| # taz.de -- Diskriminierung von TIN-Studierenden: Wenn nur der falsche Name zä… | |
| > Die Humboldt-Universität steht in der Kritik, weil sie die selbst | |
| > gewählten Namen von trans, inter und nichtbinären Studierende nicht | |
| > anerkennt. | |
| Bild: Was hätte er wohl dazu gesagt? Alexander von Humboldt vor dem Hauptgebä… | |
| Berlin taz | Die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) hat das – soweit | |
| bekannt – erste Beanstandungsverfahren nach dem | |
| Landesantidiskriminierungsgesetz (LADG) eingeleitet. Der gemeinnützige | |
| Verein, der sich mit strategischen Klagen für Grund- und Menschenrechte | |
| einsetzt, wirft der Humboldt-Universität vor, ihre trans, inter und | |
| nichtbinären Studierenden zu diskriminieren, indem sie deren selbst | |
| gewählte Namen vor einer amtlichen Namensänderung nicht anerkennt. | |
| „Die Humboldt-Universität verstößt damit klar gegen das | |
| Diskriminierungsverbot nach dem LADG sowie gegen Artikel 3 des | |
| Grundgesetzes“, sagte Soraia Da Costa Batista, Juristin bei der GFF, am | |
| Dienstag der taz. | |
| Mit dem bundesweit einmaligen LADG haben Einzelpersonen und registrierte | |
| Verbände die Möglichkeit, sich gegen Diskriminierungen durch Landesbehörden | |
| und -institutionen juristisch zur Wehr zu setzen. Einzelpersonen können | |
| Beschwerde bei der zuständigen Ombudsstelle in der Justizverwaltung | |
| einlegen, Verbände wie die GFF müssen ihre Beanstandung zunächst direkt bei | |
| der kritisierten Institution einreichen. Im Anschluss hat diese drei Monate | |
| Zeit zu reagieren – danach kann beim Verwaltungsgericht Klage erhoben | |
| werden. | |
| Ob die GFF diesen Schritt am Ende gehen wird, ließ Da Costa Batista offen. | |
| Zunächst hoffe man auf ein Einlenken der Uni, sagte sie der taz. „Der Wille | |
| scheint ja da zu sein, jetzt müssen aber auch Taten folgen.“ | |
| ## Zwangsoutings und Rechtfertigungsdruck | |
| Was die aktuelle Situation für Betroffene bedeutet, erklärt Bo Günther von | |
| der hochschulübergreifenden Studierendengruppe Unitin* – TIN ist die | |
| Abkürzung für trans, inter und nichtbinäre Menschen. „Wenn Betroffene | |
| gezwungen werden, den abgelegten Namen zu verwenden, der nicht mit ihrer | |
| gelebten Identität übereinstimmt, führt das oft zu massiver psychischer | |
| Belastung. Es kommt zu Zwangsoutings und einem ständigen | |
| Rechtfertigungsdruck, auch außerhalb der Uni, etwa bei | |
| Fahrkartenkontrollen.“ | |
| Die „CampusCard“ gilt nicht nur als Studierendenausweis, sondern ist zudem | |
| Semesterticket, Bibliotheks- und Mensakarte. Auch die | |
| Immatrikulationsbescheinigung, die HU-Studierenden ebenfalls nur auf den | |
| amtlichen Namen ausgestellt wird, ist außerhalb der Uni relevant, etwa bei | |
| Anträgen für Kindergeld oder Bafög, bei Studierendenrabatten. | |
| Zudem, so Günther, müssten sich Betroffene zu jedem Semesterbeginn | |
| gegenüber sämtlichen Lehrenden einzeln erklären, wenn sie sich für | |
| Lehrveranstaltungen anmelden. „Das bindet viel Zeit und Energie, auch in | |
| der Univerwaltung. Diese Reibungsverluste sind unnötig.“ | |
| Hintergrund für das ganze Problem ist der schwierige Weg, den das | |
| Transsexuellengesetz (TSG) für eine amtliche Namensänderung vorsieht. | |
| Betroffene kritisieren das mehrjährige Verfahren, das unter anderem zwei | |
| psychologische Gutachten erfordert, schon lange als abschreckend und | |
| traumatisierend. Inzwischen wurde das TSG als in weiten Teilen als | |
| verfassungswidrig erklärt und die Bundesregierung will es durch ein neues | |
| „Selbstbestimmungsgesetz“ ersetzen. Noch aber ist es nicht so weit. | |
| ## Ein Teil des Problems | |
| Die Humboldt-Uni erklärt auf taz-Anfrage, man unterstütze das [1][Anliegen | |
| der Studierenden] zur Führung des selbst gewählten Namens. Inzwischen habe | |
| man die organisatorischen und technischen Voraussetzungen dafür geschaffen, | |
| dass „mit Beginn des Sommersemesters die hochschulinterne Verwendung des | |
| selbst gewählten Namens möglich sein wird“. | |
| Ein Teil des Problems ist also bald gelöst, Studierende können sich dann | |
| etwa bei „Agnes“, dem Online-Vorlesungs- und Veranstaltungssystem der HU, | |
| mit ihrem selbst gewählten Namen für Seminare und Prüfungen anmelden. Dies | |
| ist allerdings weniger ein Entgegenkommen der Uni als vielmehr eine Vorgabe | |
