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# taz.de -- Diskussion über Wohnungsnot: Hamburg lässt Volljährige allein
> Im August zählten Sozialarbeiter in der Stadt über 300 junge
> Wohnungslose. Die Dunkelziffer sei höher, warnen Fachleute und haben
> konkrete Forderungen.
Bild: Grad 18 Jahre alt und schon in Wohnungsnot: In Hamburg fehlt es an Hilfen…
Hamburg taz | Drei Jahre lebte Charlotte Steiner in einer
Jugendhilfewohnung in Norderstedt. „Mit 18 musste ich sie verlassen“,
berichtet die junge Frau. Sie konnte eine Zeit lang bei der Mutter eines
Freundes wohnen, musste aber im Januar mit ihrem Freund in eine
Obdachlosenunterkunft ziehen. Sie selbst kam dort im März raus und fand
Platz in einer Einrichtung, doch ihr 18-jähriger Bekannter lebt noch immer
da.
Charlotte Steiner ist Mitglied im [1][Jugendrat Hamburg], einem
Zusammenschluss von jungen Leuten, die zum G20-Gipfel in Hamburg im Sommer
2017 den Bildungsstreik organisierten und die seither gemeinsam Politik
machen, zum Beispiel zur Jugendobdachlosigkeit. „Unser Anliegen ist, dass
die individuelle Problemzuweisung aufhört und nach systembedingten Ursachen
geguckt wird“, sagt Steiner. „Wohnen ist ein Menschenrecht, dass
bedingungslos jedem gewährleistet werden muss.“
Steiner wird heute in der Hochschule für Angewandte Wissenschaften mit
Politikern von SPD, CDU, Grünen, FDP und Linken darüber diskutieren, wie
man „Wohnraum für junge Menschen in Hamburg schaffen“ kann. Dazu eingeladen
hat der [2][Arbeitskreis Wohnraum junge Menschen].
Ein Problem ist, dass der Rechtsanspruch auf eine „Hilfe zur Erziehung“ mit
18 Jahren erlischt und die sogenannten „Hilfen für junge Volljährige“ nur
eine Sollvorschrift sind. „Und es gibt viele junge Menschen, die landen gar
nicht erst in der Jugendhilfe und müssen mit 18 bei ihren Eltern raus“,
erläutert Olaf Sobczak vom Arbeitskreis. So droht Jugendobdachlosigkeit,
ein schlechter Start ins Leben. Viele machten auch „Couchsurfen“ und lebten
bei Bekannten, sie werden gar nicht mitgezählt.
## Stiftung für Notschlafstelle gesucht
Und das Problem scheint beachtlich. Auf Bitte des
Landesjugendhilfeausschusses führten vom 1. bis 31. August 13 Einrichtungen
der Jugendsozialarbeit eine Zählung durch und kamen auf 317 junge
wohnungslose Menschen. Die Hamburger Obdachlosenbefragung vom Jahr davor
hatte bei einer „Stichwochenerhebung“ 163 Obdachlose bis 27 Jahre gezählt.
Bedenke man, dass ein Großteil sich in „versteckter Wohnungslosigkeit“
bewege, lasse dies eine hohe Zahl von Betroffenen erahnen, heißt es in
einem „Positionspapier“ des Kreises, in dem rund ein Dutzend Einrichtungen
vertreten sind.
Schon seit über zehn Jahren fordern die Sozialarbeiter eine eigene
Notschlafstelle für diese Zielgruppe, damit sie diese nicht in
Erwachsenenunterkünfte schicken müssen. Die Stadt lehnt dies ab, deswegen
sucht das Projekt „Hude“ für junge Wohnungslose im Bezirk Nord dringend
eine Stiftung, die ein Modellprojekt finanziert. „Wir wollen rausfinden, ob
dieser Ansatz etwas bringt“, sagt Hude-Mitarbeiter Alexis Schnock. Sei
eine Stiftung dazu bereit, solle sie sich melden.
Doch man solle auch darüber reden, „wie endlich mehr Wohnraum für junge
Menschen entsteht“, sagt Sobczak. Im Rahmen eines städtischen Konzepts
seien seit 2013 nur 20 Wohnungen gebaut worden.
Sobzcak und Kollegen haben dafür einen Katalog mit 18 Forderungen. Ganz
wichtig sei, dass es „keine Entlassung aus stationärer Jugendhilfe in
Wohnunterkünfte oder Wohnungslosigkeit“ geben dürfe und der Verbleib der
jungen Menschen statistisch verlässlich erfasst werde. Auch müsse man
kleine Wohnheime nach dem Vorbild der Studentenheime schaffen und
Wohnungsunternehmen verpflichten, auch junge Menschen zu versorgen.
## Wenig Chancen auf Sozialwohnung
Die Stadt müsse zur Hälfte Sozialwohnungen bauen und bei Ausschreibungen
Wohnraum für junge Menschen als „verbindliches Kriterium“ festlegen. Auch
brauche man eine Quote von Sozialwohnungen für junge Menschen. Sonst hätten
diese in Konkurrenz zu Familien mit Berechtigungsschein kaum eine Chance.
In den Unterkünften für Wohnungslose seien zudem auch junge Menschen
gestrandet, die wegen ihres Aufenthaltsstatus keinen Dringlichkeitsschein
bekommen. Auch die „müssen mit Wohnungen versorgt werden“, sagt Sobczak.
Sobczak hat die Hoffnung, dass die Parteien kurz vor der Wahl für die Nöte
der jungen Leute offen sind. „Seit über Jahren reden wir drüber“, sagt er,
„es muss sich endlich was tun.“
21 Nov 2019
## LINKS
[1] https://jugendrathh.noblogs.org/
[2] http://jungwohnungslos-hamburg.de/
## AUTOREN
Kaija Kutter
## TAGS
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Melanie Leonhard
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