| # taz.de -- Deutsche Waffen in Mexiko: Zielsicher in die Krisenregion | |
| > Tausende Sturmgewehre von Heckler & Koch sind widerrechtlich in vier | |
| > mexikanische Bundesstaaten geliefert worden. Das sagt die | |
| > Staatsanwaltschaft. | |
| Bild: Seit 2006 hat der Drogenkrieg in Mexiko über 50.000 Opfer gefordert. | |
| Nun ist es amtlich: Gewehre der Rüstungsschmiede Heckler & Koch wurden ohne | |
| Erlaubnis in mexikanische Krisenregionen geliefert. Das bestätigte die | |
| Stuttgarter Staatsanwaltschaft jetzt der taz. „Es sind Waffen dort | |
| aufgetaucht, wo sie nicht hätten auftauchen dürfen“, sagte | |
| Behördensprecherin Claudia Krauth. | |
| Seit 2010 ermitteln die Strafverfolger wegen eines möglichen Verstoßes | |
| gegen das Außenwirtschafts- und Kriegswaffenkontrollgesetz gegen die | |
| Waffenbauer aus Oberndorf. Bislang war jedoch strittig, ob tatsächlich | |
| Polizeibehörden der „verbotenen“ Bundesstaaten die G36-Sturmgewehre | |
| erhalten haben. | |
| Auch ein Schreiben des mexikanischen Verteidigungsministeriums, das der taz | |
| vorliegt, bestätigt den Vorwurf gegen Heckler & Koch. Demnach wurde fast | |
| die Hälfte der 9.652 nach Mexiko ausgeführten G36-Gewehre in vier Regionen | |
| geliefert, die von den deutschen Behörden als zu gefährlich eingestuft | |
| worden waren. Jetzt gelte es herauszufinden, so Krauth, wer für die | |
| illegalen Lieferungen verantwortlich sei: Heckler & Koch oder mexikanische | |
| Beamte. Die Strafverfolger haben deshalb Mexikos Regierung um Rechtshilfe | |
| gebeten. Das Unternehmen wollte sich nicht zu den Vorwürfen äußern. | |
| ## Export trotz Verletzungen von Menschenrechten | |
| Zum Hintergrund: Zwischen 2005 und 2007 genehmigte das Bundesausfuhramt dem | |
| Schwarzwälder Rüstungsproduzenten den Export dieser Waffen. Bedingung: Die | |
| Gewehre dürfen wegen anhaltender Menschenrechtsverletzungen nicht in die | |
| Bundesstaaten Chiapas, Chihuahua, Jalisco und Guerrero gelangen. Doch in | |
| den folgenden Jahren häuften sich Hinweise, nach denen diese Regionen mit | |
| G36-Gewehren beliefert wurden. | |
| Der Freiburger Rüstungsgegner Jürgen Grässlin verfügte nach eigenen Worten | |
| über Informationen darüber, dass Polizeibehörden der „verbotenen“ Länder | |
| Ersatzteile für die Waffen bestellt hatten. Zudem habe er Kontakt zu einem | |
| Informanten, der für Heckler & Koch just in diesen Regionen Polizisten | |
| ausgebildet haben soll. 2010 erstattet Grässlin Anzeige gegen die | |
| Waffenschmiede. Nach einem Beitrag des ARD-Magazins „Report Mainz“ | |
| durchsuchte die Staatsanwaltschaft den Betrieb. Die Exportgenehmigung liegt | |
| seither auf Eis. | |
| Im März dieses Jahres berichtete die taz über einen Angriff von Polizisten | |
| auf protestierende Studenten in Guerrero, bei dem zwei Menschen ums Leben | |
| kamen. Eine Person, die mit den Ermittlungen des Einsatzes vertraut war, | |
| bestätigte damals, dass Beamte auch G36-Gewehre getragen hätten. Diese | |
| Aussage stützten mehrere Rüstungsexperten, unter ihnen Matthias John von | |
| Amnesty International. Es sei „sehr wahrscheinlich“, dass die Waffen auf | |
| den der taz vorliegenden Fotografien G36-Gewehre seien. Heckler & Koch | |
| reagierte prompt. Es handle sich nicht um ihre Gewehre, ließ das | |
| Unternehmen wissen. Und: „Heckler & Koch hält sich an Recht und Gesetz der | |
| Bundesrepublik Deutschland.“ | |
| Das aber steht völlig in Frage, nachdem nun auch die Staatsanwaltschaft | |
| davon ausgeht, dass die Sturmgewehre in die „verbotenen“ Bundesstaaten | |
