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# taz.de -- Dritte Coronawelle in Europa: Welche Beschränkungen wo wirken
> Strenge Maßnahmen oder zaghafte Lockerungen: Wie Frankreich, Portugal und
> Irland mit der Pandemie umgehen.
Bild: Gefährliches Frühlingstreiben an der Seine in Paris – trotz hoher Inf…
Paris/Dublin/Madrid taz | Seit Wochen sagt Präsident Emmanuel Macron, er
wolle einen harten Lockdown vermeiden, den seine wissenschaftlichen Berater
und die Mediziner öffentlicher Krankenhäuser gefordert hatten. Jetzt sind
die Intensivstationen in mehreren Landesteilen, darunter der
Hauptstadtregion, bis an die Kapazitätsgrenzen oder sogar darüber hinaus
belegt.
Seit Beginn der „dritten Welle“ versuchen die Behörden, Zeit zu gewinnen,
bis die Impfkampagne voll im Gang ist. Wie in den Nachbarländern hat sie
aber mangels Impfstoffen verspätet und [1][zu langsam begonnen].
Die nächtliche Ausgangssperre um 20 Uhr wurde darum Mitte Januar auf 18 Uhr
vorverlegt. Schulen und Geschäfte aber blieben geöffnet. Nach der
Sperrstunde (wegen Sommerzeit jetzt um 19 Uhr) sind in Paris tatsächlich
weniger Leute auf der Straße. Doch viele haben Freunde oder Verwandte, die
freimütig erzählen, dass sie sich in Wohnungen zu „klandestinen“ Diners
oder Partys treffen, da sie Polizeikontrollen kaum fürchten. Andere haben
berufliche Ausreden.
In Nizza und Dunkerque wurde angesichts der rasanten Entwicklung zusätzlich
ein Lockdown am Wochenende angeordnet. Dessen Wirkung blieb bescheiden. Vor
zehn Tagen musste dann die Regierung in bisher 19 Départements, in denen
mehr als ein Drittel der Gesamtbevölkerung lebt, weitere
Ausgangsbeschränkungen dekretieren. Dort darf man sich nur in einem
Zehn-Kilometer-Umkreis bewegen. Geschäfte, die nicht „unentbehrlich“ sind,
mussten wieder schließen. Für Restaurants, Cafés, Theater ist die
Wiedereröffnung nicht in Sicht. Offiziell ist nicht von einem dritten
„Confinement“ (Lockdown) die Rede.
Doch das ist Wortklauberei, weil Macron am Rande eines Europäischen Rats
erklärt hatte, er habe keinen Anlass zu einem „Mea culpa“, denn die von den
Epidemiolog:innen prophezeite „Explosion“ der Zahl von Neuinfektionen
sei ausgeblieben. Die Medien dagegen sprachen fast einstimmig von einer
„verlorenen Wette“ des Staatschefs, der bei Corona alles allein beschließen
wolle.
Vor allem [2][in den Schulen], die immer offen blieben, häufen sich derzeit
die Infektionen, die eine Schließung der betroffenen Klassen erfordern. Die
dritte Welle zwingt nun Macron, die „Schraube“ der Restriktionen weiter
zuzudrehen. Die Ankündigung wird Mittwoch oder Donnerstag erwartet.
## Irland bleibt geschlossen
Irland hingegen befindet sich bereits seit Jahresbeginn [3][im dritten
Lockdown]. Die höchste Restriktionsstufe 5 gilt bis Montag, doch danach ist
kaum mit Lockerungen zu rechnen. Bis auf Lebensmittelgeschäfte und
Apotheken ist alles geschlossen. Hausbesuche sind verboten. Man darf sich
nur fünf Kilometer von der eigenen Wohnung entfernen. Nur Grundschulen sind
Mitte März schrittweise geöffnet worden.
Doch die Maßnahmen zeigen nur bedingt Wirkung. Zwar mussten weniger
Coronapatienten ins Krankenhaus oder auf die Intensivstation. Aber die Zahl
der Neuinfektionen stagniert und geht nicht entscheidend zurück. Das liegt
vor allem an der infektiösen britischen Virusmutation B 1.1.7, die
inzwischen für über 90 Prozent der Fälle verantwortlich ist. Die Regierung
hatte es versäumt, Einreisebeschränkungen zu verhängen. Auch wurden
[4][Restriktionen populistisch zu Weihnachten aufgehoben], was Irland teuer
zu stehen kam.
Im Dezember reisten 165.000 Menschen nach Irland. Viele brachten neben
Weihnachtsgeschenken auch das Virus mit. Hatte die Grüne Insel Anfang
Dezember die niedrigste Infektionsrate der EU, weil man Ende Oktober
scharfe Restriktionen verhängt hatte, so verzeichnete sie Anfang Januar die
höchste Neuinfektionsrate der Welt.