| des im vorigen Jahr [2][geänderten Berliner Hochschulgesetzes], das die | |
| Einrichtung dieser Möglichkeit in internen Unisystemen vorschreibt. | |
| Doch den Studierenden und der GFF reicht das nicht. Sie sind der | |
| Auffassung, dass der grundrechtliche Anspruch auf Achtung der | |
| geschlechtlichen Identität die Humboldt-Uni verpflichtet, den | |
| Identitätsnamen auch in Bereichen mit Außenwirkung wie der CampusCard und | |
| der Immatrikulationsbescheinigung zu ermöglichen. Bei Zeugnissen solle das | |
| mindestens geprüft werden. | |
| Nach Darstellung der Universität ist dies jedoch nicht möglich. | |
| Pressesprecher Hans-Christoph Keller erklärte, die zuständige | |
| Senatsverwaltung habe die Rechtseinschätzung gegeben, „dass die Verwendung | |
| des selbst gewählten Namens in Fällen mit Außenwirkung rechtswidrig ist“. | |
| Man bedauere dies, betonte Keller: „Gern hätte die Humboldt-Universität | |
| anstelle der ressourcenintensiven Teillösung gleich die wesentlich leichter | |
| umzusetzende Verwendung des selbst gewählten Namens in allen Belangen | |
| ermöglicht.“ | |
| ## dgti-Ersatzausweis als Brücke | |
| Die Senatsverwaltung bestätigte auf taz-Anfrage: Anders als bei | |
| hochschulinternen Dokumenten sei vor einer amtlich bestätigten | |
| Namensänderung nach dem TSG „aus rechtlichen Gründen die Verwendung des | |
| Wunschnamens in öffentlichen Urkunden der Hochschule nicht möglich“. | |
| Die anderen großen Hochschulen erlauben ihren Studierenden allerdings den | |
| selbst gewählten Vornamen auf Campus-Card und Immatrikulationsnachweis, | |
| [3][die FU hat dies erst im Januar neu eingerichtet]. An der TU ist die | |
| vorzeitige Namensänderung bereits seit über einem Jahr möglich, wie das | |
| autonome [4][Queer Referat des AStA auf seiner Webseite lobt]. | |
| TU-Studierende können online zunächst einen Ergänzungsausweis der Deutschen | |
| Gesellschaft für Transidentität und Intersexualität e. V. (dgti) | |
| beantragen. Dieser dgti-Ausweis, in dem die selbst gewählten Daten zu Name | |
| und Geschlecht dokumentiert sind, wird inzwischen von zahlreichen Behörden | |
| als Ersatzausweis anerkannt. Mit diesem können TU-Studierende einen neuen | |
| Studierendenausweis beantragen. Auch an der Alice-Salomon-Hochschule wird | |
| der dgti-Ausweis als Nachweis akzeptiert. | |
| Allerdings findet Günther von Unitin* auch diese Regelung nicht optimal, | |
| weil der dgti-Ausweis gesondert beantragt werden muss und zudem 20 Euro | |
| kostet. „Die Namensänderung muss niedrigschwellig, unbürokratisch und | |
| kostenlos möglich sein“, fordert Günther. | |
| ## Kein Identitätsnachweis | |
| Den rechtlichen Einwand der Senatsverwaltung finden weder Günther noch Da | |
| Costa Batista überzeugend. „Die CampusCard ist ja kein Identitätsnachweis | |
| wie der Personalausweis“, unterstreicht Da Costa Batista. Und eine | |
| eindeutige Zuordnung der darauf abgebildeten Person sei auch über die | |
| Matrikelnummer möglich. Etwas komplizierter sei die Sache bei Zeugnissen, | |
| gibt sie zu, weil dies offizielle Urkunden sind. „Wir würden uns wünschen, | |
| dass sich die Universitäten hierzu etwas überlegen“, sagt sie. | |
| „Aufgrund der erheblichen grundrechtlichen Erwägungen, etwa der Sorge vor | |
| Outing auf der Arbeitssuche, sehen wir hier eine Pflicht der Hochschulen, | |
| Möglichkeiten zu prüfen, die im Einzelfall angeboten werden können, etwa | |
| durch zusätzliche Angaben oder auch Nennung von Identitäts- und Vornamen.“ | |
| Laut einer [5][rechtlichen Prüfung der Antidiskriminierungsstelle des | |
| Bundes] von 2016 ist es für Hochschulen „vollumfänglich“ möglich und | |
| rechtlich unbedenklich, den selbst gewählten Namen schon vor der amtlichen | |
| Änderung zu verwenden. | |
| Günther findet, angesichts dieser klaren Einschätzung solle sich die Uni | |
| hinter die eigenen Studierenden stellen. „Das wäre Hochschulleitung mit | |
| Rückgrat.“ | |
| 24 Feb 2022 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Diskriminierung-von-trans-Personen/!5754923 | |
| [2] /Neues-Hochschulgesetz/!5755100 | |
| [3] https://twitter.com/FU_Berlin/status/1481991834905812996 | |
| [4] https://asta.tu-berlin.de/ | |
| [5] https://www.antidiskriminierungsstelle.de/SharedDocs/downloads/DE/Literatur… | |
| ## AUTOREN | |
| Susanne Memarnia | |
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