| gelangt sind. Anwalt Holger Rothbauer, der Rüstungsgegner Grässlin in der | |
| Anzeige vertritt, sieht in erster Linie die deutschen Waffenbauer in der | |
| Pflicht. „Der Exporteur muss Verantwortung dafür tragen, dass die | |
| Ausfuhrgenehmigung eingehalten wird“, erklärt der Tübinger Jurist. „Sonst | |
| werden Exportgesetze und politische Grundsätze zur Farce.“ Es wäre geradezu | |
| absurd, wenn Heckler & Koch straffrei ausgehen würde. „Wenn künftig immer | |
| die Regierungen der Importstaaten verantwortlich sind, wäre das ein | |
| Freibrief dafür, alle Waffen in alle Welt zu liefern.“ | |
| ## Heckler & Koch waren informiert | |
| Zurückhaltender ist man beim Bundesausfuhramt. In solchen Fällen müsse | |
| geprüft werden, ob die ausführende Firma vom Partner im Importland | |
| getäuscht oder beide „gemeinsame Sache“ gemacht haben, ob also Heckler & | |
| Koch im Bilde darüber war, wohin die Waffen gingen. Doch hier ist sich | |
| Rothbauer sicher: „Die Verantwortlichen bei Heckler & Koch waren über den | |
| illegalen Verbleib ihrer gefährlichen Waren informiert.“ Dafür gebe es | |
| Zeugen aus dem Inneren des Betriebs. | |
| Um herauszufinden, welche Rolle die Behörden Mexikos gespielt haben, hat | |
| die Staatsanwaltschaft die Regierung des Landes um Rechtshilfe gebeten. In | |
| Mexiko wurde das Geschäft über die staatliche Beschaffungszentrale D.C.A.M. | |
| abgewickelt. Schon jetzt läuft ein Ermittlungsverfahren gegen einen | |
| D.C.A.M.-Mitarbeiter, weil der für jedes verkaufte Sturmgewehr von Heckler | |
| & Koch 25 Dollar erhalten haben soll. | |
| Nun soll Mexikos Regierung klären, ob eine ihrer Behörden illegal Waffen | |
| nach Chiapas, Chihuahua, Jalisco oder Guerrero geliefert hat. Zweifel, ob | |
| dies realistisch ist, sind angebracht: In Mexiko werden nur etwa zwei | |
| Prozent aller Verbrechen aufgeklärt, die Mehrzahl der Beamten ist korrupt. | |
| Auch Strafverfolgerin Krauth ist skeptisch. Bisher sei man nicht besonders | |
| gut vorangekommen. Dabei ist das mexikanische Verteidigungsministerium | |
| nicht sehr zurückhaltend, wenn es gilt, über den Verbleib der Waffen zu | |
| informieren. | |
| Aus der Antwort auf eine öffentliche Anfrage an die Regierung geht hervor, | |
| dass 4.796 der insgesamt 9.652 zwischen 2006 und 2009 importierten Gewehre | |
| genau in jene Bundesstaaten gingen, in die sie nie hätten gelangen dürfen. | |
| ## Eine der gefährlichsten Regionen der Welt | |
| Ausgerechnet in das nordmexikanische Chihuahua, wo mit Ciudad Juárez eine | |
| der gefährlichsten Städte der Welt liegt, lieferte die D.C.A.M. laut dem | |
| der taz vorliegenden Schreiben vom 15. März 2011 am meisten der | |
| Schusswaffen: 2.113 Stück. | |
| „Es ist schon seit Jahren klar, was gespielt wird“, sagt Rüstungsgegner | |
| Grässlin. Dass die Staatsanwaltschaft nun die illegalen Lieferungen nicht | |
| mehr anzweifelt, sei aber sehr positiv zu werten. Lange Zeit hätten die | |
| Strafverfolger darauf gesetzt, das Verfahren einstellen zu können, doch | |
| angesichts der schlagkräftigen Beweise werde es „für die Verantwortlichen | |
| jetzt ernst“, meint Grässlin. Er ist zuversichtlich, dass alle Beteiligten | |
| zur Rechenschaft gezogen werden: der ehemalige | |
| Heckler-&-Koch-Geschäftsführer Peter Beyerle ebenso wie die deutschen | |
| Behörden, die trotz des korrupten Polizeiapparats und der katastrophalen | |
| Menschenrechtslage den Export abgesegnet haben. | |
| 21 Nov 2012 | |
| ## AUTOREN | |
| Wolf-Dieter Vogel | |
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