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# taz.de -- Debatte über Vertiefung der Unterweser: Ergebnisoffen oder nicht?
> Im Seehafen Brake beginnt ein „Dialog zur Fahrrinnenanpassung der
> Unterweser (Nord)“. Kritiker*innen bezweifeln, dass das Ergebnis noch
> offen ist.
Bild: Schon heute gibt es das Problem versalzender Weiden: Die Unterweser zwisc…
Osnabrück taz | Seehäfen, die tief im Binnenland liegen, tun dem Fluss, der
die Schiffe zu ihnen bringt, meist nicht gut. Das ist auch in der
niedersächsischen Kleinstadt Brake der Fall, an der Weser, mehr als 25
Kilometer landeinwärts gelegen.
Eigentümer des dortigen Hafens ist mit „Niedersachsen Ports“ das Land
Niedersachsen, Betreiber die J. Müller Gruppe. Schiffe bis zu 11,90 m
Tiefgang können Brake erreichen. Geht es nach dem Bundesverkehrswegeplan
2030 (BVWP), sollen es künftig 90 Zentimeter mehr sein.
Dafür müsste erneut der Nordabschnitt der Unterweser vertieft werden. Der
BVWP sieht dafür „vordringlichen Bedarf“, versteht eine Vertiefung als
„qualitative Verbesserung“.
Wenn man nur den Verkehr betrachtet, mag das sogar stimmen. Aber die
[1][Weser] ist nicht nur eine Wasserstraße. Und [2][Vertiefungen haben
Folgen], von der Versalzung und Verschlickung bis zur
Strömungsverschnellerung. Zum Leidwesen vieler Tier- und Pflanzenarten. Zu
Ungunsten vieler Nutzungen, von der Freizeit bis zur Landwirtschaft.
Wenn am 9. Oktober im Braker Hafen am frühen Nachmittag der Auftakt für den
„Dialog zur Fahrrinnenanpassung der Unterweser (Nord)“ stattfindet, mit
[3][Olaf Lies] (SPD) und [4][Christian Meyer] (Grüne), den
niedersächsischen Ministern für Wirtschaft und Umwelt, wird das
„[5][Aktionsbündnis gegen die Weservertiefung]“ vor dem Hafentor eine
Mahnwache abhalten. „Eine ganze Gegend wird hier einfach alleine gelassen
und ignoriert“, sagt Annette Chapligin der taz, Sprecherin des Bündnisses
und Vorsitzende der BUND-Kreisgruppe Wesermarsch. „Man kann die Natur nicht
ohne Ende ausdehnen.“
Chapligin beunruhigt, dass das Gespräch auf dem Hafen-Privatgelände „die
Öffentlichkeit ausschließt“. Auch Heike Stahl-Krippner hat Bedenken,
Vize-Vorsitzende des Vereins „Weserschutz“ aus Nordenham, der Mitglied im
Aktionsbündnis ist: „Dass der Veranstaltungsort, der Braker Hafen, selbst
ein wichtiger Akteur im Prozess ist und maßgeblich von einer
Weservertiefung profitieren möchte, setzt das Signal, dass das Land sich
bereits auf eine Seite geschlagen haben könnte.“
Ein Demo-Aufruf des Bündnisses für Montag mahnt, es gehe „um unsere
lebenswerte Heimat“. In einem Offenen Brief an Lies und Meyer sprechen
Leenert Cornelius, Ralf Degen und Dierk Dettmers, drei Grünlandbauern der
Region, von „ökologischem und wirtschaftlichem Unsinn“. Die Umweltverbände
BUND, NABU und WWF fordern anlässlich des Auftakts des „Dialogs“ die
Politik „eindringlich auf, die seit Jahrzehnten fortgesetzte Spirale immer
neuer Flussvertiefungen mit katastrophalen ökologischen Auswirkungen zu
durchbrechen“.
Das Bündnis ist kreativ. 2021 hat es in Nordenham entlang der Weser das
„Blaue Band“ gespannt. 2022 kam es zum „Schlickwatching“ im Großensiel…
Hafen, wurden in Brake Wasserproben gezogen, um den Salzgehalt zu messen.
2023 hat es die Petition „Kein Einvernehmen zu weiteren Weservertiefungen“
an den Niedersächsischen Landtag gerichtet; mehr als 2.200 Menschen haben
sie unterschrieben.
