# taz.de -- Energiesparpläne des Staates: Mit gutem Beispiel vorangehen | |
> Nach zahlreichen Appellen an die Bevölkerung erlegt sich nun auch die | |
> Politik Sparpläne auf. Das Problem der steigenden Preise löst das nicht. | |
Bild: Wie lange duschen Sie? Laut Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) re… | |
BERLIN taz | Kürzer duschen gegen Putin. [1][Mit diesem Appell] hat der | |
grüne Wirtschaftsminister Robert Habeck die Bevölkerung bereits vor Wochen | |
auf drohende Engpässe bei der Gasversorgung vorbereitet. Am Sonntag | |
konkretisierte Habeck nun im „Deutschlandfunk“, er halte fünf Minuten für | |
eine ausreichende Duschzeit. | |
Doch nicht nur Privathaushalte sind angehalten, Gas und Strom zu sparen. | |
Auch in öffentlichen Gebäuden soll weniger Energie verbraucht werden – zum | |
Beispiel im Bundestag. Eine entsprechende Regelung hat der Ältestenrat am | |
Donnerstag beschlossen. | |
Demnach sollen Büroräume unter anderem für Abgeordnete und deren | |
Mitarbeiter:innen künftig weniger stark runtergekühlt und im Winter | |
auf nur mehr 20 Grad (statt bisher 22) erwärmt werden. Eine am Sonntag | |
veröffentlichte Umfrage der Deutschen Presseagentur zeigt, dass ähnliche | |
und weitere Maßnahmen auch in den Ländern geplant sind. | |
Der Berliner Senat etwa hat dazu eine ressortübergreifende Taskforce | |
eingerichtet. „Das Ziel ist, durch alle Senatsverwaltungen spätestens bis | |
August weitere Sparpotenziale von mindestens zehn Prozent zu | |
identifizieren“, sagte Wirtschaftssenator Stephan Schwarz (parteilos). Die | |
öffentliche Hand müsse genauso am Energieregler drehen wie Privathaushalte | |
und Unternehmen, forderte Schwarz. Die Funktionsfähigkeit der Behörden und | |
der Arbeitsschutz müssten natürlich gewahrt bleiben. „Aber sonst sehe ich | |
keine Tabus.“ | |
## Kommt das Homeoffice zurück? | |
Zur Hilfe könnte den Ländern dabei eine Coronamaßnahme kommen. So prüfen | |
laut dpa die Landesregierungen von Nordrhein-Westfalen und | |
Schleswig-Holstein derzeit die Möglichkeit, zum Energiesparen | |
Mitarbeiter:innen ins Homeoffice zu schicken. In mehreren | |
Bundesländern planen Ministerien und Landtage zudem, Klimaanlagen | |
runterzudrehen oder Warmwasser zu reduzieren. | |
Laut Städtetagspräsident Markus Lewe bemühten sich auch die Städte um einen | |
Beitrag beim Energiesparen. Als mögliche Maßnahmen nannte Lewe die | |
Reduzierung der nächtlichen Straßenbeleuchtung und weniger warmes Wasser in | |
öffentlichen Gebäuden. Vor wenigen Tagen hatte die Entscheidung der Stadt | |
Nürnberg für Aufsehen gesorgt, drei ihrer vier Hallenbäder dichtzumachen. | |
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sagte in seiner wöchentlichen | |
Videobotschaft am Samstag, die Sicherheit der Energieversorgung würden das | |
Land „noch die nächsten Wochen, Monate und auch Jahre“ beschäftigen. Soll… | |
die Bundesregierung die dritte und letzte Stufe im [2][Notfallplan Gas] | |
ausrufen, entscheidet die Bundesnetzagentur, wer wie viel Gas bekommt. | |
Private Haushalte haben aber Vorrang. | |
## Heizen wird noch teurer | |
Die aktuelle Entwicklung sieht Bundesnetzagentur-Chef Klaus Müller dennoch | |
kritisch: „Auch wenn wir in keine Gasnotlage kommen, bleibt das Gas teuer“, | |
sagte Müller gegenüber Focus. Dabei seien die Folgen der aktuellen | |
Gasknappheit preislich bei den Verbrauchern noch gar nicht angekommen. „Das | |
kann für eine Familie schnell eine Mehrbelastung von 2.000 bis 3.000 Euro | |
im Jahr bedeuten.“ | |
Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), | |
Marcel Fratzscher, warnte vor einer „sozialen Zerreißprobe“. Bewegungen wie | |
die Gelbwesten in Frankreich seien auch in Deutschland möglich, sagte | |
Fratzscher dem „Handelsblatt“. „Die gegenwärtige Krise könnte der letzte | |
Tropfen sein, der das Fass der zunehmenden sozialen Spaltung zum Überlaufen | |
bringt.“ Der DIW-Chef forderte höhere Löhne und eine dauerhafte Anhebung | |
der Sozialleistungen. Die Politik sollte nicht versuchen, „mit Placebos wie | |
Einmalzahlungen Menschen ruhig zu stellen“. | |
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) sprach im Interview mit dem | |
Deutschlandfunk ebenfalls von einer drohenden „Zerreißprobe“. Sollte das | |
„Albtraum-Szenario“ einer Gas-Unterversorgung Realität werden, rechne er | |
mit heftigen Debatten, sagte Habeck. „Das wird Deutschland vor eine | |
Zerreißprobe stellen, die wir lange so nicht hatten“, fügte er hinzu. „Das | |
wird die gesellschaftliche Solidarität bis an die Grenze und wahrscheinlich | |
darüber hinaus strapazieren.“ | |
Linke-Parteichef Martin Schirdewan forderte im Gespräch mit der Funke | |
Mediengruppe eine gezielte Unterstützung einkommensschwacher Haushalte mit | |
einem „sozialen Klimabonus“ von 125 Euro pro Monat plus 50 Euro für jedes | |
weitere Haushaltsmitglied. Außerdem sprach er sich für eine Deckelung der | |
Energiepreise aus, „damit die Leute im nächsten Winter noch heizen und | |
Fernsehen gucken können“. Finanziert werden solle dies durch eine | |
Übergewinnsteuer. | |
Bundesverbraucherschutzministerin Steffi Lemke (Grüne) hat im Falle eines | |
weiteren Anstiegs der Energiepreise ein Moratorium für Strom- und | |
Gassperren in Aussicht gestellt. Niemandem dürfe „in solch einer | |
Krisensituation der Strom oder das Gas abgestellt werden, weil er mit der | |
Rechnung in Verzug ist“, sagte Lemke in der „Bild am Sonntag“. Im | |
Krisenfall müsse auch über ein weiteres Hilfspaket entschieden werden. | |
10 Jul 2022 | |
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## AUTOREN | |
Ralf Pauli | |
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