# taz.de -- Deutschland ratifiziert UN-Vertrag: Mehr Rechte für Indigene | |
> Nach jahrzehntelangen Debatten macht der Bundestag den Weg für die | |
> Konvention ILO 169 frei. Sie soll die Rechte Indigener besser schützen. | |
Bild: Good news from Germany: Oberhaupt der Kaigang, eines indigenen Volks im s… | |
BERLIN taz | Deutschland beherberge selbst keine indigenen Völker, war | |
immer wieder ein vermeintliches Argument gegen den Beitritt zur | |
internationalen Konvention „ILO 169“ für den Schutz ihrer Rechte. Nun aber | |
hat die Bundesregierung ihr im Koalitionsvertrag gemachtes Versprechen | |
eingelöst [1][und ein Gesetz durch den Bundestag gebracht], das den | |
Beitritt einleitet. Nach der Debatte im Bundestag am Donnerstagabend wurde | |
das Gesetz mit großer Mehrheit verabschiedet. | |
Bei der Konvention – Namensgeberin ist die Internationale | |
Arbeitsorganisation (ILO) – handelt es sich um die einzige ihrer Art, die | |
global verbindlich ist. [2][Die ILO 169 wurde in ihrer heutigen Form 1989 | |
verfasst und trat 1991 in Kraft]. Sie war bisher nur von 23 Staaten | |
unterzeichnet worden, darunter die europäischen Länder Dänemark, Luxemburg, | |
Norwegen, Spanien und die Niederlande. Deutschland ist weltweit erst der | |
24. Staat, der das Abkommen ratifiziert. | |
Es gilt für Nationen, nicht für Einzelpersonen oder Unternehmen. Aber es | |
verbietet Deutschland die Finanzierung von Projekten und Organisationen, | |
welche indigenen Gruppen ihr Land streitig machen. Auch Vorhaben, denen die | |
Zustimmung der lokalen Gemeinden fehlt, dürfen nicht unterstützt werden. | |
Neben der Anerkennung von Landrechten regelt die Konvention auch, dass | |
Indigene an Nutzung, Bewirtschaftung und Erhalt von Ressourcen beteiligt | |
werden müssen und nicht diskriminiert werden dürfen. | |
Geschützt werden sollen dadurch nach Schätzung der Vereinten Nationen rund | |
5.000 indigene Völker und damit mehr als 370 Millionen Menschen in etwa 90 | |
Staaten. Laut Bundesregierung sind das 5 Prozent der Weltbevölkerung, | |
zugleich jedoch 15 Prozent der in Armut lebenden Menschen. | |
## NGOs begrüßen den Beschluss | |
Frühere Beitrittsinitiativen waren gescheitert. So lehnte die | |
Bundesregierung 2012 einen Antrag von SPD und Grünen im Bundestag wegen | |
Haftungs- und Prozessrisiken für deutsche Firmen ab. Umso mehr begrüßten | |
die Mitglieder des „Koordinierungskreises ILO 169“, einem Zusammenschluss | |
von zivilgesellschaftlichen Organisationen, Netzwerken und Expert:innen, | |
den Beitritt. Er gilt als wichtiges politisches Signal, das sie teils schon | |
seit zwei Jahrzehnten gefordert hatten. | |
Fiore Longo, Direktorin der NGO Survival International in Deutschland, | |
Frankreich und Spanien, nannte die Entscheidung einen wichtigen Schritt. Es | |
bedürfe jedoch weiterer konkreter Gesetze und einklagbarer rechtlicher | |
Vorgaben auf nationaler Ebene: „Das Gesetz muss angemessen umgesetzt und | |
angewendet werden, sonst bleibt es ein reines Lippenbekenntnis“. Survival | |
International werde weiter kämpfen, bis indigene Völker und ihr Land | |
vollständig geschützt sind. | |
Das evangelische Hilfswerk „Brot für die Welt“ begrüßte den | |
Parlamentsbeschluss ebenfalls. Dessen Präsidentin Dagmar Pruin wies darauf | |
hin, dass der Lebensraum indigener Völker in vielen Teilen der Welt bedroht | |
sei, „durch die Abholzung des Regenwaldes in Brasilien, durch | |
[3][Lithiumgewinnung in Bolivien] oder durch Palmölanbau in Indonesien“. | |
Die grüne Bundestagsabgeordnete und Sprecherin für Menschenrechte und | |
humanitäre Hilfe Margarete Bause [4][stellte eine Verbindung zum | |
Lieferkettengesetz her] und sagte der taz: „Unternehmerische | |
Sorgfaltspflichten gelten auch gegenüber Indigenen.“ Das Übereinkommen | |
bedeute ein verbindliches Recht, das entsprechend umgesetzt werden müsse: | |
„Wenn deutsche Großkonzerne Staudämme in Brasilien, Kolumbien oder anderswo | |
zertifizieren oder versichern, die Umweltkatastrophen mit tausenden Opfern | |
auslösen, dann muss das Folgen haben.“ | |
## Wichtiges außenpolitisches Signal | |
Das für den Beitritt zuständige, SPD-geführte Bundesministerium für Arbeit | |
und Soziales betonte der taz gegenüber vor allem das außenpolitische Signal | |
– auch an andere Nationen -, das Abkommen zu ratifizieren. Die Konvention | |
stehe im Einklang mit den bereits bestehenden nationalen Zielen zum Schutz | |
von Menschenrechten oder etwa des Klimas. „Im Rahmen der Ratifikation sind | |
Änderungen oder Ergänzungen der innerstaatlichen gesetzlichen Vorschriften | |
nicht erforderlich“, erklärte eine Sprecherin. | |
Neben direkten Wirtschaftsinteressen spielen angesichts der laufenden | |
Verhandlungen für ein neues UN-Biodiversitätsabkommen zuweilen auch | |
Konflikte mit dem Naturschutz eine Rolle. Entsprechende und teils von | |
Deutschland finanzierte Projekte stehen in der Kritik, weil sie die lokale | |
Bevölkerung bedrohen. Dass sich der Schutz von Natur und Mensch nicht | |
unbedingt widersprechen müsste, zeigen Studien. So wurde nachgewiesen, dass | |
die Biodiversität in indigenen Gebieten oft besonders hoch ist. Auch beim | |
Wald- und Klimaschutz sind Landrechte für Indigene laut neuester | |
Forschungen womöglich die beste Strategie. | |
16 Apr 2021 | |
## LINKS | |
[1] https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2021/kw15-de-rechte-indigener… | |
[2] https://www.ilo.org/wcmsp5/groups/public/@ed_norm/@normes/documents/publica… | |
[3] /Lithiumgewinnung-in-Bolivien/!5709257 | |
[4] /Regierung-vereinbart-Lieferkettengesetz/!5748604 | |
## AUTOREN | |
Andrew Müller | |
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