| # taz.de -- Entlastung der Wirtschaft bei Strompreis: Staatshilfe kontra klüge… | |
| > Unternehmen klagen über zu teuren Strom. Muss die Politik helfen? Wenn | |
| > ja, wie? FDP-Minister Lindner und der Grüne Trittin treiben die Debatte | |
| > weiter. | |
| Bild: Der Strom muss nicht nur bezahlbar sein, sondern auch ankommen: Stromauto… | |
| Freiburg taz | Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) hat eine | |
| Verlängerung des Spitzenausgleichs bei der Stromsteuer für ein weiteres | |
| Jahr vorgeschlagen – als Alternative zu einem [1][subventionierten | |
| Industriestrompreis, wie ihn Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) | |
| propagiert]. | |
| Der Spitzenausgleich kommt aktuell [2][energieintensiven Unternehmen] | |
| zugute. Unter bestimmten Bedingungen bekommen sie bis zu 90 Prozent der | |
| Stromsteuer erlassen. Lindner knüpfte seinen Vorschlag allerdings an die | |
| Voraussetzung, dass man „woanders Mittel zur Gegenfinanzierung findet“. | |
| Erst Anfang Juli hatte das Bundeskabinett völlig überraschend entschieden, | |
| den Spitzenausgleich zum Jahresende auslaufen zu lassen. Getrieben war die | |
| Ministerrunde von dem Ziel, klimaschädliche Subventionen zu reduzieren. Von | |
| der Änderung betroffen wären rund 8.800 Unternehmen im Deutschland. Diese | |
| müssten danach ab 2024 jedes Jahr zusätzliche Stromsteuern in Höhe von | |
| insgesamt 1,5 Milliarden Euro bezahlen. Betroffen seien auch „viele kleine | |
| und mittlere Unternehmen des energieintensiven Mittelstands“, so der | |
| Bundesverband der Deutschen Industrie. Weil die Konjunkturprognosen nicht | |
| die besten sind, wird nun darüber diskutiert, ob, wie und welche Firmen | |
| trotzdem entlastet werden können. | |
| Zu dem Konflikt in der Koalition – von SPD und Grünen kamen bereits | |
| kritische Stimmen zu einem möglichen Fortbestand des Spitzenausgleichs – | |
| gesellt sich auch ein Disput zwischen der Industrie und Umweltverbänden. | |
| Der von Mittelständlern getragene Bundesverband der Energie-Abnehmer nennt | |
| den Plan, die Subvention für die Industrie abzuschaffen, einen „Schock und | |
| herben [3][Rückschlag für den Wirtschaftsstandort Deutschland]“. Für viele | |
| Unternehmen sei dies „der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt“. Der | |
| allgemeine Tenor der Firmen sei, dass sie in Deutschland keine | |
| Investitionen mehr tätigen wollten. Schließlich bräuchten die Betriebe | |
| dafür ein Mindestmaß an Sicherheit. | |
| ## Was ist mit den Klimazielen? | |
| Das Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft (FÖS) unterdessen begrüßt den | |
| Vorstoß, den Spitzenausgleich auslaufen zu lassen. Er sei „überholt und | |
| nicht ausreichend [4][auf die klimapolitischen Ziele Deutschlands] | |
| ausgerichtet“, weil er für weniger Effizienzanreize in der Industrie sorge: | |
| „Es werden auch Unternehmen entlastet, denen durch die | |
| Energiesteuerbelastung kein Wettbewerbsnachteil entsteht“, so das FÖS. Es | |
| sei richtig, „alte Zöpfe abzuschneiden und die steuerliche Subventionierung | |
| von fossilem Energieverbrauch zu beenden“. Das Subventionsvolumen aus dem | |
| Spitzenausgleich solle besser verwendet werden, „um die Unternehmen bei der | |
| Transformation zu unterstützen“. | |
| Unterdessen hat der frühere grüne Bundesumweltminister Jürgen Trittin | |
| erklärt, Unternehmen könnten ja auch mit Power Purchase Agreements (PPAs) | |
| günstigen Strom beziehen. PPAs sind direkte Strombezugsverträge zwischen | |
| Unternehmen und Stromerzeugern, zumeist solchen, die Wind- und Solarstrom | |
| produzieren. Diese Verträge sind relativ komplex und werden deshalb bislang | |
| überwiegend von Großunternehmen abgeschlossen. Trittin propagierte sie | |
| kürzlich in einem Interview: „Beide profitieren: Die Industrie kriegt einen | |
| festen Preis für erneuerbaren Strom für 10, 15 Jahre. Und der Produzent ist | |
| sich sicher, dass sein Strom gekauft wird.“ | |
| Mit PPAs können sich in der Tat beide Seiten langfristig gegen Preisrisiken | |
| absichern. Gleichwohl ist das Instrument kein Wundermittel, das zwingend | |
| niedrige Strompreise für Unternehmen generiert: Die Konditionen der PPAs | |
| orientieren sich eng an den Preisen, die auf dem allgemeinen Strommarkts | |
| zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses gelten. Das ist nur logisch: Kein | |
| Produzent wird seinen Strom unter Marktwert verkaufen, kein Einkäufer mehr | |
| als den Referenzwert des Marktes bezahlen. | |
| Energieexperten können daher den Strompreis eines PPAs recht präzise | |
| berechnen. Das Berliner Analystenhaus Energy Brainpool zum Beispiel | |
| kalkuliert börsentäglich auf Basis der Notierungen am Terminmarkt den | |
| „fairen Wert eines PPAs“ bei einer Laufzeit von fünf Jahren. Zuletzt ergab | |
| sich danach für Photovoltaikstrom ein Wert von rund 9,5 Cent pro | |
| Kilowattstunde, für Windstrom aus Onshore-Anlagen von 8,7 Cent und für | |
| solchen aus Offshore-Anlagen von 9,6 Cent. Die unterschiedlichen Marktwerte | |
| ergeben sich durch die jeweiligen Erzeugungsprofile, also abhängig davon, | |
| ob eine Technik statistisch gesehen mehr Strom in Stunden niedriger oder | |
| hoher Börsenpreise erzeugt. | |
| PPAs versuchen also schlicht, den Wert des Stroms mit viel Marktstatistik | |
| über Jahre hinaus zu prognostizieren. Unternehmen, die einen solchen | |
| Vertrag abschließen, können sich so zwar [5][gegen steigende Preise] | |
| absichern, doch im Fall von sinkenden Marktpreisen bergen PPAs im Gegenzug | |
| das Risiko, dass der Käufer auf überteuerten Stromkontingenten | |
| sitzenbleibt. | |
| 11 Sep 2023 | |
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| ## AUTOREN | |
| Bernward Janzing | |
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