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# taz.de -- Coronavirus-Mutation Omikron: Der Egoismus der Reichen
> Wenn reiche Länder Impfstoffe horten, entstehen neue Varianten. Die
> ungerechte Verteilung ist das Problem. Reisebeschränkungen sind
> wirkungslos.
Bild: Reisebeschränkungen wiegen die Bevölkerung in Europa in falsche Sicherh…
Der südafrikanische Genetik-Professor Tulio de Oliveira war einer der
ersten, der die internationale Öffentlichkeit über die neue
Coronavirus-Variante informierte – und seine besondere Gefährlichkeit
hervorhob, was seine globale Verbreitung und die Auswirkungen auf jüngere
Menschen angeht. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) stufte diese
Variante einen Tag später als „besorgniserregend“ unter dem griechischen
Buchstaben Omikron ein.
Seitdem überschlagen sich viele Länder darin, wie sie Südafrika und seine
Menschen am besten isolieren können. EU-Ratsräsidentin Ursula von der Leyen
rief umgehend alle Länder Europas auf, für Reisende aus dem südlichen
Afrika „in gemeinsamer Anstrengung die Grenzen zu schließen“.
Der Vorstandvorsitzende des Weltärztebundes (WMA), Frank Ulrich Montgomery,
legte noch nach, was die vermeintliche Bedrohung aus Afrika angeht, indem
er seine Sorge darüber äußerte, dass die neue Variante B.1.1.529 „so
gefährlich wie [1][Ebola]“ sein könnte. Wieso Ebola? Ebola kommt auch aus
Afrika und endet ohne Medikamente meist tödlich.
Was für eine zynische Assoziation ohne jeden belegbaren Zusammenhang. Aber
eine diffuse Angst vor Afrika und seinen Seuchen ist schon mal benannt. Und
es lenkt ab von einem anderen internationalen Zusammenhang, der wesentlich
konkreter belegt werden kann: Der Fortschritt, den die Länder des Nordens
betreiben, endet immer wieder mit der Ausbeutung des Südens.
Während Professor de Oliveira weltweit zitiert wurde, was mögliche Gefahren
der neuen Variante angeht, wurde der Teil seiner Tweets ignoriert, der
wesentliche Ursachen und Lösungen benannte: „Die Welt sollte gerade jetzt
Südafrika und Afrika unterstützen und es nicht isolieren oder gar
diskriminieren! Nur durch das Stärken der medizinischen Infrastruktur hier
werden wir die Welt schützen.“
Die WHO hatte trotz der ernsten Einstufung gleichzeitig davor gewarnt, „mit
Reiseverboten die neue Variante zu bekämpfen“, während noch viel zu wenig
bekannt sei über deren Wirkung und Verbreitung. Zu Recht beschwerte sich
die Regierung Südafrikas, dass das Land dafür bestraft würde, dass es als
erstes die neue Variante erkannt und alle Informationen dazu umgehend
geteilt hätte.
Regierungen reicher Länder vermitteln ihren Bürger*innen eine
Scheinsicherheit, wenn sie sich angeblich besonders effektiv abriegeln.
Inzwischen weiß jeder, dass Viren in unserer globalen Welt nur begrenzt
kontrolliert werden können. In Kürze wird Omikron auch in den meisten
europäischen Ländern angekommen sein.
Wenn reiche Länder die Impfstoffe horten, entstehen neue Varianten. [2][Die
ungerechte Verteilung ist das Problem]. Die meisten internationalen
Reaktionen auf Südafrikas neue Variante sind nicht nur egoistisch, sondern
auch wirkungslos – es gibt keine Alternative zum Teilen als effektivem
Schutz. Dabei geht es dann nicht nur um die Zahl der Impfdosen, sondern
auch um einen gerechten Aufbau gesundheitlicher Infrastruktur, die am Ende
allen Menschen in der Welt zugute kommt.
Noch im September hatte US-Präsident Joe Biden erklärt, dass bis Dezember
zumindest 40 Prozent der Menschen in den 93 ärmsten Ländern geimpft sein
sollten. Wie alle anderen Versprechen zuvor, wird auch dieses in sicher 82
von ihnen nicht gehalten werden.
Es gibt eine Parallele zwischen Pandemien und der Zerstörung der Umwelt:
Nicht nur sind von den schlimmsten Folgen am meisten die armen Länder
betroffen. Auch wird allein deren Impfschutz den Rest der Welt vor immer
neuen Mutationen bewahren.
Wann wird es Regierungen reicher Länder geben, die sich nicht nur „mehr
Fortschritt wagen“ auf die Fahnen schreiben, sondern endlich auch mehr
globale Gerechtigkeit und echten Klimaschutz umsetzen? Warnungen hat es
schließlich genug gegeben: Wenn nicht alle Menschen weltweit Impfschutz
erhalten, wird sich das Virus nicht nur im globalen Süden unkontrolliert
ausbreiten, sondern es wird zu Mutationen kommen, die dann auch mehrfach
geimpfte Menschen in den reichen Ländern treffen werden. Genau an diesem
Punkt sind wir jetzt.
28 Nov 2021
## LINKS
[1] /Demokratische-Republik-Kongo/!5737022
[2] /Aerztin-ueber-globale-Impfgerechtigkeit/!5813281
## AUTOREN
Lutz van Dijk
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Jens Spahn
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