbau: Wenn der Wald stirbt, stirbt der Regen | |
| > In Brasilien zerstört Kaffee seine eigene Lebensgrundlage: den Regen. | |
| > Warum Kaffee ein kannibalistischer Rohstoff ist. Und wie es auch anders | |
| > geht. | |
| Bild: Wenn es nicht genug regnet, wachsen diese Kaffeefrüchte nicht so gut. Hi… | |
| taz | Durch Entwaldung zerstört Brasiliens Kaffeeanbau nicht nur den | |
| Regenwald, sondern auch die Regenfälle, auf die der Anbau selbst angewiesen | |
| ist. Das geht aus einem [1][Bericht der NGO Coffee Watch] hervor, der am | |
| Mittwoch vorgestellt wurde und hauptsächlich auf Satellitendaten basiert. | |
| In Gemeinden des südöstlichen Kaffeegürtels Brasiliens ist die Waldfläche | |
| demzufolge zwischen 2001 und 2023 um 11 Millionen Hektar zurückgegangen. | |
| Mehr als 300.000 Hektar wurden direkt für den Kaffeeanbau gerodet. Seit | |
| 2014 sind dort regelmäßige Niederschlagsdefizite zu beobachten und anomale | |
| Regenfälle bis zu 50 Prozent unter Normalwert. | |
| Der Hintergrund: Bis zu 40 Prozent der Regenfälle in der Region speisen | |
| sich laut dem Bericht aus sogenannten „fliegenden Flüssen“. Das sind | |
| feuchte Luftströme, die Wasser aufnehmen, das Bäume ausdünsten. So werden | |
| Niederschläge durch das [2][Amazonasgebiet] bis nach Südbrasilien getragen. | |
| Damit dieses Regensystem funktioniert, braucht es allerdings dicht | |
| aneinanderliegende Wälder. | |
| Die Entwaldung des Kaffeegürtels bringt das Regensystem zum Kollabieren: Es | |
| gab dort zwischen 2014 und 2023 in acht von zehn Jahren weniger | |
| Niederschlag als im restlichen Land. Seit 2012 liegt der durchschnittliche | |
| Regenfall im Südosten sechs bis zwölf Prozent unter den historischen | |
| Normen. Auch extreme Abweichungen nach unten werden häufiger: Die Dürren | |
| spannen sich teils über mehrere Monate, die für den Kaffeeanbau | |
| entscheidend sind. | |
| ## Kaffee als kannibalistischer Rohstoff | |
| „Wenn Kaffee den Regenwald zerstört, zerstört er auch den Regen. Dadurch | |
| geht Bodenfeuchtigkeit verloren“, sagte Etelle Higonnet, Gründerin von | |
| Coffee Watch. „So wird Kaffee zu einem kannibalistischen Rohstoff, der den | |
| Regen und die Bodenfeuchtigkeit vernichtet, die er zum Überleben braucht.“ | |
| Brasilien könnte bis 2050 bis zu zwei Drittel seines für den Anbau von | |
| Arabica-Kaffee geeigneten Landes verlieren. | |
| Brasilien ist weltweit der größte Kaffeeproduzent, der Marktanteil liegt | |
| Schätzungen zufolge zwischen 35 und 40 Prozent. Laut Coffee Watch hat sich | |
| der [3][Kaffeeanbau in Brasilien] zwischen 1990 und 2023 in der Fläche mehr | |
| als verdoppelt und belegt nun 1,23 Millionen Hektar. Von den 11 Millionen | |
| Hektar ehemaliger Waldfläche wurden 312.803 Hektar direkt für | |
| Kaffeeplantagen abgeholzt. 737.000 gerodete Hektar befinden sich innerhalb | |
| von Kaffeefarmen. | |
| Der Bericht hebt auch die Rolle hervor, die Kaffee indirekt zum Beispiel | |
| bei Entwaldungen für Weideland spielt. „Nehmen wir an, du rodest Wald für | |
| Viehzucht, ich kaufe dir das Land ab und baue Kaffee an“, sagte Higonnet | |
| dazu. „Dann überlasse ich dir die Abholzung – aber ich mache die | |
| Entwaldungsmaschinerie finanziell rentabel.“ Coffee Watch nennt dies | |
| „Entwaldungswäsche“. Der Kaffeeanbau absorbiere die Entwaldung und | |
