| # taz.de -- Endlich wieder Kino: 444 Plätze, maximal 50 besetzt | |
| > Rein technisch ist er jetzt wieder möglich, der Kinobesuch. Der | |
| > Onlineticketkauf hat jedoch seine Tücken – und die Wahl des Filmes auch. | |
| Bild: Corona-Auflagen im Kino Delphi-Lux in Berlin: Zettel markieren die Sitzbe… | |
| Irgendwann dachte ich: Wird Zeit, mal was ganz Verrücktes zu machen. Wird | |
| Zeit, ins Kino zu gehen. So wie früher einmal in der Woche mich verführen | |
| lassen von fremden Biografien, unbekannten Geschichten, zwei Stunden lang | |
| ganz woanders sein. | |
| Gedacht, gewagt, zack, zack, mit dem Handy das Coronaprogramm meines | |
| Lieblingskinos durchforstet. Bisschen gescrollt, bisschen wirr getippt, | |
| man ist ja ganz aus der Übung durch den Lockdown und die | |
| Sicherheitsmaßnahmen, uninformiert sowieso. | |
| Aber dann, hach, das Herz hüpft vor Freude: Am nächsten Abend läuft | |
| „Undine“, der neue Film von Christian Petzold. Perfekt, wollte ich sowieso | |
| sehen, Petzold ist einer meiner Lieblingsregisseure. Ich habe alles von ihm | |
| gesehen, manches sogar mehrfach. | |
| Mystisch soll „Undine“ sein, vom Wasser getragen, so viel habe ich gelesen. | |
| Petzold hat die Geschichte der sagenhaften Nixe, die treulose Liebhaber mir | |
| nichts, dir nichts killt, ins Berlin von heute verlegt. Ein Berlinfilm ist | |
| sowieso nie verkehrt. Mehr muss ich auch gar nicht wissen, also her mit dem | |
| Ticket. | |
| Kurz noch den gedanklichen Gegencheck gemacht: Mindestabstand im Kinosaal – | |
| gibt es den wirklich? Wie ist das mit der Maskenpflicht während der | |
| Vorstellung? Darf man jetzt noch Bier mitnehmen? Egal, wird schon gut | |
| gehen. Hauptsache, Kino. | |
| So können Kinos nicht überleben | |
| Ticket kaufen nur online, okay, auch wenn das anmutet, als sei der Vorspann | |
| aus einem Film rausgeschnitten. Aber das mit dem Onlinebuchen beim | |
| Lieblingskino hat so seine Tücken und dauert länger als früher das Anstehen | |
| nach Karten bei der Berlinale. Seitenweise Hygieneregeln, scrollen, | |
| gelesen?, ja, Haken setzen, Formular mit den eigenen Daten ausfüllen, na | |
| gut (Aber was ist mit dem Datenschutz? Wozu habe ich eigentlich die | |
| Corona-App?), Plätze wählen. Und dann: blankes Entsetzen. Nahezu alle | |
| Plätze sind verkauft? Oder sind die pro forma vom Kino besetzt, um den | |
| Mindestabstand zu gewährleisten? Ist nicht erkennbar. Theater und | |
| Opernhäuser werben ja damit, ganze Sitzreihen entfernt zu haben. Von Kinos | |
| habe ich das noch nicht gehört. Noch mal egal, Hauptsache, Kino. | |
| Und dann war endlich Kino. Na ja, fast, also rein technisch. Größter | |
| Kinosaal, 444 Plätze, davon maximal 50 besetzt. Top für die Gäste, eine | |
| Katastrophe fürs Haus, so können Kinos nicht überleben. | |
| Mit „Undine“ aber auch nicht. Mensch, Christian, wat haste denn da | |
| verzapft? Ich weiß nicht, wann ich mich das letzte Mal im Kino so | |
| gelangweilt habe. Wann mir Dialoge so floskelhaft, so belanglos, so | |
| schlicht erschienen. Wann mir ein Film schon nach zehn Minuten derart auf | |
| die Nerven ging wie dieser Kitsch um eine unmögliche Liebe. Und was das mit | |
| Gunther auf sich hat, einem Wels, der geheimnisvoll durchs Wasser gleitet | |
| wie der Lotus Esprit, das Bond-U-Boot aus „Der Spion, der mich liebte“, | |
| hat sich mir auch nicht erschlossen. | |
| Wenn ich Ihnen einen Rat geben darf: Lassen Sie das zurzeit besser sein mit | |
| dem Kino. Oder wollen Sie die Wahl haben zwischen den „Känguru-Chroniken“, | |
| „Suicide Tourist“ und „Meine Freundin Conni“? | |
| 8 Jul 2020 | |
| ## AUTOREN | |
| Simone Schmollack | |
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