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# taz.de -- Sommerferien mit Corona: Ein Stückchen Acker mit Obstbäumen
> Letztes Jahr war der Arm in Gips, aber der Urlaub dieses Jahr sollte
> besser werden. In Kroatien. Doch jetzt werden wieder Alternativen
> gesucht.
Bild: Ferien auf der Obstwiese: Ich mag’s ja einfach, ist nun mein ständiges…
Einer dieser lauen Brandenburger Sommerabende, bei denen man denkt: Warum
in die Ferne schweifen, wenn’s auch im Berliner Umland so schön ist? Es war
der erste Tag der Ferien und wir waren gerade auf dem Grundstück von
Freunden im Ruppiner Land angekommen. Der Grill war angeworfen, vor uns
glitzerte der See in der Abendsonne.
Auf einmal Geschrei: Meine Tochter kam weinend angerannt und hielt sich
ihren linken Arm. Der sah nicht gut aus. Kurz unterhalb des Ellenbogens
ragte eine seltsame Wölbung unter der Haut hervor. Ein komplizierter Bruch
und dazu noch der Unterarmknochen aus dem Gelenk gesprungen. Das müsse
sogleich operiert werden, teilte uns im Krankenhaus der sichtlich
überarbeitete Arzt zerknirscht mit.
Statt uns in Badeseen zu lümmeln, verbrachten wir die nächsten drei Tage
also in einem sterilen Klinikzimmer mit Blick auf die Plattenbausiedlung
Neubrandenburg-Ost, hinter der schon morgens die gleißende Sonne schwebte.
Danach brachen wir den Urlaub ab und fuhren zurück nach Berlin, wo Luisa
wochenlang einen Gips trug, der bis zur Schulter reichte. Sie hat das
wacker ausgehalten, ein entspannter Sommer sieht trotzdem anders aus.
Das war vor einem Jahr. Seither verspreche ich meiner Tochter: Dieses Jahr
wird alles besser! Wir fahren in den Süden und werden uns an den Gestaden
des Mittelmeeres laben! Doch dann kam Corona. Und jetzt wissen wir immer
noch nicht, wohin es gehen soll. Dabei hatte ich schon im Januar eine Reise
nach Kroatien gebucht. Geplant war, zusammen mit einer Freundin Luisas in
einem 24-Stunden-Ritt im Zug nach Split zu gondeln – denn seit den „Fridays
for Future“-Demos ist meine Tochter noch unwilliger als vorher, wenn’s ums
Fliegen geht.
Zurück sollte es, so der sorgsam ausgehandelte Kompromiss, aber mit dem
Flugzeug gehen. Innerlich hatte ich den Urlaub an der Adria allerdings
schon abgeschrieben. Doch dann ließ ich mich im Frühsommer, als sich die
Pandemielage etwas entspannte, dazu hinreißen, von der mühseligen
Bahnanreise auf einen Hinflug nach Split umzusatteln.
## Rechne damit, es kann noch schlimmer kommen
Nur können wir uns momentan guten Gewissens in einen vollgestopften Flieger
setzen? Zumal in Kroatien die Coronazahlen wieder in die Höhe schnellen?
Ich weiß, dass ich nichts weiß, hat schon Sokrates gesagt. Dem würde ich
aber gerade nur bedingt zustimmen: Rechne immer damit, dass es noch
schlimmer kommen kann! Wegen eines Coronafalls im Umfeld des Sohns von
Freunden haben sich Luisa und ihre Mutter jedenfalls seit vier Tagen
freiwillig in Quarantäne begeben. Morgen soll das Testergebnis von Sohn und
Vater vorliegen. Ist das negativ, können wir endlich in die Ferien
aufbrechen. Aber wohin dann?
Sollten wir nicht in den Süden fliegen, bleibt noch eine Alternative:
Östlich von Berlin haben Freunde eine kleine Parzelle gepachtet. Die
überlassen sie uns. Ein Stückchen Acker mit Obstbäumen drumherum. Komfort:
zero. Weder Strom noch Trinkwasser – mit einer quietschenden Handpumpe
lässt sich aber wenigstens etwas Grundwasser fördern. Die Behausung: ein
Tipi. Daneben stehen ein Plumpsklo, eine Spüle und ein Holztisch mit
Bänken; an den Bäumen sind zwei Hängematten angebracht, that’s it.
Ich mag’s ja einfach, ist das Mantra, das ich mir nun ständig vorsage.
Meinem Kreuz tun die spartanischen Campingschlafmatten inzwischen
allerdings nicht mehr ganz so gut. Die wichtigsten Utensilien habe ich
darum vorsorglich schon erworben: eine Zeckenzange – und eine Klappmatratze
namens „Senior“.
Und ich freue mich jetzt schon auf den Moment – egal, ob ich dann auf einer
Matratze oder am Strand liege –, wenn ich meiner Tochter zuraune: „Ich
hab’s dir doch gesagt: Dieses Jahr wird alles besser!“ Mal sehen, ob’s au…
wirklich so kommt.
14 Jul 2020
## AUTOREN
Ole Schulz
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