# taz.de -- EU nach Abzug aus Afghanistan: Hilflosigkeit und Angst | |
> Groß ist die Sorge in der EU vor neuen Flüchtlingen aus Afghanistan. | |
> Brüssel signalisiert frühzeitig eine Kooperation mit Ankara, Islamabad | |
> und Teheran. | |
Bild: Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell, 05.02.2021 | |
So eine [1][harte Landung] haben die Außenpolitiker in Deutschland und in | |
der EU wohl nie zuvor hingelegt. Noch vor wenigen Monaten träumten sie von | |
einem „demokratischen Neuanfang“ in Afghanistan. Noch vor wenigen Wochen | |
vertrauten sie auf die Kampfbereitschaft der afghanischen | |
Sicherheitskräfte. Und noch vor wenigen Tagen drohten sie den Taliban mit | |
internationaler Isolation, sollten sie sich nicht an die westlichen | |
Spielregeln halten. | |
Und nun? Kurz nach dem Fall von Kabul erklärt der EU-Außenbeauftragte Josep | |
Borrell, das man selbstverständlich auch mit den Taliban sprechen werde. | |
„Die Taliban haben den Krieg gewonnen, also werden wir mit ihnen reden | |
müssen“, sagte Borrell am Dienstagabend nach einer [2][Videokonferenz der | |
27 Außenminister]. Die EU sei auch bereit, weiter humanitäre Hilfe zu | |
leisten, um die Afghanen zu schützen und Menschen, die in die EU einwandern | |
wollen, abzuwenden. | |
Plötzlich gilt nicht mehr, dass man sich mit Islamisten und Terroristen | |
grundsätzlich nicht an einen Tisch setzt. Plötzlich will die EU selbst dann | |
noch für Afghanistan zahlen, wenn die USA endgültig abgezogen sind und die | |
Taliban das Gesetz der Scharia durchgesetzt haben. Dahinter steckt kein | |
rationales Kalkül und schon gar keine langfristige Strategie – die hat die | |
EU in Afghanistan noch nie gehabt, man war ja nur Juniorpartner der USA und | |
der Nato. | |
Borrells Worte verraten etwas anderes: Hilflosigkeit und Angst. | |
Hilflosigkeit im Umgang mit einer Lage, die man nicht vorhergesehen hat und | |
die man nicht beherrscht – gegen die Taliban geht nichts mehr. Und Angst | |
vor vielen neuen Flüchtlingen, die bald die EU und Deutschland erreichen | |
könnte. „2015 darf sich nicht wiederholen“: Das hat man sich längst auch … | |
Brüssel geschworen. Damit die Afghanen nicht flüchten, will Borrell ihnen | |
helfen. | |
Man will zudem die Nachbarländer Afghanistans unterstützten, damit dort | |
Auffanglager und Arbeitsmöglichkeiten entstehen. „Pakistan, Iran und die | |
Türkei werden entscheidend für uns“, erklärte Borrell nach der | |
Krisensitzung. Sogar mit [3][Russland] und [4][China] will die EU enger | |
zusammenarbeiten, um einen „Exodus“ aus Afghanistan zu verhindern. Das wird | |
Geld kosten, viel Geld. Es ist der Preis für eine naive und gescheiterte | |
Politik. | |
Doch warum sollen diesen Preis nur die Europäer zahlen? Wieso präsentiert | |
die EU nicht den USA die Rechnung für den überstürzten und katastrophalen | |
Abzug aus Afghanistan? Wieso wagt es kaum ein EU-Politiker, | |
[5][US-Präsident Joe Biden] für seinen Crashkurs zu kritisieren? Wer | |
fordert Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg heraus, der noch am Dienstag | |
die angeblichen „Fortschritte“ in Afghanistan lobte und sich als Retter in | |
der Not präsentierte? | |
Dafür sei es noch zu früh, zunächst müsse man sich auf die Evakuierung | |
konzentrieren, heißt es in Brüssel. Das ist wohl wahr. Doch der Zeitpunkt | |
der Abrechnung wird kommen. Er wird bitter werden – nicht nur für die | |
Europäer. Wenn es stimmt, dass der Fall Afghanistans die größte | |
geopolitische Erschütterung seit der Annexion der Krim durch Russland war, | |
wie Borrell sagt, dann müssen sich auch die Amerikaner auf einiges gefasst | |
machen. | |
18 Aug 2021 | |
## LINKS | |
[1] /Vormarsch-der-Taliban/!5793723 | |
[2] https://www.tagesschau.de/ausland/europa/eu-aussenminister-afghanistan-kabu… | |
[3] /Russlands-Verhaeltnis-zu-den-Taliban/!5793850 | |
[4] /Machtuebernahme-in-Afghanistan/!5793849 | |
[5] /Nach-der-Machtuebernahme-der-Taliban/!5793933 | |
## AUTOREN | |
Eric Bonse | |
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