Gestärkt sieht sich das Bündnis durch den Kreistag des Landkreises
Wesermarsch. Ende 2022 hat er einstimmig eine Resolution beschlossen, die
Niedersachsens Landesregierung auffordert, das Einvernehmen zur Vertiefung
zu „versagen“. Sie möge Lösungen entwickeln, „mit denen der Hafen Brake
zukunftsfähig weiterentwickelt werden kann, ohne die Weser vertiefen zu
müssen“.
Das soll jetzt im Braker „Dialog“ begonnen werden. Von einem Ausschluss der
Öffentlichkeit könne dabei „keine Rede sein“, schreibt Matthias Eichler,
Sprecher des Niedersächsischen Ministeriums für Umwelt, der taz: „Es ist
ein Runder Tisch mit den Umweltverbänden (BUND, NABU, WWF), den Kommunen
und Landkreisen (von denen viele die Weservertiefung ablehnen), Fischerei-
und Landwirtschaftsverbänden (die ebenfalls überwiegend die negativen
Folgen betonen) und der örtlichen Hafenwirtschaft (die für die Vertiefung
ist).“ Er sei ergebnisoffen.
„Die bisherigen Vertiefungen haben durch die Verschiebung der
Brackwasserzone erhebliche Schäden für Umwelt und Landwirtschaft
angerichtet“, schreibt Eichler der taz. „Statt die Flüsse immer weiter zu
vertiefen, gilt es, ein gemeinsames norddeutsches Hafenkonzept zu
entwickeln und umzusetzen.“
## Verpflichtungen durch die EU-Wasserrahmenrichtlinie
Die EU-Wasserrahmenrichtlinie verpflichte Deutschland, alle Gewässer, also
auch die Weser, bis 2027 in einen guten ökologischen Zustand zu versetzen.
Umweltminister Meyer zur taz: „Ich habe erhebliche Zweifel, wie weitere
Vertiefungen mit den Umweltzielen vereinbar sein sollen.“
Er baue „sehr auf einen offenen, vertrauensvollen und zielführenden Dialog
mit allen Beteiligten“, sagt Meyer. „Als Umweltminister sehe ich mögliche
Weservertiefungen bekanntermaßen sehr kritisch, daher ist es mir wichtig,
dass die Argumente der Umweltverbände, Fischer und Kommunen dagegen gehört
werden.“ Alle ökologischen und ökonomischen Aspekte würden im „Dialog“
betrachtet. „Dazu dient dieser erste Austausch der Argumente.“
## Aktionsbündnis indirekt beteiligt
Auch der Verein „Weserschutz“ sitzt mit am Tisch, ebenso der BUND aus
Niedersachsen und Bremen. Das Aktionsbündnis ist damit „zumindest indirekt“
ebenfalls eingeladen, sagt Chapligin. Rund drei Dutzend Institutionen,
Firmen, Kommunen und Vereine zählt der Sprecher des niedersächsischen
Wirtschaftsministeriums Christian Budde gegenüber der taz auf, vom kleinen
Segelclub bis zu Steelwind Nordenham, einem Anbieter von Fundamenten für
die Offshore-Windkraft. Freien Zutritt gibt es aber nicht.
Immerhin: Im Koalitionsvertrag der rot-grünen Landesregierung Niedersachsen
steht, man werde beantragen, die Vertiefung „aus dem
Maßnahmengesetzvorbereitungsgesetz herauszunehmen“. Geschähe das, wäre es
nicht mehr möglich, sie ohne regulären Planfeststellungsbeschluss
durchzupeitschen. Und Klagen würden wieder möglich, auch von
Umweltverbänden. Wann das soweit ist, ist offen.
9 Oct 2023
## LINKS
[1] /Weser/!t5010430
[2] /Umweltverbaende-kritisieren-Ems-Vertiefung/!5906298
[3] /Olaf-Lies/!t5615342
[4] /Christian-Meyer/!t5012247
[5] https://weserschutz.de/aktionsbuendnis/
## AUTOREN
Harff-Peter Schönherr
## TAGS
Weservertiefung
Niedersachsen
Naturschutz
Schifffahrt
Weser
Soja
Weservertiefung
Schwerpunkt Bürgerschaftswahl Bremen 2023
Weser
Bremen
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