# taz.de -- Deutschlandpakt des Kanzlers: Bluff mit ausgestreckter Hand | |
> Schon lange gibt es einen Plan, gemeinsam Deutschland zu modernisieren. | |
> Dass es nicht vorangeht, liegt an der Ampel – und an fehlendem Geld. | |
Bild: Olaf Scholz im Bundestag während der Haushaltsdebatte am 06. September | |
Wow, da hat der Kanzler den Oppositionsführer Friedrich Merz sauber | |
ausgekontert! Dessen wütende Attacken parierte er mit dem Angebot, einen | |
gemeinsamen Deutschlandpakt zu schließen. Ausgestreckte Hand statt | |
geballter Faust, prima. Doch leider ist dieses Angebot, da hat | |
Nordrhein-Westfalens CDU-Ministerpräsident [1][Hendrik Wüst] recht, vor | |
allem ein PR-Gag. | |
Denn das, was Olaf Scholz der Opposition so gönnerhaft vorgeschlagen hat, | |
liegt seit gut einem Jahr auf dem Tisch: Vorschläge für schnellere | |
Planungs- und Genehmigungsverfahren, etwa für den Bau von Straßen und | |
Radwegen, von Windrädern und Stromtrassen. | |
Das dauert. [2][Deutschlandtempo] heißt aktuell Schneckentempo. Bis eine | |
neue Bahnstrecke eröffnet wird, vergehen im Schnitt 25 Jahre, ein Windrad | |
steht immerhin schon nach acht Jahren. Wenn Deutschland es schaffen will, | |
bis 2045 klimaneutral zu werden, muss es den Turbo einlegen, wie Scholz | |
richtig sagte. | |
Doch der im März beim Treffen des Kanzlers mit den | |
Ministerpräsident:innen angekündigte „Pakt für Planungs-, | |
Genehmigungs- und Umsetzungsbeschleunigung“ liegt bis heute nicht vor. | |
Immerhin gab Scholz im Juni bekannt, dass eine gemeinsame Arbeitsgruppe | |
eingerichtet werde. Von der hat man aber nichts mehr gehört. | |
Dass es so zäh vorangeht, liegt zum einen an den zersplitterten | |
Zuständigkeiten. Eine Unternehmerin, die einen Windpark in Niedersachsen | |
bauen will, muss etwa den Transport der Rotorblätter in jedem Bundesland, | |
das der [3][Schwertransport] passieren wird, neu beantragen. Jedes Land hat | |
eigene Vorschriften. Föderalismus eben. | |
Es liegt aber auch an den Friktionen in der Ampel selbst. Über die Frage, | |
ob nun Schienen oder Autobahnen beschleunigt gebaut werden, haben Grüne und | |
FDP zu Jahresbeginn monatelang gestritten. Die mühsam ausgehandelten | |
Kompromisse innerhalb der Ampel lassen dann kaum noch Spielräume zu, dass | |
die Bundesregierung ihrerseits den Ländern entgegenkommen kann. | |
Die fühlen sich vom Bund schon seit Längerem schlecht behandelt, klagen | |
über fehlende Kommunikation und mangelndes Verständnis. Obwohl nur sechs | |
der 16 Bundesländer unionsgeführt sind, heißt es oft 16 (Länder) gegen | |
einen (Bund), wie aktuell beim Industriestrompreis oder auch in der Frage: | |
wie weiter bei der Versorgung von Geflüchteten? Hinter diesen Querelen | |
steht das schnöde, aber wichtige Thema der Kosten. Wer zahlt? Wenn Scholz | |
nun die Hand ausstreckt, täte er gut daran, das Portemonnaie griffbereit | |
und die Koalitionspartner in Schach zu halten. Beides wird kaum gelingen. | |
Der angestrebte Deutschlandpakt bleibt wohl ein großer Bluff. | |
8 Sep 2023 | |
## LINKS | |
[1] /Reaktionen-auf-Deutschlandpakt/!5958843 | |
[2] /Generaldebatte-im-Bundestag/!5955338 | |
[3] /Schwertransporte-fuer-Windradbau/!5949981 | |
## AUTOREN | |
Anna Lehmann | |
## TAGS | |
Olaf Scholz | |
Friedrich Merz | |
Ampel-Koalition | |
Verkehrsplanung | |
Föderalismus | |
Föderalismus | |
Ampel-Koalition | |
Schwerpunkt Klimawandel | |
Olaf Scholz | |
Generaldebatte | |
Schwerpunkt Klimawandel | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Ideen für den „Deutschlandpakt“: Föderalismus neu denken | |
Wie können Bund, Länder und Kommunen besser zusammenarbeiten? Eine Gruppe | |
von SPD-Politiker:innen hat Vorschläge gemacht. | |
Halbzeitbilanz der Ampelregierung: Besser als ihr Ruf | |
Eine Studie zeigt, dass die Ampelkoalition knapp zwei Drittel der Vorhaben | |
aus dem Koalitionsvertrag angegangen ist. Das dringt allerdings wenig | |
durch. | |
Entlastung der Wirtschaft bei Strompreis: Staatshilfe kontra klügere Verträge | |
Unternehmen klagen über zu teuren Strom. Muss die Politik helfen? Wenn ja, | |
wie? FDP-Minister Lindner und der Grüne Trittin treiben die Debatte weiter. | |
Reaktionen auf „Deutschlandpakt“: Hendrik Wüst fühlt sich „veräppelt“ | |
Die Bundesländer sind bereit für den „Deutschland-Pakt“ – zumindest laut | |
eigener Aussage. CDU-Ministerpräsidenten sehen darin „nichts Neues“. | |
Generaldebatte im Bundestag: Scholz streckt Merz die Hand aus | |
Kaum hat man sich an die Augenklappe gewöhnt, macht der Kanzler einen neuen | |
Zug. Er bietet der Union einen „Deutschlandpakt“ an. | |
Vorschlag für Straßenverkehrsreform: Streit um Verkehrswende | |
Minister Wissings Reformvorschlag stößt auf Kritik von Umweltverbänden. | |
Diese bezweifeln, dass die Situation für Umwelt und Gemeinden verbessert | |
wird. |