| profitiere von ihr, während er sich von Umweltschäden distanzieren könne. | |
| 77 Prozent des Waldverlustes betreffen die Cerrado-Savanne, die als | |
| artenreichste Savanne der Welt bekannt ist. 20 Prozent entfallen auf den | |
| Atlanischen Regenwald, von dem Coffee Watch zufolge inzwischen weniger als | |
| 10 Prozent der ursprünglichen 1,2 Millionen Quadratkilometer großen Fläche | |
| übrig sind. | |
| ## Bäume in den Kaffeeanbau integrieren | |
| Dass sich die Niederschlagsmuster verändern, strapaziert das Geschäft der | |
| Kaffeebäuer*innen sehr. Im August 2021 zeigten Satellitendaten eine | |
| weitläufige Bodentrockenheit in zentralen Kaffeeanbaugebieten wie dem | |
| Bundesstaat Minas Gerais. Dort kommt etwa die Hälfte des brasilianischen | |
| Kaffees her. Die Bodenfeuchtigkeit im südlichen Hochland und in den | |
| westlichen Plateaus von Minas Gerais ist zwischen 2015 und 2021 um bis zu | |
| 25 Prozent zurückgegangen. | |
| Laut Coffee Watch sind Dürren in Brasilien seit 2014 zur neuen Normalität | |
| geworden. Gemeinsam mit anderen Krisen wie Schädlingsplagen und Bränden | |
| befeuern sie [4][die globale Preisvolatilität und Spekulation]. Ausnahmen | |
| gab es in Teilen der Zona da Mata, die sich die Bodenfeuchtigkeit durch | |
| Agroforstwirtschaft und Schattenanbau erhielten – selbst im August 2021, | |
| als der Rest von Minas Gerais austrocknete. | |
| Coffee Watch fordert daher die Transformation von der Monokultur zur | |
| Agroforstwirtschaft als Lösungstrategie: das heißt, beim Kaffeeanbau nicht | |
| gegen, sondern mit dem Wald zu arbeiten und schattenspendende Bäume ins | |
| System zu integrieren, die Kaffee und viele andere Arten schützen. | |
| „Agroforstwirtschaft wirkt als Puffer, der das gesamte Ökosystem vor dem | |
| Klimachaos behütet“, sagte Higonnet. | |
| Die Europäische Union will mit ihrer Entwaldungsverordnung verhindern, dass | |
| weiter Wald für in Europa konsumierte Produkte wie Kaffee, aber auch Holz, | |
| Soja oder Rindfleisch verloren geht. In Zukunft müssen Unternehmen einen | |
| Nachweis darüber erbringen, dass ihre Produkte auf Flächen produziert | |
| wurden, die nicht nach 2020 entwaldet wurden. | |
| ## EU schwächt Entwaldungsverordnung ab | |
| Das hätte eigentlich schon seit diesem Jahr gelten sollen, wurde aber auf | |
| 2026 verschoben. Im September hatte die EU-Kommission einen weiteren | |
| Aufschub ins Spiel gebracht. Am Dienstag ruderte sie dabei zurück, schlug | |
| aber Abschwächungen der Nachweispflicht vor, durch die nur noch der | |
| Erstimporteur auf dem europäischen Markt Rechenschaft schuldig wäre. | |
| Gegenwind bekommt die Verordnung in Deutschland beispielsweise vom | |
| Hauptverband der Deutschen Holzindustrie und dem Deutschen Bauernverband. | |
| Der Deutsche Kaffeeverband bekennt sich hingegen zu dem EU-Gesetz. „Die | |
| Branche hat sich bereits frühzeitig auf die Umsetzung vorbereitet und ist | |
| seit Februar 2024 entsprechend aufgestellt“, sagte Verbandschef Holger | |
| Preibisch der taz. | |
| 22 Oct 2025 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://coffeewatch.org/wake-up-and-smell-the-deforestation | |
| [2] /Weltraumbehoerde-ueber-Amazonas/!6111066 | |
| [3] /Arbeitsbedingungen-im-Kaffeeanbau/!6114821 | |
| [4] /Kaffee-Orangensaft-Olivenoel/!6089894 | |
| ## AUTOREN | |
| Theresa Walter | |
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