| # taz.de -- Dokumentarfilm über Tanz im Iran: Blicke in eine verschlossene Welt | |
| > Die Regisseurin Sarvnaz Alambeigi erkundet in ihrem Film „1001 Nights | |
| > Apart“ die Geschichte des Tanzes im Iran. Dieser ist seit 1979 dort | |
| > verboten. | |
| Bild: Die im Film gezeigten iranischen Tänzer:innen begegnen dem Projekt zum T… | |
| Die einen machen modernen Ausdruckstanz im Untergrund. Die anderen | |
| klassisches Ballett mit Spitzenschuhen, Tutu, großem Dekor und Publikum. | |
| Dazwischen liegen vierzig Jahre und ein politischer Umbruch. Denn als das | |
| Iranische Nationalballett 1979 mit „Dornröschen“ seine letzte Premiere | |
| feierte, [1][war noch Schah Reza Pahlavi an der Macht.] | |
| [2][Nach der sogenannten Islamischen Revolution] wurde das Ballett als eine | |
| der ersten Sparten wegen seines angeblich unislamischen Charakters | |
| verboten, fast alle der damaligen 51 Tänzer und Tänzerinnen verließen in | |
| der Folge das Land. Doch heute sind in Teheran wieder Menschen dabei, in | |
| einem ausgebauten Kellerstudio – streng geheim – mit dem Instrument ihrer | |
| bewegten Körper Emotionen und Erfahrungen auszudrücken. Von der Tradition | |
| des Tanzes im Iran wissen die meist jungen Leute durch das von oben | |
| verordnete Schweigen wenig. | |
| Die 1978 geborene iranische Filmemacherin, Malerin und Dichterin Sarvnaz | |
| Alambeigi interessierte sich für diese neue Tanzszene und wollte eine | |
| Brücke vom Gestern ins Heute bauen. Filmisch, mit der Vorführung der | |
| wenigen nach dem islamistischen Bildersturm erhaltenen Filmdokumente der | |
| alten Aufführungen vor den jungen Tänzerinnen und Tänzern. Aber auch durch | |
| echte Begegnungen mit den heute um die Welt verstreuten Akteuren von | |
| damals. Etwa dem (mittlerweile verstorbenen) Gründungspaar des | |
| Nationalballetts, das zur Drehzeit im englischen Manchester lebte. | |
| Der 92-jährige Nemad Ahmadzadeh, der mit seiner Frau im Wohnzimmer seines | |
| Hauses ein paar Walzerschritte dreht, war Chef des Ensembles. Die 1930 in | |
| Teheran geborene Haideh Ahmadzadeh wurde als kränkelndes Kind von ihren | |
| Eltern aus gesundheitlichen Gründen zum Tanzunterricht gegeben und dann die | |
| erste umjubelte Primaballerina des Iran. Da ist Bahareh Sardari, die jetzt | |
| in Washington Ballett lehrt. Und der ehemalige Künstlerische Leiter des | |
| Iranischen Nationalballetts, Ali Pourfarrokh, unterrichtet Kinderballett | |
| auf Long Island. | |
| Einige jenseits des Tanzes selbst an den Produktionen Beteiligte sind noch | |
| im Iran: Der Grafikdesigner Bezhad Haram etwa, der die einzig erhaltenen | |
| Exemplare der von ihm damals künstlerisch gestalteten Plakate für | |
| Aufführungen von „Schwanensee“ oder „La fille mal gardée“ präsentier… | |
| von der Filmemacherin bewundert werden. Oder die Bühnenbildnerin Mahdokt | |
| Nikbakth, die unter starker gegenseitiger Rührung einem der jungen Tänzer | |
| ein Buch mit ihren Entwürfen für die Inszenierung von Nikolai | |
| Rimski-Korsakows „Scheherazade“ zeigt. | |
| Sie erzählt auch, dass sie Teile ihrer damaligen Bühnenbauten heute im | |
| Fernsehen als Deko-Elemente hinter den inszenierten Auftritten von | |
| Würdenträgern sieht. | |
| ## Heute kein Tanz mehr im Iran | |
| Alambeigis Wunsch, auch die Exilierten der Generation des klassisch | |
| iranischen Balletts zur Zusammenarbeit mit der jungen klandestinen | |
| Tanzszene zu bringen, will dagegen nicht wirklich gelingen. Pourfarrokh | |
| gibt sich überzeugt, dass die tollen jungen Menschen im Iran mit seinem | |
| tänzerischen „vocabulary“ nichts anfangen könnten. Andere waren | |
| misstrauisch, sagt die Regisseurin im Film. | |
| Manche können aus Altersgründen oder Zeitmangel nicht reisen. Und Nemad | |
| Ahmadzadeh beharrt in leicht arrogantem Ton darauf, es könne heute keinen | |
| Tanz im Iran mehr geben. Nur der ehemalige Startänzer Behrooz Vasseghi, der | |
| mittlerweile beim Scapino Ballett in Rotterdam die Proben leitet, lädt eine | |
| große Delegation aus Teheran in das dortiges Studio zur gemeinsamen Arbeit | |
| ein. | |
| Auch in der jungen Truppe sind nicht alle von Alambeigis Projekt | |
| begeistert. Der Film zeigt sehr schön (zwischen ausführlichen Szenen von | |
| Tanzproben im Studio) den Austausch diverser Einschätzungen in einem durch | |
| den Film geführten selbstreflexiven Gruppengespräch mit der Regisseurin. | |
| Dabei geht es offen und direkt zur Sache. | |
| ## Film als Gefahr? | |
| Für einige ist die aktuelle ökonomische und politische Realität im Iran | |
| einfach zu krass entfernt von der mondänen Teheraner Oberklasse der | |
| Schah-Zeit, um sich für deren Kulturgenuss zu interessieren. Von anderen | |
| wird angemahnt, dass von dem Projekt nur die Filmemacherin profitieren | |
| würde, die außerdem nicht wirklich tief genug eingestiegen sei. | |
| Und es kommt die naheliegende Frage auf, ob der Film nicht zur Gefahr für | |
| das klandestine Tanzstudio und seine Akteure werden kann, denen Gefängnis | |
| droht. | |
| Wenn am Ende auch kollektive Kritik daran geübt wird, dass der Film die | |
| Truppe miserabilisiere („Wir sind keine Opfer. Wir tun das, was wir tun mit | |
| Leidenschaft und Engagement“) und instrumentalisiere („Im Ausland kommt | |
| das vielleicht gut an, aber für mich ist es banal und oberflächlich“), ist | |
| das Ausmaß an Inszenierung nicht ganz klar, letztere Einschätzung zumindest | |
| teilweise richtig. Denn wir westlichen Zuschauer profitieren stark von den | |
| intimen Einblicken in eine uns sonst verschlossene Welt. Die geplante Reise | |
| in die Niederlande dagegen gerät am Ende ins Getriebe großer Politik. | |
| 20 Jul 2022 | |
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| ## AUTOREN | |
| Silvia Hallensleben | |
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