# taz.de -- Chinapolitik der Europäischen Union: Europa ringt um neuen Kurs | |
> Eine Debatte im Europaparlament zeigt, wie weit die EU noch von einer | |
> einheitlichen Haltung gegenüber der Volksrepublik entfernt ist. | |
Bild: Peking: Ein chinesischer Polizist wacht am 24. Februar 2023 vor einer EU-… | |
BRÜSSEL taz | Die EU-Kommission will die Daumenschrauben gegenüber China | |
anziehen und zugleich die europäischen Investitionen in die chinesische | |
Wirtschaft künftig strenger kontrollieren. Dies sagte die deutsche | |
Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Dienstag in einer Aussprache | |
im Europaparlament in Straßburg. Zugleich warnte sie die Führung in Peking | |
vor einer militärischen Intervention in Taiwan. | |
Die EU wolle weiter mit China zusammenarbeiten, erklärte von der Leyen. | |
Eine „unilaterale Änderung des Status quo“ in Taiwan, „insbesondere durch | |
Gewaltanwendung“, werde jedoch auf entschiedenen Widerstand Europas stoßen. | |
Die EU-Chefin warb zudem für [1][ihre Strategie der Risikobegrenzung | |
(„De-Risking“) im Umgang mit China]. Dazu gehöre eben auch, strategische | |
Investitionen aus Europa in kritische Technologien in China zu überwachen. | |
Wann ein entsprechender Gesetzentwurf kommt, sagte die deutsche | |
EU-Kommissionschefin bei ihrer Rede in Straßburg nicht. Klar wurde jedoch, | |
dass von der Leyen an ihrem harten Kurs festhält – und dabei auch künftig | |
eng mit den USA zusammenarbeiten will. Bereits Anfang März hatte die | |
CDU-Politikerin ihre Strategie bei einem Treffen mit US-Präsident Joe Biden | |
in Washington abgesprochen. | |
Dieses Vorgehen wird jedoch nicht von allen EU-Politikern gebilligt. So | |
plädierte Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron kürzlich nach einem | |
Staatsbesuch in Peking für mehr „strategische Autonomie“ und eine | |
unabhängige China-Politik. Die EU dürfe sich nicht in Konflikte | |
hineinziehen lassen, die sie nichts angingen, [2][sagte Macron mit Blick | |
auf Taiwan]. Sonst drohe Europa zum „Vasallen der USA“ zu werden. | |
## Die Mehrheit stellt sich hinter von der Leyen | |
Wer hat recht? Und wer setzt sich durch? Das ist die große Frage, die die | |
EU-Politiker in Brüssel umtreibt. Ratspräsident Charles Michel, der die | |
EU-Gipfel organisiert, stellte sich hinter Macron. Der Franzose sei mit | |
seiner Haltung nicht allein, sagte der Belgier. Auch Josep Borrell, Europas | |
Chefdiplomat, zeigt Verständnis. Die EU brauche eine gewisse Autonomie, | |
sagte er in Straßburg. | |
„Wir müssen einen neuen Kalten Krieg zwischen dem Westen und dem Fernen | |
Osten vermeiden“, forderte Borrell. Außerdem dürfe man die Debatte nicht | |
auf die USA und China verkürzen. Wenn sich die EU aus China zurückziehen | |
und an die USA anlehnen sollte, würden sofort andere Länder in die Bresche | |
springen, sagte der Spanier. „Wenn wir ein Vakuum schaffen, wird es von | |
anderen gefüllt.“ | |
Tatsächlich orientieren sich bereits viele Länder stärker an China als an | |
Europa, wie der [3][Staatsbesuch des brasilianischen Präsident Lula da | |
Silva in Peking gerade gezeigt hat]. Lula forderte die EU auf, ihren Kurs | |
in der Ukraine-Politik zu überdenken und mehr für eine Friedenslösung zu | |
tun. Borrell nannte auch das Beispiel der südostasiatischen | |
Asean-Staatengruppe: „Wir sind da weggedrängt worden.“ | |
Wie die EU jedoch verloren gegangenes Terrain zurückerobern und zugleich | |
China einhegen könnte, ließ Borrell aber offen. Eine gewisse Ratlosigkeit | |
prägte auch die Aussprache der Europaabgeordneten. Die Mehrheit stellte | |
sich hinter von der Leyen und ihren harten, transatlantischen Kurs. Der | |
Chef der größten Parlamentsfraktion, Manfred Weber (CSU), lobte ihre | |
„klaren Kernbotschaften“. | |
## Der nächste EU-Gipfel ist im Juni geplant | |
In der Taiwan-Frage gehe es um die europäischen Werte, so Weber. Macron | |
habe mit seinen Worten „die Einheit Europas massiv beschädigt“ und Zweifel | |
an der Bündnistreue in den USA geweckt. Der Streit müsse beim nächsten | |
EU-Gipfel am 29. und 30. Juni auf den Tisch kommen. Ähnlich äußerten sich | |
die Grünen. Nur von der Leyen spreche für die EU, sagte der grüne | |
Außenpolitiker Reinhard Bütikofer. | |
Es gab jedoch auch andere Stimmen. Der Chef der liberalen Renew-Fraktion, | |
Stéphane Séjourné, stellte sich hinter Macron. Die Strategie der USA in der | |
Taiwan-Frage sei besorgniserregend, sagte der Franzose. Die französische | |
Linken-Politikerin Manon Aubry warf der EU vor, die große Abhängigkeit von | |
China durch ihre eigene Handelspolitik überhaupt erst geschaffen zu haben. | |
Europa dürfe sich nicht an die USA anpassen, sonst werde es international | |
nicht mehr ernst genommen. | |
18 Apr 2023 | |
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## AUTOREN | |
Eric Bonse | |
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