Deshalb musste man die Reißleine ziehen. Silvester wurde erneut
Restriktionsstufe 5 verhängt. Aber erst seit vorigem Freitag müssen
Einreisende aus Hochrisikogebieten für zwei Wochen ins Quarantänehotel –
auf eigene Kosten, selbst bei negativem Testergebnis. Die vier vorgesehenen
Hotels bewachsen Sicherheitsfirmen und die Armee.
Die bisherige Coronabilanz: mehr als 235.000 Fälle bei fünf Millionen
Einwohnern, fast 4.700 Tote, von denen 40 Prozent in den ersten sechs
Wochen 2021 gestorben sind. Premierminister Micheál Martin rechnet nicht
damit, dass die Neuinfektionen im April auf unter 500 pro Tag sinken
werden. Ein Gesundheitsexperte meint: „Wenn die Regierung im April etwas
unternimmt, das die Welle verstärkt, wäre das eine Katastrophe. Wartet man
aber bis Mai oder Juni, könnte das Risiko geringer sein.“
Auch das National Public Health Emergency Team, das die Regierung berät,
setzt darauf, dass das verstärkte Impfprogramm in acht Wochen Wirkung
zeigen werde. Bis dahin müssen die Iren durchhalten. Das tun sie relativ
gelassen.
## Portugal traut sich an Lockerungen
Als [5][Anfang Februar 26 medizinische Kräfte der Bundeswehr], darunter
acht Ärzte, von Deutschland nach Portugal reisten, drohte dort gerade das
Gesundheitssystem zu kollabieren. Mit über 800 Covid-Intensivpatienten
waren die Krankenhäuser des Landes mit zehn Millionen Einwohnern völlig
überlastet.
Als die deutschen Helfer das Land letzten Freitag wieder verließen, feierte
Portugals Premier ihren Abschied: „Ich bin dem Medizinerteam der deutschen
Armee, das sechs Wochen Seite an Seite mit unserem Gesundheitspersonal
gegen Covid-19 gekämpft hat, dankbar“, twitterte Antonio Costa.
Portugal hatte nach weitgehenden Öffnungen an Weihnachten die [6][Kontrolle
über die Pandemie verloren]. Dazu kamen Familienbesuche von Portugiesen aus
dem Ausland. Viele leben in Großbritannien und brachten die neue
aggressivere Virusmutation mit. Jetzt, nach zwei Monaten hartem Lockdown,
sind die Zahlen endlich wieder runter.
Es werden noch 136 Covid-Fälle in den Intensivstationen behandelt. Lag die
14-Tageinzidenz der Neuinfektionen beim Eintreffen der Bundeswehr pro
100.000 Einwohner im Landesschnitt bei über 1.400, sind es derzeit noch 72.
Pro Tag sind weniger als 10 Covid-Tote zu beklagen. Anfang Februar waren es
um die 300. Bisher haben 16.843 Portugiesen Covid-19 nicht überlebt.
Costa verspricht eine neue Öffnung – „umsichtig und langsam, Stück für
Stück …“. Die Regierung hat offenbar gelernt. Kindergärten, Vor- und
Grundschulen sowie Friseursalons, Bibliotheken und Buchhandlungen öffneten
bereits Mitte März. Gartenlokale, Museen, kleine Geschäfte und Cafés müssen
bis Ostermontag warten. Die Mittel- und Oberstufe der Schulen und die
Universitäten öffnen am 19. April, auch Kinos, Theater und Einkaufszentren.
Restaurants dürfen dann eingeschränkt öffnen.
Die Grenze zu Spanien bleibt bis Ostermontag zu. Die Regeln für
internationale Flüge werden verschärft. Wer aus einem Land mit einer
14-Tage-Inzidenz von über 150 kommt, darf nur in dringenden Fällen und mit
negativen PCR-Test einreisen. Wer aus einem Land mit einem Wert über 500
kommt, muss zwei Wochen in Quarantäne. Die Maßnahmen sollen alle zwei
Wochen geprüft werden, so Costa. Der Ausnahmezustand, der wieder
Verschärfungen möglich macht, gilt bis mindestens Anfang Mai.
30 Mar 2021
## LINKS
[1] /Corona-Impfungen-in-Frankreich/!5738119
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[3] /Coronaleugner-in-Irland/!5754257
[4] /Coronainfektionen-in-Irland/!5744045
[5] /Bundeswehreinsatz-wegen-Pandemie/!5748710
[6] /Pandemie-in-Portugal/!5745927
## AUTOREN
Rudolf Balmer
Ralf Sotscheck
Reiner Wandler
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